Mit Narkoseäther zum Weltruhm
Die chemische Fabrik Bonz & Sohn
Autor: Erich Kläger
Mit gutem Recht datieren wir die Gründung der ältesten Fabrik in Böblingen auf das Jahr 1811 durch Johann Jonathan Metzger1 und Ch. F. Kayser; sie begannen im ehemaligen Pfarrhaus neben der Zehntscheuer mit einer Materialwarenhandlung und einem Drogengeschäft. Die Absicht chemische Produkte herzustellen, realisierten Metzger und Kayser 1815 durch die Einstellung von Josef Gottlieb Bonz (1787-1860), einem geprüften Apotheker und ausgebildeten Chemiker2. Bonz wurde technischer und wissenschaftlicher Leiter des Unternehmens im Aufbau und richtete zwei Laboratorien ein, eines zur Destillation von reiner Salzsäure und von Schwefelsäure.
Bald zogen sich die Gründer zurück, sodass Bonz mit dem befreundeten Kaufmann Gottlob Klaiber das Geschäft übernehmen konnte, das danach Bonz und Klaiber firmierte. 1847 überließ Klaiber dem ältesten Sohn von Bonz, Christian, seinen Anteil; seitdem hieß die Firma Bonz & Sohn.
Ab dem Jahre 1856 leitete der zweite Sohn von Josef Gottlieb Bonz, Ernst, die Firma allein. Nach Besuch einer Handelschule und einem Studium der Chemie in Göttingen, übernahm er schon mit 24 Jahren die unternehmerische Verantwortung. Ernst Bonz (1832-1888) praktizierte schon bald auch bürgerschaftliches Engagement und widmete sich standespolitischen Aufgaben: er wurde Mitglied des Gemeinderats und der Handelskammer in Stuttgart. Auch im Gewerbeverein der Stadt war er aktiv. … 1895 übergab er das Unternehmen seinen drei Söhnen, von denen allerdings der jüngste bereits 1901 verstarb; Karl (1857-1931) und Dr. Richard Bonz (geb. 1859) führten danach die Firma allein weiter, wobei Kriegs- und Inflationsjahre zu besonderer Belastung wurden. Nach dem Tod von Karl Bonz mit 74 Jahren veräußerte Dr. Richard Bonz das Unternehmen im Jahre 1931 an den Berliner Fabrikanten Gustav Winkler und Dr. Ing. Felix Schoder aus Stuttgart-Feuerbach.
Ernst Bonz (1832-1888). Er leitete das Unternehmen von 1856 bis 1895. (Bild aus E. Kläger, Böblingen Geschichte in Gestalten, 2003, S. 130)
Josef Gottlieb Bonz begann mit Essigsäure und Schwefelsäure; (…) Schon früh nutzte man die Arzneipflanzen, die er insbesondere in Notzeiten von den Leuten der Umgebung aufkaufte, um daraus ätherische Öle und Extrakte zu gewinnen. Ihr Verkauf ging bis nach Amerika. Das Unternehmen weitete im Laufe der Jahre seine Produktpalette aus und variierte sie: 1820 Salpetersäure, 1825 Starke Essigsäure und Quecksilbersalze, Bernsteinsäure und Phosphorsäure, 1836 chlorsaures Kali (zur Zündholzfabrikation). 1838 Jodkali, ein neues Heilmittel, ferner als Arznei Bismutum subnitricum. Um die Mitte des 19. Jh, als 45 Chemiker und Laboranten beschäftigt wurden, Salmiakgeist, Santonin, Aether sulfuricus, Alcohol absol.
Santonin wurde für eigenen Verbrauch und dann zum Tausch gegen Wurmsamen (flores cinae) mit mehreren Laboranten hergestellt. Das Rohmaterial kam von Taschkent, Turkestan über Petersburg; Bonz holte es selbst mit Pferdefuhrwerken aus Russland. Ein besonderer Erfolg war das Kreosot puriss. albiss. aus Steinkohlenteer.
Chlorophorm wurde ab 1847 hergestellt und seine Fabrikation betrieben unter der Marke Chlorophorm puriss. Extra gereinigt Bonz. Chlorophorm war von Liebig3 entdeckt worden, aber erst später wegen seiner Gefühllosigkeit erzeugenden Eigenschaft eingesetzt worden, in der großen Masse erstmals in den Lazaretten des Krieges 1870/71.
