1926 wurde die Ammertal-Schönbuchgruppe gegründet
Mehr Wasser für den Schönbuch
Quelle: Das 20. Jahrhundert im Spiegel der Zeit. Der Kreis Böblingen im Rückblick von 100 Jahren. Röhm Verlag Sindelfingen 1999
„Wenn alle Brünnlein fließen, so muss man trinken,“ heißt es im Volkslied. Doch die Brünnlein im Schönbuch reichten zu Beginn des Jahrhunderts nicht mehr aus. Zu viele durstige Kehlen schöpften ihr Wasser, das nur spärlich aus den Stubensandsteinformationen des Schönbuchs quoll. Im trockenen Sommer des Jahres 1921 wurde schließlich rund um den Schönbuch der Wassernotstand ausgerufen und in einigen Gemeinden gab es Cholera- und Typhusfälle, nachdem die Unglücklichen ihren Durst an verschmutztem Wasser gestillt hatten.
Dies sollte sich ändern. Nachdem rund um Stuttgart bereits ein Wasserversorgungsunternehmen erfolgreich frisches Wasser in die Gemeinden pumpte, entwarf Oberbaurat Oskar Groß, Vorstand des staatlichen Bauamtes für das Wasserversorgungswesen, den Plan einer Wasserleitung vom Neckartal bis nach Böblingen im Norden. Die Oberamtsstädter hatten zwar schon eine Wasserversorgung mit eigenem Netz, doch ihre Brunnen reichten für die große Nachfrage nicht mehr aus.
Der Neckartal-Flecken Kiebingen saß zwar auf riesigen Grundwasservorkommen, hatte aber kein Geld, diese zu erschließen. Ein Zweckverband sollte die Probleme der Wasserversorgung für gut 24.000 Einwohner lösen. Am 20. Januar 1926 wurde in Herrenberg die Ammertal-Schönbuch-Gruppe nach den Plänen von Oberbaurat Groß von den Städten und Gemeinden Böblingen, Holzgerlingen, Schönaich und Weil im Schönbuch aus dem Oberamt Böblingen, Waldenbuch und Steinenbronn vom Amtsoberamt Stuttgart, Oberndorf, Pfäffingen, Poltringen und Unterjesingen aus dem Oberamt Herrenberg, Hagelloch und Dettenhausen vom Oberamt Tübingen und Bühl, Hirschau, Kiebingen und Wurmlingen vom Oberamt Rottenburg gegründet.
Wasserturm in Altdorf
Auch die Stadt Sindelfingen war mit einer Delegation unter der Leitung von Stadtschultheiß Hörmann bei der Gründung dabei. Doch unterzeichneten die Sindelfinger den Gründungsvertrag nur unter Vorbehalt. Sie wollten erreichen, dass sie „in den ersten fünf Jahren nach Inbetriebnahme des Werkes von der Verzinsung des rechnungsmäßig auf sie entfallenden Baukostenanteiles freigelassen, und von da ab nur die hälftige Verzinsung beansprucht werde. Erst wenn die Abschlussleitung Sindelfingen gebaut werde, solle die Stadt zur Verzinsung des vollen, auch den Bauaufwand für die Anschlussleitung berücksichtigenden Baukostenanteils herangezogen werden dürfen.“ So ist es im Gründungsvertrag festgehalten. Bereits drei Monate später folgte der endgültige Bruch. Die Sindelfinger Forderungen hätten, nach dem Sitzungsprotokoll vom 21. April 1926, einen Mehraufwand von bis zu 30.000 Reichsmark bedeutet. Deshalb wurde Sindelfingen das Angebot unterbreitet, die Verzinsung auf fünf Jahre auszusetzen und anschließend auf weitere fünf Jahre nur die halbe Verzinsung anzurechnen. Dazu steht im Protokoll: „Stadtschultheiß Hörmann erklärte hierzu, dass Sindelfingen unter diesen Bedingungen dem Gemeindeverband nicht beitreten könne. Sindelfingen sei auf absehbare Zeit genügend mit Wasser versorgt, so dass es die Wasserversorgungsgruppe nicht benötige.“ Hörmann sprach’s – und verließ die Versammlung.
Ebenfalls unter Vorbehalt hatte die Gemeinde Neuweiler ihren Beitritt erklärt, da ein formeller Beschluss des Gemeinderats noch ausstand. Dieser wurde am 01. März 1926 gefällt und damit gehört auch Neuweiler zu den Gründungsmitgliedern der Ammertal-Schönbuch-Gruppe. Ein Schritt, den sich damals auch die Nachbarn aus Breitenstein überlegten. Im Oktober 1925 ließ die Gemeinde den Planern mitteilen, dass sie nur an der gemeinsamen Wasserversorgung mitmachen wolle, wenn der Anschluss an die Versorgungsleitung billiger käme, als eine eigene Leitung von der Aischbachquelle hinab ins Dorf. Die Schüttung dieser Quelle sei mit zwei Sekundenlitern völlig ausreichend. Letztlich wird die Aischbachleitung billiger gewesen sein, denn bei der Gründungsversammlung tauchen die Breitensteiner nicht auf. Erst 1966 wurde ein Wasserlieferungsvertrag mit der Ammertal-Schönbuch-Gruppe geschlossen.
Im Juni1926 wurde mit den ersten Bauarbeiten für ein Projekt begonnen, das in wirtschaftlich unsicheren Zeiten die Verbandsgemeinden tief in Schulden stürzte – trotz der rund 350.000 Reichsmark, mit denen der Staat das Projekt förderte. Rund 2,8 Millionen Reichsmark wurden bis Ende 1928 für Wasserwerk, Pumpwerk, Leitungen und Ortsnetze verbaut. Und die Verbandsgemeinden taten sich im Einzelfall schwer, ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. So beschwerte sich der Zweckverband im Juni 1932 beim Oberamt Stuttgart über die Stadt Waldenbuch, die mit über 20.000 Reichsmark an Baukostenzins im Rückstand gewesen ist – und auch beim Wasserzins standen die Waldenbucher im Soll. Doch dafür gab es eine Erklärung, die wenig später aus Waldenbuch dem Verbandsvorsitzenden zugestellt wurde. Darin hieß es: „Es hat sich herausgestellt, dass sich der Gemeindepfleger an den eingezogenen Wasserzinsen vergriffen und 5.800 Reichsmark unterschlagen hat.
Die Wasserversorgung der Ammertal-Schönbuchgruppe im Jahre 1997 (Bild: Ammertal-Schönbuchgruppe)
Mit freundlicher Genehmigung der Sindelfinger Zeitung/Böblinger Zeitung und der Ammertal-Schönbuchgruppe