Vom Jagdschloss zum Museum der Alltagskultur
Das Waldenbucher Schloss
Autorin: Susanne Schmidt
Der Jagdleidenschaft der württembergischen Landesfürsten haben die Waldenbucher es zu verdanken, dass um 1558 der Ausbau der mittelalterlichen Burg zum neuzeitlichen Schloss in Angriff genommen wurde. Bis der Schlossbau auf dem Hügel über dem Aichtal seine endgültige Gestalt erhalten hat, sollte es allerdings noch gut 150 Jahre dauern. Viele fürstliche Bauherrn und ebenso viele prominente Baumeister haben hier ihre Spuren hinterlassen.
Als Herzog Ulrich im Jahre 1534 den Sitz des Waldvogts über den Schönbuch von Tübingen nach Waldenbuch verlegte, war dies für das kleine Städtchen eine Entscheidung von größter Wichtigkeit, erhöhte dies doch seine Bedeutung für annährend drei Jahrhunderte ganz wesentlich.
Die Bautätigkeiten am Waldenbucher Schloss begannen unter Ulrichs baufreudigem Nachfolger, Herzog Christoph. Neben dem mittelalterlichen Herrenhaus1 ließ dieser zwischen 1558 und 1570 einen schlichten, kastenförmigen Neubau im Stil der Renaissance errichten: den heutigen Ostflügel, auch “Alter Flügel“ genannt. Die Pläne zu dem zunächst zweigeschossigen Gebäude mit Treppenturm an der Nordostecke stammen möglicherweise von Martin Berwart aus Leonberg, fürstlicher Baumeister von 1554 – 1564. Die schöne Wendeltreppe (1566) dagegen könnte ein Werk des Treppenspezialisten Blasius Berwart sein, dem Erbauer der Stuttgarter Reittreppe. Die Bauleitung lag in den Händen von Albrecht Tretsch, Sohn von Aberlin Tretsch, dem damals führenden Baumeister in Württemberg. 1564 mussten die Bauarbeiten vorübergehend eingestellt werden, hatten doch die Landstände und Räte dem Herzog die große Verschuldung des Landes vorgehalten. Von der einst anspruchsvollen Innenausstattung haben sich Reste von Kachelöfen, Holzvertäferungen, Kassettendecken und Türumrahmungen erhalten.
Auch Herzog Friedrich I. war ein leidenschaftlicher Jäger und schon vor seinem Regierungsantritt oft zu Gast im wildreichen Waldenbucher Revier. Die Räumlichkeiten im Alten Flügel scheinen schon bald zu eng geworden zu sein. Der “Alte Flügel“ war etwa im rechten Winkel zur Veitskirche errichtet worden. Als 1605 die Erweiterung des Schlosses anstand, war die Kirche dem fürstlichen Bauwillen im Wege. Friedrich ließ das Kirchenschiff kurzerhand abreißen und verfügte den Neubau des Langhauses in die entgegen gesetzte Richtung.
Aus dem Inventar von Friedrichs berühmtem Baumeister Heinrich Schickardt wissen wir, dass auch er in Waldenbuch “vil gebaut“ hat. Leider hat er es versäumt, nähere Angaben zu machen, so dass wir heute nur vermuten können, dass die Verlängerung des Ostflügels nach Norden und der Schlossdurchgang auf ihn zurückgehen. Auch der Brunnen wurde damals wahrscheinlich an seine heutige Stelle im Schlosshof verlegt.
Auch Herzog Friedrichs I. Sohn, Johann Friedrich, lud immer wieder zahlreiche Gäste zum Waydwerkh nach Waldenbuch. Auf dem Betzenberg, wo sich ein berühmter Brunftplatz der Hirsche befand, lies er ein Pürsch-häuschen bauen und mit Pürsch-gräben zum bequemen Abschießen des Rotwilds versehen.
Blick vom Steinenberg auf Schloss Waldenbuch (Bild: Mit freundlicher Genehmigung von Foto Ceska Waldenbuch)
Unter der Vormundschaftsregierung Herzogs Friedrich Karls wurden im Jahre 1687 die Bauarbeiten am Waldenbucher Schloss wieder aufgenommen. Auf der Westseite des Schlosshofes entstand der sog. „Offizienflügel“ als neuer Küchenbau. Im selben Zug wurde der “Alte Flügel“ um ein Geschoß aufgestockt. Insgesamt muss der Gebäudekomplex damals jedoch einen sehr uneinheitlichen Eindruck gemacht haben. Neben den beiden Renaissanceflügeln im Osten und im Westen, stand im Süden noch das mittelalterliche Gebäude der alten Jagdvogtei und allerhand Nebengebäude wie Ställe und Scheunen.
