Weichenstellung für Württemberg
Der Ulrichstein in Döffingen
Autoren: Dieter Kapff / Reinhard Wolf
Am nördlichen Rand von Döffingen steht seit mehr als hundert Jahren ein Gedenkstein, der an den hier am 23. August 1388 gefallenen Grafen Ulrich von Württemberg erinnert. Der mit Inschrift und Wappen versehene und von einem eisernen Ziergitter umgebene Ulrichstein ist 1,5 Meter hoch. Geschaffen hat ihn der Münklinger Bildhauer Johann Christian Stauch (1842-1905) im Auftrag der Gemeinde Döffingen aus rotem Hausener Sandstein. Der Sockelstein stammt aus Schafhausen. Stauch wählte dafür die für historisch-heroische Denkmale damals beliebte Form eines Obelisken: Zurückhaltend, eindrucksvoll und kostengünstig.
Das Kleindenkmal erinnert an den Schlachtentod Ulrichs, der übrigens nicht hier, sondern in der Stuttgarter Stiftskirche bestattet ist. Aber eigentlich geht es um die Schlacht von Döffingen selbst, die eine Weichenstellung in der Geschichte Württembergs bedeutete. Sie brachte den Sieg der Grafschaft Wirtemberg über den aufstrebenden Bund der freien Reichsstädte. Wohl um nicht alte Wunden beim benachbarten Weil der Stadt aufzureißen, …, ist dieser Aspekt bei dem Denkmal in den Hintergrund getreten, als 1888 der Ulrichstein am Jahrestag der Schlacht im Beisein des Kronprinzen und späteren letzten württembergischen Königs, Wilhelm II., feierlich enthüllt wurde.
Es gibt wohl mehrere Motive für die Denkmalsetzung zum 500-Jahr-Jubiläum. Die Menschen waren im vergangenen Jahrhundert geschichtsbewusster und unbefangener als wir heute. Man bewunderte militärische Leistungen und verehrte das angestammte Herrscherhaus. Für beides bietet die Schlacht bei Döffingen Anlass. Sie gab auch Gelegenheit, gegen die „Verpreußung“ des Landes … ein eigenes national-württembergisches Signal zu setzen. Zahlreich sind die Denkmäler aus jener Zeit. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts, …, blickten die gebildeten Schichten in Deutschland und auch die Künstler verklärt auf das Mittelalter zurück. Es sind Sehnsucht und Faszination die sich im Ulrichstein manifestieren. Schiller und Uhland besangen „Die Döffinger Schlacht„. (…)
Wie kam es nun zu dieser Schlacht, die als die größte und blutigste des 14. Jahrhunderts in Süddeutschland gilt? Hintergrund sind das Erstarken und die Expansionsbestrebungen zweier „Mächte“, was zur Konfrontation führen musste: der freien Reichsstädte und der Territorialherren, unter denen die Grafen von Württemberg zu den erfolgreichsten zählten, wenn es darum ging, ihr Herrschaftsgebiet zu vergrößern und ein geschlossenes, einheitliches Territorium zu schaffen.
Wie ein Pfahl im Fleisch steckte da immer wieder eine freie Reichsstadt mittendrin. Und deren eigenes Territorium konnte, wie im Falle Ulms, die Größe einer kleineren Grafschaft erreichen. Die wirtschaftsstarken, selbstbewussten Reichsstädte, die kaum einem Landesherrn, nur dem Kaiser untertan waren, fürchteten um ihre „Freiheiten“, wenn der Kaiser, der notorisch in Geldnöten war, sie an einen Landesherrn verpfändete und sie dann nicht mehr auslösen konnte. Auch wenn ein Fürst als kaiserlicher Stellvertreter und Vogt ihnen vor die Nase gesetzt wurde, wenn er sie kontrollierte und Steuern eintrieb, versprach diese Ungemach.
Graf Eberhard der Greiner (das heißt der Zänker) von Württemberg hatte sich als Landvogt in Niederschwaben bei den Städten höchst unbeliebt gemacht. Zur wirkungsvollen Verteidigung ihrer Rechte schlossen sich 1376 zwölf meist schwäbische Reichsstädte zum Schwäbischen Städtebund zusammen. Ein Jahr später kam es zur ersten Machtprobe: Die Reutlinger fielen verwüstend in württembergisches Gebiet ein und bereiteten dem Grafen Ulrich, Eberhards Sohn, und seinem zahlenmäßig unterlegenen Gefolge eine schmerzliche, vermeidbare Niederlage.
