1915 wird der Militärflughafen eingeweiht
Böblingen wird Garnisonsstadt
Autor: Erich Kläger
Das Wetter ist bekanntlich eine oft unterschätzte geschichtsmächtige Kraft; der russische Winter hat, wie wir wissen, zwei Feldzüge entschieden. Und auch Böblingen wäre mit Sicherheit im Jahre 1915 nicht Militärflughafen und Garnisonsstadt geworden, wäre uns das Wetter nicht gewogen gewesen!
Schon bei einem mittleren Landregen verwandelten sich, was jeder Schulbub wusste, die Wiesen hinter dem Bahnhof in Richtung Dagersheim und Sindelfingen in einen See. Der Hauptmann der Flieger, Holtzmann, den man im Frühjahr 1915 von Berlin aus auf die Suche nach geeignetem Flugplatzgelände schickte, traf diese Wiesen im Ranktal hinter dem Bahnhof jedoch während einer extremen Trockenperiode und also ganz unverdächtig an – und das war garnisonsentscheidend für die Stadt und schicksalhaft-zukunftentscheidend für den ganzen Raum, wie sich bald zeigen sollte.
Das Wetter hielt auch noch, als der württembergische Kriegsminister, General von Marchtaler, das Gelände besichtigte und das Reich es kurz darauf erwarb. Die Stadt hatte zuvor alles getan (bzw. was das Wetter angeht, alles unterlassen), um die sich anbahnende Entwicklung zu fördern: Garnisonsstadt werden zu können, auch noch für die modernste Waffengattung, das waren kommunalpolitisch erfreuliche Aussichten!
Seit einem halben Jahr war Krieg und die Entscheidung drängte. Im Mai wurde man auf das Gelände aufmerksam, im Juli entstanden die ersten Baracken für die Mannschaften und Zelte für die Flugzeuge, am 16. August 1915 umkreisten unter Glockengeläut und Böllerschüssen die Flieger dreimal die Stadt: Der neue Flughafen war eingeweiht, Böblingen Garnisonsstadt, der große Regen konnte kommen. Und er kam und machte es daraufhin notwendig, das Wiesengelände mit großem Aufwand zu entwässern. Da aber war auch schon die zweite Entscheidung gefallen, diesmal am nördlichen Rande des Flugplatzes auf Sindelfinger Markung.
Stadtschultheiß und Gemeinderat der Nachbarstadt wollten ein Äquivalent dafür, dass sie einige qm Fläche zum Böblinger Flugplatz beigesteuert haben; sie verlangten durch ,,irgendwelche militärischen oder gewerblichen Anlagen“ auf ihrer Seite entschädigt zu werden. Kurz darauf konnte ihnen der Garnisonsverwaltungsdirektor eröffnen, dass sich die Daimler-Motorengesellschaft in Untertürkheim für diesen Platz interessiert und ihn zur Errichtung von Fabriken und zu Fliegerübungen erwerben will; Daimler baute damals auch Flugzeuge und Motoren dazu. Und so geschahs. Der Rest ist bekannter als seine Vorgeschichte. Die Daimler Motoren-Gesellschaft entwickelte sich zur Daimler-Benz AG (1926) und beschäftigte am Ende des Ersten Weltkrieges schon 5000 Arbeiter. Die Garnison war damals mit rund 3500 Mann belegt, die zuletzt 250 meist fabrikneue Flugzeuge betreuten; diese wurden nach Kriegsende unter der Aufsucht einer Alliierten Kontrollkommission teils gesprengt, teils abtransportiert.
Quelle: Böblingen gedenkt seiner Fliegertradition. 100 Jahre Dr. Hanns Klemm (1885-1961), 70 Jahre Militärflugplatz (1915-1918), 60 Jahre Landesflughafen (1925-1938). Ausstellung und Katalog: Erich Kläger und Dr. Günter Scholz, Böblingen 1985, S. 12-15.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Umfangreiches Material zum Böblinger Flughafen finden Sie im Internet auf dem Blog von Wilfried Kapp, Reinhard Knoblich und Hans-Jürgen Sostmann „Böblinger Flughafengeschichten„.