Die Truchsessen von Höfingen
700 Jahre lang haben die Truchsessen von Höfingen die Entwicklung ihres Stammsitzes entscheidend mitbestimmt. 1711 ist die Adelsfamilie ausgestorben.
Autorin: Susanne Schmidt
Eberhard Friedrich Truchseß von Höfingen war der Letzte seine Geschlechts. Als er im Jahre 1711 kinderlos verstarb, erlosch mit ihm nicht nur der angestammte Höfinger Ortsadel, sondern auch eine der führenden Familien Württembergs. 700 Jahre lang haben die Truchsessen von Höfingen die Geschicke des Dorfes mitbestimmt und standen als Vögte und Forstmeister in Diensten der Württemberger, später auch der Markgrafen von Baden. Auch Professoren und Geistliche finden sich unter den Abkömmlingen der Familie. Neben der Truchsessen-Straße und der wohltätigen Truchsessen-Stiftung1 erinnern in Höfingen heute noch die alte Stammburg und die Grabmäler in der Laurentiuskirche an das Adelsgeschlecht.
Die Herren von Höfingen gehören zu den Familien, an denen man beispielhaft den grundlegenden gesellschaftlichen Wandel an der Wende vom 10. zum 11. Jahrhundert nachvollziehen kann: den Aufstieg des Rittertums aus dem ehemals unfreien Stand der sog. “Ministerialen“2 in den niederen Adel. Historisch greifbar werden sie erstmals um das Jahr 1100. Damals machte “Hartwigus de hefingen“ dem Kloster Hirsau eine Schenkung. Aufgrund der Beziehungen zu Hirsau wird vermutet, dass sie damals zum Umkreis der Grafen von Calw, den Gründern des Klosters, gehörten. Etwa seit Mitte des 13. Jahrhunderts finden wir Angehörige des Höfinger Adels dann in der Umgebung der Tübinger Pfalzgrafen. Andere Familienmitglieder traten in die Dienste der Grafen von Württemberg, die sich gerade anschickten, zum mächtigsten Geschlecht im Lande aufzusteigen. Mit ihnen stieg auch der Stern der Herren von Höfingen.
Seit 1290 bekleidete Reinhardt von Höfingen das Amt eines “Truchsessen“. Als Küchenmeister unterstand ihm die Aufsicht über die Tafel des Grafen Eberhard I. von Württemberg. Schon bald wird der Titel erblich; der Amtstitel wird zum Namenstitel. Von nun an dürfen sich alle Familienmitglieder Truchseß oder Truchsessin von Höfingen nennen.
Wappen der Truchsessen von Höfingen aus dem Scheibler’schen Wappenbuch, zwischen 1450 und 1480). (Bild: Bayrische Staatsbibliothek Cod.icon. 312 c, Lizenz: CC BY-NC-SA 3.0-DE)
Nicht immer verlief die Beziehung zum Hause Württemberg harmonisch. Ende des 14.Jahrhunderts schlossen sich die Truchsessen zusammen mit anderen süddeutschen Familien aus dem niederen Adel dem Ritterbund der „Schlegler“ an, um sich gegen die zunehmende Vormacht der süddeutschen Grafenhäuser und der freien Städte zu verteidigen. Truchsess Johann Truchsess bezahlte seine Beteiligung am sog. „Schlegleraufstand“ nach der Schlacht bei Heimsheim im Jahre 1395 mit der Zerstörung seiner Burg in Höfingen. Trotzdem machte er später wieder Karriere in württembergischen Diensten und brachte es um 1420 zum württembergischen Landvogt in Mömpelgard.
Bereits zur Zeit des ersten Truchsessen begann das Adelsgeschlecht mit dem Ausverkauf seiner Höfinger Besitzungen. 1316 verkaufte Reinhardt der Jüngere einen Teil der Höfinger Stammburg und die Pfründe der Kirche an Graf Eberhard I. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts waren die Württemberger bereits die wichtigsten Leibherren am Ort. 1381 gehörte ihnen der ganze Kirchensatz. Daneben waren aber auch andere adelige und geistliche Herren – wie beispielsweise das Kloster Bebenhausen – über Schenkungen, Mitgift und Verkauf zu Gütern und Rechten in Höfingen gekommen.
Vermutlich waren mit der Würde des neuen Amtes auch die Lebenshaltungskosten der Truchsessen gestiegen. Heinrich C. Birnbaum, der sich intensiv mit der Höfinger Adelsfamilie beschäftigt hat, kann sich jedenfalls diese Verkäufe nur so erklären, dass viele Ritter, um standesgemäß leben zu können, hoch verschuldet waren.3 1443 veräußerte Burckhard Truchseß von Höfingen den Rest seiner Liegenschaften an Graf Ludwig I. Von nun an haben die Truchsessen kein Eigentum mehr in Höfingen. Sie verfügen allerdings weiterhin über ihren ehemaligen Besitz als erbliches Lehen.
Darüber hinaus besaß die Familie im 15. und 16. Jahrhundert u.a. auch Güter in Ehningen, Poltringen, Merklingen, Renningen und Heimsheim.
