Das Dätzinger Schloss
Autor: Herbert Blum
„Zwar isch Dätzenge net groß,
aber rings um unser Schloss,
em Park, am Rathaus und am See
glaubt mer’s, do isch es wirklich schö!“
So schallt es im Dätzinger Heimatlied und stellt wohl die kürzeste und prägnanteste Beschreibung des Ortsteiles von Grafenau dar. Das Wahrzeichen und das Schmuckstück von Dätzingen ist das Schloss. Wie die Urkunden berichten, entsagte 1263 Ritter Ulrich von Tattichingen dem weltlichen Leben und schenkte all sein Hab und Gut dem Johanniterorden. Ab 1303 sprach man von der Komturei Rohrdorf-Dätzingen, die – zeitweise in Personalunion – von Rohrdorf, später von Dätzingen aus verwaltet wurde. Als die Johanniter – von der Insel Rhodos vertrieben – vom Kaiser die Insel Malta geschenkt bekamen, erhielten sie den Namen Malteser. Das Malteserkreuz schmückte das Wappen von Dätzingen und ist auch heute Bestandteil des Grafenauer Ortswappens.
Im Laufe der Geschichte erwarb der Orden alle die in Dätzingen bestehenden Rechte und konnte in Dätzingen schalten und walten wie es ihm beliebte. Gestützt wurde diese eigene „staatliche“ Entwicklung, weil Dätzingen auch nach der Reformation katholisch blieb. Die umliegenden Orte waren mit Ausnahme der Freien Reichsstadt Weil der Stadt alle württembergisch und somit evangelisch.
Der Tagesbefehl Napoleons I. vom 19. Dezember 1805 beendete die Herrschaft. Dätzingen und das Schloss kamen in den Besitz des Königs von Württemberg, der es fünf Jahre danach dem Generalleutnant Freiherrn Carl Ludwig Dillenius, dem späteren Grafen von Dillen, schenkte und es für ein adeliges Gut erklärte.
Der gesamte Familienbesitz von Dillen ging im Jahre 1895 durch Einheirat auf den preußischen Gesandten Dr. Alfred von Bülow (1851 – 1916) über, einem Bruder des deutschen Reichskanzler Fürst Bernhard von Bülow. Da beide Söhne starben, vermachte in Erbpacht die Schlossherrin, Adrienne von Bülow, die Gattin des Majors Bernhard von Bülow, im Jahre 1961 das Schlossgut Dätzingen und die dazugehörigen Grundstücke der Gemeinde.
Das ehemalige Malteser Schloss in Dätzingen (© Landesmedienzentrum Baden-Württemberg / Sven Grenzemann. Signatur LMZ003850)
Schon im Jahre 1263 wird ein ehemaliges Bruderhaus des Johanniterordens erwähnt. An Stelle des Bruderhauses wurden ab 1607 einige der heute noch bestehenden Gebäudeteile errichtet, wie die Kieser’sche Ortsansicht von 1685 zeigt. 1733 wurde es zum vierflügeligen Bauwerk, das einen Innenhof umschloss, erweitert. In nordwestlicher Richtung vor dem Schloss führte damals ein überdachter Gang zur gotischen Barbarakirche.
Der letzte Komtur, Freiherr Johann Baptist von Flachslanden, ließ unter seiner Führung um 1780 im späteren Rokokostil den heute unter Denkmalschutz stehenden Maltesersaal errichten. Dieser Stil äußert sich dekorativ mit pastellfarbenen marmorierten Flächen. Die dazugehörigen Verzierungen im sogenannten Zopfstil sind aus Stuck. Eingelassene Wandbilder mit Veduten von Akkon, Rhodos, Malta und Lepanto eines unbekannten Künstlers erinnern an die Blütezeit der Johanniter. Das Portrait an der Kopfseite stellt den letzten Komtur dar.
Graf von Dillen hat Nikolaus Friedrich von Thouret (1767 – 1845) – ein Vertreter des Klassizismus – gebeten, Entwürfe für eine Neugestaltung des Schlosses vorzunehmen. Die Barbarakirche wurde abgerissen und ein klassizistischer Säulenvorbau aus hellbraunen Sandsteinen an den Schlosskörper angesetzt. Vom Balkon lassen sich Springbrunnen und Schlossgarten nach Originalplänen von Thouret aus dem Jahre 1812 betrachten. Im Dreiecksgiebel befindet sich das aus Eichenholz geschnitzte Wappen des Grafen von Dillen. Die Schlossanlage findet ihre Fortsetzung in einem sich anschließenden Park, an dessen Fuß ein romantischer Weiher liegt. Er wird von Quellen gespeist. Der Überlauf mündet in den Altbach. Im See liegt eine Insel, auf der früher ein Pavillon stand.
Weil Carl Maria von Weber einen Teil des „Freischütz“ vor dem König hier aufgeführt haben soll, ziert die Insel ein Lyra-Emblem, das sich einst auf dem alten Hoftheater im Stuttgarter Park befunden hatte. Während in Ordenszeiten im Schloss beschauliches und klösterliches Leben den Rhythmus bestimmte, änderte sich dies alles, als Dätzingen württembergisch wurde.
Wie Hofchronist Staelin berichtet, war am 25. Juni 1810 große Jagd zwischen Dätzingen und Ehningen, die drei Wochen lang täglich 4000 bis 5000 Menschen beschäftigte. …
Als König Friedrich starb und der Graf von Dillen deshalb die Gunst des Königshauses verlor, wurde es im Schloss ruhig. Erst am 23. August 1888, als in Döffingen das 500-jährige Jubiläum zum Andenken an die denkwürdige Döffinger Schlacht gefeiert wurde, fand sich der damalige Kronprinz und spätere König Wilhelm von Württemberg mittags um 1 ½ Uhr zum Gastmahl im Schloss ein. Der königliche Prinz und sein Gefolge wurden von Ortspfarrer, Schultheißen und Gemeinderat und der Schuljugend freudig empfangen, wie die Pfarrchronik berichtet.
Seit das Schloss im Gemeindebesitz ist, wird es zum Teil vermietet. Unter anderem haben kulturelle Veranstaltungen das Dätzinger Schloss über die Kreisgrenzen hinaus bekannt gemacht. Der Maltesersaal dient auch als Ratssaal für den Grafenauer Gemeinderat.
Frühklassizistischer Stuckdekor im Inneren des Dätzinger Schlosses. (Bild: S. Kittelberger)
Erstveröffentlichung: Denkmale in der Nachbarschaft – gesehen und besucht im Kreis Böblingen. Röhm Verlag Sindelfingen 1990.
Der Text wurde gekürzt.
Mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Sindelfinger Zeitung/Böblinger Zeitung
Um einen Plan des malerischen, kleinen Adelsfriedhofs imSchlosspark zu betrachten, klicken Sie bitte hier.
Internet Links:
museen bb – Grafenau
Wikipedia: Malteser Portal
Gemeinde Grafenau
Galerie Schlichtenmaier