Schloss Böblingen als Witwensitz des Hauses Württemberg
Barbara Gonzaga (1455-1503)
Autor: Dr. Günter Scholz
Der Lebensweg der Fürstin Barbara Gonzaga führte von Mantua nach Böblingen: aus der vieltürmigen und volkreichen Residenzstadt der italienischen Renaissancezeit in die kleine württembergische Amtsstadt des ausgehenden Mittelalters. Die Angehörigen der Familie Gonzaga zählten zu den “besonders wohlgeordneten und durch tüchtige Fürsten vertretenen Herrschaften“ Italiens (Jacob Burckhardt).
Als Mäzene machten sich die Gonzagen um die Künste und Wissenschaften verdient. Durch den berühmten Vittorino da Feltre und die von ihm gegründete Schule wurde Mantua zu einem Mittelpunkt der humanistischen Bildung. Markgraf Ludovico II. Gonzaga holte an seinen glänzenden Hof u. a. den Architekten Leon Battista Alberti und den Maler Andrea Mantegna.Ludovicos Gemahlin Barbara, Tochter des Markgrafen Johann von Brandenburg, zeichnete sich nach dem Urteil der Zeitgenossen durch Schönheit, Gemüt und Geist aus. Darin stand die 1455 geborene Tochter Barbara, die spätere Böblinger Witwe, der Mutter kaum nach. Der Liebreiz der jungen Gonzagatochter zog den Grafen Eberhard von Württemberg in Bann. Im April 1474 warb er in Mantua um ihre Hand. Im Juni 1474 setzte sich der aufwendige Hochzeitszug von Mantua über die Alpen nach Württemberg in Bewegung. Im Uracher Schloss fand Anfang Juli 1474 die Hochzeit statt – eine der glanzvollsten Fürstenhochzeiten der Zeit.
Barbara Gonzaga (1455-1503), Glasfenster im Chor der Tübinger Stiftskirche, nach 1478. Peter Hemmel von Andlau malte die jugendliche Gemahlin Graf Eberhards voller Liebreiz. In späteren Jahren neigte sie zur Fettleibigkeit und war kaum mehr bewegungsfähig. (Bild: Landesmedienzentrum BW/Stuttgart)
Als Herzog Eberhard Ende Februar 1496 starb, nahm Barbara ihren Witwensitz in Böblingen. Der Tradition der italienischen Renaissance entsprechend, war Barbara eine Gartenliebhaberin. 1491 erwarb sie einen Garten neben dem Alten Schloss in Stuttgart, 1501 einen Garten am Oberen See in Böblingen – noch heute erinnert daran die „Herrschaftsgartenstraße“. Aus Böblingen schrieb sie sehnsuchtsvolle Briefe in ihre italienische Heimat.1 Ihre durch die kräftige schwäbische Kost zunehmende Leibesfülle machte ihr zu schaffen, so dass sie meistens geführt werden musste.2 Wohl in Böblingen ist sie im Mai 1503 im Alter von 47 Jahren gestorben. Beigesetzt ist sie im Dominikanerinnenkloster Kirchheim.
Gedenkstelen für Barbara Gonzaga und Mechthild von der Pfalz auf dem Böblinger Marktplatz. (Bild: Susanne Schmidt)
Erstveröffentlichung: „Das Schloß sich hoch erhebend … – Der Böblinger Schloßberg und seine Geschichte. Mit Beiträgen von Günter Scholz und Hansmartin Ungericht, hrsg. von Günter Scholz, Böblinger Museen 1997, S. 30.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors
Der Autor, Dr. Günter Scholz, studierte Geschichte, Politikwissenschaften und Anglistik an der Universität Tübingen. Seit 1981 leitete er das Böblinger Stadtarchiv, später auch das von ihm konzipierte Bauernkriegsmuseum. Von 1993 bis 2005 leitete er das Böblinger Kulturamt.
Am 20 Juli 2003 wurde auf dem Böblinger Marktplatz eine Gedenkstele für Barbara Gonzaga eingeweiht. Lesen Sie hier den Bericht aus der Kreiszeitung/Böblinger Bote vom 21. 07. 2003.
Literaturhinweis:
Fürstliche Witwen auf Schloß Böblingen
Ausstellungskatalog (Zehnscheuer Böblingen), hrsg. von Dr. Günter Scholz unter Mitarbeit von Sabine Ferlein, Böblingen 1987.
Darin die Artikel von Günter Scholz: Barbara von Mantua, S. 87-92;
Peter Amelung: Herzogin Barbaras Böblinger Briefe nach Italien, S. 87-92 und
Siegfried Schulz: Barbara von Mantua und Waldenbuch, S. 101-104.
Referenz
↑1 | Siehe hierzu den Artikel von Peter Amelung: Herzogin Barbaras Böblinger Briefe nach Italien, In: Fürstliche Witwen auf Schloß Böblingen. Ausstellungskatalog, herausgegeben von Dr. G. Scholz, Böblingen 1987, S. 87-92. |
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↑2 | Der Stuttgarter Ratsherr Sebastian Küng konstatiert in seiner Chronik (1554), Barbara sei “in ierem alter zu ungewonlicher große und faiste geratten„ und Ladislaus Suntheim, Historiograph der Habsburger, beschrieb sie als “die grösst fraw als sy in teutschen lannden ist von leib vnnd kainer hett nye kain grösser gesehenn„. |