Die vierte und letzte Ausbauphase des Waldenbucher Schlosses erfolgte unter dem bau- und jagdfreudigen Herzog Eberhard Ludwig. Dieser beauftragte 1717 seinen mit dem Ludwigsburger Residenzschloss beschäftigten Hofbaudirektor Donato Giuseppe Frisoni mit dem Entwurf eines neuen Mitteltrakts nach Süden. Der dreistöckige Kastenbau mit hohem Walmdach wurde bis 1719 von Johann Ulrich Heim ausgeführt. Er vereinheitlichte das Aussehen des Gebäudeensembles und verband den Alten Flügel und den Offizienflügel zu einer trapezförmigen Dreiflügelanlage. Damals verschwanden auch die Reste der alten Burg, an die heute außer zwei Kellerräumen nichts mehr erinnert.
Der Innenausbau des Südflügels folgt mit seinen auf eine Achse gestellten Türen (sog. „Enfilade“) nun ganz der Raumauffassung des barocken Schlossbaus. Von der prachtvollen Raumausstattung mit wertvollen Stukkaturen hat sich nur wenig erhalten.
Nach 1719 wurde am Waldenbucher Schloss nichts wesentliches mehr gebaut. 1806 hielt der dicke König Friedrich I. hier das letzte fürstliche Hoflager ab und 1807 wurde der Wohn- und Amtssitz des Oberforstmeisters nach Bebenhausen verlegt. Die glanzvollen Tage des Jagdschlosses waren vorüber und für das funktionslos gewordene Gebäude begann eine Phase häufig wechselnder Nutzung.Von 1812 – 15 diente es den aus Napoleons Russland-Feldzug heimgekommenen Soldaten als Kaserne und Hospital. 1860 erwähnt die Oberamtsbeschreibung neben der Wohnung des Revierförsters hier auch ein Stationsgefängnis für Transportgefangene. Ende des 19. Jahrhunderts zogen Behörden und ein Teil der Schule ein. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Vertriebene und Flüchtlinge einquartiert. Teilweise lebten hier rund 30 Familien mit bis zu neun Kindern. Durch provisorische Wand- und Deckenverkleidungen wurde die historische Raumausstattung stark beschädigt. In den letzten Jahren vor der Sanierung war schließlich das Notariat im Schloss untergebracht.
1976 entschied die baden-württembergische Landesregierung, aus dem Waldenbucher Schloss ein Museum der Alltagskultur zu machen. Nach längeren Diskussionen zwischen Denkmalamt, Landesmuseum und ausführendem Staatlichem Hochbauamt wurde 1978 die Sanierung in Angriff genommen.
Beim Außenbau einigte man sich im wesentlichen auf eine Wiederherstellung des barocken Zustands aus den Jahren 1717-19. Als Farbfassung rekonstruierte man ein gebrochenes Weiß mit grau gestrichenen Sandsteingewänden.
Schwieriger gestaltete sich die Renovierung im Gebäudeinneren. Hier mussten der Wunsch nach weitest möglicher Erhaltung der historischen Überreste mit den Erfordernissen eines modernen Museums in Einklang gebracht werden.
Am 1. Juli 1989 wurde das sanierte Waldenbucher Jagdschloss der Öffentlichkeit übergeben. Als Museum der Alltagskultur ist es heute eine Außenstelle des Landesmuseums Württemberg.
Hofansicht des Alten Flügels mit Treppenturm. Die aus Sandstein gehauenen Fenstergewände hatten ursprünglich einen Kreuzstock, der beim Umbau 1687 entfernt wurde.
Literatur:
Schloss Waldenbuch Museum für Volkskultur in Württemberg. Hrsg. vom Finanzministerium Baden Württemberg/Stuttgart, Ludwigsburg 1989. Darin die Aufsätze von Inge Winter, Die Baugeschichte von Burg und Schloss Waldenbuch, S. 13-18 und Dr. Johannes Wilhelm, Das Kulturdenkmal, S. 19-24
Siegfried Schulz, Der Herzog Johann Friedrich von Württemberg, von der edlen Jagd und auch von Waldenbuch. In: Siegfried Schulz, Einblicke – Skizzen zur Geschichte der Stadt Waldenbuch, hrsg. von der Stadt Waldenbuch aus Anlass ihres Jubiläums 700 Jahre Waldenbuch, 1996
Otto Springer, Geschichte der altwürttembergischen Landstadt Waldenbuch, Stuttgart 1912
Referenz
↑1 | Vermutlich handelte es sich um eine staufischen Burganlage aus dem 12. Jh. Als Erbauer wird das mächtige Ministerialengeschlecht der Bernhäuser angenommen, das 1296 im Zusammenhang mit Waldenbuch genannt wird. |
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