Zur Schulgeschichte von Höfingen
Dorfschule und Kirche
Autor: Alfons Schlichtenmayer
Ein besonders umfangreicher Teil der von Herzog Christof im Jahr 1559 erlassenen „großen Kirchenordnung“ bezog sich auf den weiteren Aufbau des Bildungswesens, insbesondere auf die “Unterweisung der Untertanen“ in den „teutschen Schulen“.1 (…)
Wie anderwärts so hatte es auch in Höfingen mit der Schule sehr bescheiden begonnen. Noch viele Jahrzehnte war der Schulbesuch freiwillig gewesen. Für die wenigen Schüler fand der Unterricht im Studierzimmer des Pfarrers oder Diakons statt. Als im Jahr 1649 der allgemeine Schulzwang eingeführt wurde, befand sich das erste öffentliche Schullokal im gleichen Haus, in dem der Schultheiß seinen Amtssitz hatte (Altes Rathaus).
Bis ins 19. Jahrhundert hinein unterstand die Dorfschule den damaligen Gremien der Kirchengemeinde und der bürgerlichen Gemeinde und wurde vom Pfarrer am Ort und vom Dekan visitiert.
Dies erfolgte nach folgendem Plan:
Der Ortsgeistliche visitiert wöchentlich:
Der Dekan visitiert jährlich:
Zu den ohnedies umfangreichen Aufgaben des Schulmeisters kam Anfang des 18. Jahrhunderts noch die Sonntagsschule hinzu, die unter Aufsicht des Pfarrers abgehalten werden musste. Noch Jahre vergingen bis im Jahr 1780 auf dem Gelände westlich des Kirchplatzes ein einstöckiges Schulgebäude errichtet werden konnte.
1827 beschreibt der damalige Pfarrer Lechler in seinem Schulbericht das örtliche Schulwesen wie folgt:
Es gibt eine deutsche Elementarschule, zu der auch die Kinder der 3 Mühlen gehören. Sie wird von einem Schulmeister und einem Provisor2 versehen. Dieser ist abhängig.
Es ist ein eigenes Schulhaus da, wo auch die Wohnung des Schulmeisters ist. Die Schulstube hat von 3 Seiten Fenster und ist zu ebener Erde. Sie hat hinreichenden Raum für die gegenwärtige Schülerzahl. Zwischen der Abteilung des Schulmeisters und des Profisors ist ein gewöhnlicher Bretterverschlag. Das Schulhaus baute zu 1/3 der Heilige (später die Kirchenpflege) und zu 2/3 die Gemeindekasse. Die Kammer des Profisors ist feucht.
Das Recht der Besetzung der Schulmeisterstelle steht nach dem Lagerbuch und Vorgängen dem Kirchenkonvent zu.
Die Zahl der Schulstunden ist Sommers 4 (von 6-10 Uhr), wo die Kinder in zwei Abteilungen, Winters 5 (von 8-11 und 1-3 Uhr) wo die Kinder alle gleichzeitig unterrichtet werden, mit Ausnahme von 2 Vakanznachmittagen, Mittwoch und Samstag.“
1836 wurde im Zuge der Schulreform ein Volksschulgesetz erlassen, welches den Charakter der Dorfschulen als einer staatlichen Einrichtung betonte. An der Trennung nach Konfessionen wurde festgehalten, was jedoch für Höfingen bedeutungslos war, da es zu jener Zeit in Höfingen noch keine katholischen Familien gab. Die Schulzeit wurde auf 8 Jahre festgesetzt. Das Schulgeld wurde erlassen und die soziale Stellung des Schulmeisters verbessert. Die Unterhaltung des Schulgebäudes war nunmehr Sache der Gemeinde. (…)
Aus mehreren Visitationsberichten des Leonberger Dekans geht hervor, dass es beim “Visitieren“ zwischen dem Ortspfarrer und Schulmeister zu Zwistigkeiten kam. Der Schulmeister fühlte sich zu sehr vom Pfarrer bevormundet. Dies ist verständlich, wenn man berücksichtigt, dass dem Schulmeister auch noch bis 1901 das Amt des Mesners zugemutet wurde.3
Allgemein war der Posten des Schulmeisters vor 100 Jahren nicht sonderlich begehrt. … Der Lohn, der je nach Größe der Gemeinde unterschiedlich war, bestand aus dem geringen Schulgeld, das die einzelnen Schüler an den Lehrer zu bezahlen hatten, aus der freien Dienstwohnung im Schulhaus, aus dem kärglichem Zuschuss des Heiligen und aus der Nutzung des Krautgartens, welcher dem Schulmeister vom Pfarrkonvent zugewiesen war. (…)
Im Jahr 1874 wird von der königlichen Schulbehörde die Einführung des Turnunterrichts empfohlen. Diese Neuerung wird von den zuständigen örtlichen Gremien noch nicht für vordringlich gehalten. Begründet wird dies damit, dass die Kinder aufgrund ihrer Pflicht zur Mitarbeit in der Landwirtschaft der Eltern, genug Bewegung hätten. …
Mit dem weiteren Schulgesetz vom 17. 6. 1909 wurde die geistliche Aufsicht über die Volksschule und ihrer Lehrer eingeschränkt. … Die Aufsichtspflicht des Pfarrers bezog sich nur noch auf den Religionsunterricht. Auch dies hat sich bald darauf geändert. Seit 1910 findet eine Beaufsichtigung der Lehrer durch den Ortsgeistlichen nicht mehr statt.
Im Jahr 1919 wurde die jahrhundertlange Verflechtung zwischen Kirche und Staat aufgehoben. (…)
Erstveröffentlichung: 450 Jahre Evangelische Kirchengemeinde Höfingen – 1535 1985. 1985 hrsg. von der Ev. Kirchengemeinde Höfingen/Dekanat Leonberg, S. 89-96
Der Text wurde gekürzt.
Mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Kirchengemeinde Höfingen
Referenz
↑1 | Zuvor gab es neben den seit der Reformation unter der Herzoglichen Verwaltung stehenden Klosterschulen nur in den größeren Städten die Lateinschulen. |
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↑2 | Provisor: Lehrergehilfe, bzw. Lehrer in Ausbildung |
↑3 | Dazu gehörte u.a. das Reinigen der Kirche, das Glockenläuten, das Uhrenstellen, das Abschließen des Friedhofs, das Hochzeitsbitten und Leichensägen (für Nichtschwaben: das ist kein Mitarbeiter in der Anatomie, sondern einer, der die „Leich“ in den Häusern des Dorfes ansagt) und später auch noch der Organistendienst. |