Um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden, errichtete Ernst Bonz 1878 an seinem Standort vor der Stadt einen neuzeitlichen Komplex von Laboratorien mit Dampfbetrieb.
Der Tübinger Chirurg Professor von Bruns nutzte schon lange das von den Böblinger Chemikern gelieferte Chloroform für seine Operationen; man vermutet, dass er auf Bonz & Sohn zugegangen war mit der Anregung, einen reinen Äther für die Narkose herzustellen, der das Chlorophorm ersetzen sollte. Ernst Bonz und Sohn Albert begannen mit der Entwicklung und konnten Prof. Bruns bereits 1894 mit dem ersten Narkose-Äther beliefern, der darüber das beste Zeugnis ausstellte. Nach dem Tod von Dr. Albert Bonz 1901 verbesserte Karl Bonz nach intensiver wissenschaftlicher Arbeit die Reinherstellung und Haltbarkeit des Narkose-Äthers und hatte dabei guten Erfolg. Der “Aether pro narkosi >Bonz>“ war eine der reinsten Marken des Handels und entsprach voll und ganz den strengen Anforderungen des Deutschen Arzneibuches, schrieb Dr. Felix Schoder, dem wir durch seine Darstellung „Zum 125jährigen Bestehen der Firma Bonz & Sohn“ 1936 die Firmengeschichte verdanken, der auch diese Darstellung in vollem Umfang verpflichtet ist.
Über das weitere Schicksal dieses für die frühe wirtschaftliche Entwicklung von Böblingen so wichtigen Unternehmens schrieb der Wirtschaftshistoriker Dr. Erich Steim:
Es gelang Bonz nicht, seinem Unternehmen den äußeren Aufschwung zu geben, den die von ihm hergestellten Präparate eigentlich verdient hätten. Der Betrieb blieb in bescheidenem Rahmen und ebensolchen Räumen, – (Anmerkung des Verfassers aufgrund überlieferter Informationen: Karl Bonz bemühte sich vergeblich, die kaufmännische Kompetenz im Unternehmen durch Kräfte von außen zu stärken.) Von 1931 bis 1945 betrieb Dr. Schoder die Fabrikation erfolgreich weiter. Nach seinem Tod zeigten 12O Bewerber, darunter internationale Großunternehmen, Interesse an der Übernahme des Betriebes, der 1960 von einer GmbH, geführt wurde, allerdings wurde die Produktion in Böblingen eingestellt, während die Verwaltung des Unternehmens hier verblieb.
Unternehmensgeschichte der Firma Bonz & Sohn nach 1945
Unternehmensgeschichte der Firma Bonz & Sohn nach 1945
Informationen aus: E. Kläger, Böblingen Geschichte in Gestalten, Böblingen 2003, S. 400-403.
Erstveröffentlichung: Böblingen Geschichte in Gestalten. Von den Anfängen bis zum Ende der Ära Brumme, von Erich Kläger in Zusammenarbeit mit Hans-Jürgen Soestmann, Böblingen 2003, S.128-136.
Der Text wurde gekürzt.
Mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Im Internet finden Sie die Firma ASID BONZ unter www.asid-bonz.de/
Referenz
↑1 | J.J. Metzger (1782-1866) wurde in Schönaich geboren. Der Kaufmann war ein Anhänger von Michael Hahn und gehörte zu den Wegbereitern des Pietismus in Böblingen. Mit 36 zog er sich aus dem Berufsleben zurück und stellt sich ganz in den Dienst der Gemeinschaft sowie verschiedener Zweige der Mission. (zu Metzger siehe: Sabine Holtz: Böblingen im Königreich Württemberg: Kirche und Schule, in: Böblingen Vom Mammutzahn zum Mikrochip; hrsg. von S. Lorenz u. G. Scholz, S.272f.) |
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↑2 | Der erste in Böblingen ansässige Vertreter der Familie Bonz stammte aus Esslingen. Nach 6-jähriger Apothekerlehre in Frankfurt/Main ging er nach Mainz und von dort 1811 nach Lausanne, wo er von der dortigen Universität das Diplom zur selbständigen Führung einer Apotheke erhielt. |
↑3 | Justus von Liebig (1803-1873), deutscher Chemiker |