Renaissance-Epitaph des Hans Truchseß von Höfingen und seiner Frau Barbara von Neuneck in der Tübinger Stiftskirche. Er starb am 28. November 1576. (Foto: Ramessos/Wikimedia Commons)
In ihrem Beitrag zur 1992 erschienenen Leonberger Ortsgeschichte schreibt Andrea Hähnle über die Höfinger Truchsessen: “Es ist nicht einfach über Leben und Wirken des weitverzweigten Höfinger Ortsadels Genaueres zu erfahren. Nur wenige ragen aufgrund eines Titels oder einer bestimmten Tätigkeit aus der Anonymität heraus. Zu ihnen gehören v.a. die Geistlichen: Pfarrer, Mönche, Chorherren und auch Nonnen“.4
Im Laufe des 15. Jahrhunderts stellten sie einen Abt im Kloster Bebenhausen (Reinhard v. Höfingen, 1432 – 1456), zwei Chorherren in Sindelfingen und vier Augsburger Domherren. Diese und drei weitere Familienangehörige haben nachweislich an der Universität Heidelberg studiert und Ludwig Truchseß von Höfingen lehrte gar als Doktor beider Rechte (d.h. weltliches Recht und Kirchenrecht) zwischen 1477 und 1497 an der neugegründeten Universität Tübingen. An seinem Haus in der Münzgasse 18B kann man neben dem rechten Erdgeschossfenster noch die Inschrift “Truchses 1490″ erkennen.
In der Tübinger Stiftskirche trifft man noch auf die Spuren zweier weiterer Familienmitglieder. Ein schönes Renaissance-Epitaph (Grabdenkmal) erinnert an den 1576 verstorbenen Hans Truchseß von Höfingen, der hier das Amt eines Obervogts (höchster Beamter des Herzogs in Tübingen) bekleidete und an seine Frau Barbara, geb. von Neuneck. Vermutlich war er es, der den Umbau der Höfinger Burg zum neuzeitlichen Schloss in Angriff nahm. Ein Zeichen dafür, dass die Familie den Kontakt zu ihrem Stammsitz nie abreißen ließ. Bis zu ihrem Aussterben im 18. Jahrhundert wurden Angehörige des Geschlechts auch weiterhin in der Höfinger Pfarrkirche bestattet.
Dass die Truchsessen von Höfingen zu den führenden Familien im Lande gehörten, lässt sich auch an den Frauen ablesen. So heiratete beispielsweise Truchsessin Ursula Dorothea von Höfingen im Jahre 1607 Anton Graf Fugger zu Augsburg und damit einen der reichsten Männer ihrer Zeit.
Kolorierter Portraitstich von Ursula Dorothea Truchsessin von Höfingen aus dem Jahr 1618. Sie hatte 1607 in die Familie Fugger eingeheiratet. (Bild: Fuggerorum et Fuggerarum Imagines, Augsburg 1618, Bayrische Staatsbibliothek, BSB-Hss Cod.icon. 380 – http://www.bayerische-landesbibliothek-online.de/fugger)
Literatur:
Heinrich C. Birnbaum
Die Truchsessen von Höfingen 969 - 1739
Herausgegeben vom Höfinger Heimatverein e. V., Höfingen 1992
Renate Albrecht/Heinrich C. Birnbaum/Paul Hezer/Wolfgang Mergel
Höfinger Heimatbuch
hrsg. vom Höfinger Heimatverein e. V., Höfingen 1986
Andrea Hähnle
Die Stadt Leonberg und ihre heutigen Teilorte im Mittelalter
In: Leonberg Eine altwürttembergische Stadt und ihre Gemeinden im Wandel der Geschichte
WEGRAhistorik-Verlag Eberhard Hartenstein und Partner Stuttgart, 1992, S. 33-34 und S. 40-43
Referenz
↑1 | Christoph Friedrich Truchseß von Höfingen stiftete im Jahr 1703 sieben Morgen Wiesen im Glemstal mit der Auflage, dass der Pachtertrag den Ortsarmen bzw. dem Pfarrer zufließen solle. |
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↑2 | Ursprünglich abhängige Dienst- und Gefolgsleute des Königs. Mit dem Begriff “ministerialis“ wurden in karolingischer Zeit vom Bischof bis zum Knecht alle Inhaber königlicher Amtsfunktionen bezeichnet. An der Wende vom 10. zum 11. Jh. entwickelte sich ein eigner, rechtlich abgegrenzter und mit erblichen Lehen ausgestatteter Stand. Neben grundherrlichen Aufgaben wurden ihnen auch die gehobenen Hofämter (Truchseß, Schenk, Kämmerer, Marschall, Jägermeister) zugewiesen. |
↑3 | siehe Höfinger Heimatbuch, Höfingen 1986, S. 34 |
↑4 | Andrea Hähnle: Die Stadt Leonberg und ihre heutigen Teilorte im Mittelalter, in: Leonberg - Eine altwürttembergische Stadt und ihre Gemeinden im Wandel der Geschichte, Stuttgart, 1992, S. 41f. |