Die „Herberge vorm Tübinger Tor“ in der Herrenberger Vorstadt
Wie die Wirtschaft „Zum Hasen“ zu ihrem Namen kam
Autor: Dr. Roman Janssen
Herbergen mit Stallungen vor den Toren sind eine alte Einrichtung, notwendig damit Fremde, die man mit Torschluss bei Einbruch der Dämmerung nicht mehr in die Stadt ließ, Unterkunft finden konnten. Auch wenn diese Herberge im Teilungsvertrag von 1347 nicht ausdrücklich genannt wird, darf ihre Existenz als möglich angenommen werden.
Der erste direkte Beleg ist freilich in der Bürgermeisterrechnung von 1484/85 enthalten. Damals nahm der Henker von Rottenburg, den man zur Hinrichtung eines Ludwig Nepper hatte kommen lassen, beim „Wirt vorm Tor“ auf Kosten der Stadt Quartier.
Nach langer Pause erscheint 1562 sodann der Wirt Peter Steimer, und zwar gelegentlich einer Verhandlung über den Bezug von Bauholz der Vorstädter aus dem Stadtwald. Der Schreiner Jakob Kratzer erbat sich zur Erbauung seines Hauses, das übrigens neben der Herberge gelegen war und im 17. Jahrhundert von deren Inhaber aufgekauft wurde, vier kostenlose Stämme aus dem Stadtwald. Vogt und Gericht gewährten dies, obwohl die Stadt dazu nicht verpflichtet war. Gleichsam zur Begründung wird dazu festgehalten, man habe schon früher dem Gastgeber Peter Steimer „zu seiner Herberg in der Vorstadt ettlich Stamm Holtz uß gutem Willen und keinen Gerechtigkeit, sonderlich in Bedenckung, das die Wirtschafft in sollicher Herberg erhalten werden muß, gegeben“. Nebenbei belegt das die allgemein übliche Praxis, wonach Vorstädter nicht das volle Bürgerrecht besaßen. 1588 lockerte die Stadt den Bezug von Bauholz, insofern die jeweiligen Inhaber der schon bestehenden Gebäude für den Fall von Erneuerungen den Bürgern innerhalb der Mauern gleichgestellt wurden, während für Neubauten auch künftig das Holz aus dem Stadtwald bezahlt werden musste.
Am Rande der Herrenberger Altstadt, in der ehemaligen Vorstadt, liegt der stattliche Gasthof „Hasen“ (Hasenplatz 6). Seine Geschichte lässt sich bis weit ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen.
Ab 1572 erscheint als neuer Wirt Adam Boßler, der 1563 das Bürgerrecht erworben hatte. 1584/87 folgte ihm der Sohn Michael. Zu diesem erfährt man endlich 1604 den Namen der Wirtschaft: Sie hieß „Zur Sonne vorm Tübinger Tor“. Die Witwe des nächsten Sonnenwirts Adam Boßler heiratete 1636 Hans Haas, der aus einer alten Affstätter Familie stammte und schon zuvor ein Haus neben der Gaststäfte erworben hatte. 1662 verkaufte er die Wirtschaft an seinen Sohn Johann Conrad. Dieser wird 1683 ausdrücklich als Johann Conrad Haas, Hasenwirt, bezeichnet, doch muss der Name schon gegen 1664 festgestanden haben.
Wie die Wirtschaft „Zum Hasen“ zu ihrem Namen kam, ist bisher damit erklärt worden, dass der Name der Inhaber durch Gewohnheit schließlich auf die namenlose Gastherberge übergegangen sei. Im Falle des Gasthofs zum Hasen muss es aber anders gewesen sein. Der traditionelle Name „Zur Sonne“ ist ganz bewusst durch die neuen Inhaber abgelöst worden. Vermutlich war es der zweite Haas, Johann Conrad, mit dem sich eine neue Besitzertradition zu bilden begann, der die Gaststätte nach dem Tier benannte, das seiner Familie den Namen gegeben hatte. Der Name „Zur Sonne“ war damit freigeworden; er ging über auf eine Wirtschaft, die zuerst 1664 in der neuen unteren Vorstadt vor dem Bronntor bezeugt ist. …
Ein Hase ziert das Schild des Wirtshausauslegers. Namensgebend war ursprünglich vermutlich nicht das Tier, sondern die Familie Haas. Der Familienname ging dann auf die Wirtschaft über.
Erstveröffentlichung: Roman Janssen, „Vom Steuerumgang zum Stadtrundgang – Das historische Herrenberg in neuer Sicht“, Herrenberg 1999, S. 21.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Der Autor, Dr. Roman Janssen, leitete über 25 Jahre das Herrenberger Stadtarchiv und genießt einen ausgezeichneten Ruf als Historiker, Mittelalterspezialist und Autor.
Literatur: Karl Hess: „Woher die Wirtschaft ‚Zum Hasen‘ in Herrenberg ihren Namen hat“. In: Heimat Schönbuch und Gäu. Ausgewählte Beiträge zur Geschichte einer Landschaft und ihrer Menschen. Festgabe für Landrat i. R. Karl Hess zu seinem 75. Geburtstag am 10. August 1986 (Veröffentlichung des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu e.V., Bd. 17), S. 109-110.