Die Schlacht bei Döffingen. Lithografie nach einem Entwurf von C. Häberlin um 1840 (© Landesmedienzentrum Baden-Württemberg / Robert Bothner. Signatur LMZ020231)
Als zehn Jahre später der Konflikt zwischen Fürsten und Städten wieder aufbrach, beschloss der Städtebund, von Augsburg und Ulm aus einen Verwüstungsfeldzug gegen den Städtefeind Graf Eberhard zu unternehmen. Mit 3000 oder 4000 Mann, einigen Rittern und vielen Söldnern und Knechten, denen sich jeweils bewaffnete Bürger anschlossen, zogen sie Anfang August 1388 unter Führung des Ulmer Städtehauptmanns Konrad Besserer nach Esslingen und über die Filder nach Weil der Stadt. Das Ziel des gut gerüsteten Städteheers: Den Württemberger nachhaltig zu schädigen, indem man in seinem Gebiet die reifen Kornfelder anzündete, Erntevorräte vernichtete, Vieh fortführte, die Bauern ausplünderte und Häuser in Brand steckte. Von Westen her wollte man die Residenzstadt angreifen.
Im württembergischen Döffingen verschanzten sich die Bauern aus der Umgebung mit ihrem Hab und Gut im mauerumwehrten Friedhof und erwarteten Hilfe aus Stuttgart. Zunächst aber kamen die Bewaffneten aus Weil der Stadt und belagerten den Friedhof. Dies war ein Verstoß gegen das „Kriegsrecht“, denn ein Friedhof galt im Mittelalter als Freistatt, als Stätte des höheren Friedens für die Schutz- und Asylsuchenden. Dort durften keine Kämpfe stattfinden.
Graf Eberhard der Greiner hatte bei Leonberg aus Rittern und vielen Bauern ein Heer zusammengestellt, mit dem er am Sonntag Bartholomä, dem 23. August, nach Döffingen eilte. Die Vorhut führte sein Sohn Ulrich, dem der Vater die schmachvolle Niederlage von Reutlingen nie verziehen hatte. So wollte Graf Ulrich nun die Scharte auswetzen und stürzte sich mit seinen 50 Rittern und Edelknechten auf die Städter. Ulrich fiel im ersten Treffen, sein Trupp wurde aufgerieben.Über militärische Einzelheiten der Döffinger Schlacht ist nichts Genaues,…, bekannt. Nur so viel, dass das Hauptheer der Württemberger mit dem greisen Grafen an der Spitze der verlustreichen Kampf mit den Städtern aufnahm und dass der Herrenberger Vogt Werner von Rosenfeld mit einem kleinen Aufgebot von Süden her zu Hilfe eilte und den Städtern in den Rücken fiel. Die Reihen der städtischen Kämpfer wankten. … Bald zogen sich alle in wilder Flucht hinter die Mauern von Weil der Stadt zurück.
Die Verluste des Städtebundes werden auf 1000 Mann geschätzt, darunter auch der Städtehauptmann Konrad Besserer. Bis zum Anschluss an Württemberg ist in Weil der Stadt alljährlich an Bartholomä der 66 gefallenen Bürger gedacht worden, deren Namen bekannt sind. Das sind jedoch nur die Toten aus der städtischen Oberschicht, in Wirklichkeit war der Blutzoll der Reichsstädte viel höher. Auf württembergischer Seite, so wird berichtet, sind 40 Wagen voller Leichen – gefallene Bauern und Knechte – fortgeführt worden. Zählt man die vielen gräflichen und ritterlichen Lehensleute und Genossen des Greiners hinzu, waren die württembergischen Verluste wohl nicht geringer.
Mit der Schlacht bei Döffingen war die Macht des Städtebundes gebrochen. Er wurde aufgelöst. Die Landesfürsten waren Sieger über die Städte geblieben. Eine Entwicklung ähnlich wie in der Schweiz war abgewendet. Der Weg zum Herzogtum und später zum Königreich Württemberg war frei.
Erstveröffentlichung: Steinkreuze, Grenzsteine, Wegweiser … – Kleindenkmale in Baden-Württemberg. Herausgegeben vom Schwäbischen Heimatbund, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2000, S. 148-151.
Der Text wurde gekürzt.
Mit freundlicher Genehmigung der Autoren und der Konrad Theiss Verlags GmbH Stuttgart
Literaturhinweis:
Dieter Kapff / Reinhard Wolf
Steinkreuze, Grenzsteine, Wegweiser…
Kleindenkmale in Baden-Württemberg
Herausgegeben vom Schwäbischen Heimatbund, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2000,
176 Seiten mit ca. 200 meist farbigen Abbildungen
ISBN 3 8062 1460 3
Internet-Links:
Wikipedia: Schlacht bei Döffingen
zeno.org: Hans Delbrück: Die Schlacht bei Döffingen, 23. August 1388, in: Hans Delbrück, Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1923, Teil 3, S. 610-614.
Gedicht von Ludwig Uhland, Die Döffinger Schlacht