Der 1937 eingeweihte Vielzweckbau hat eine bewegte Geschichte
Der Graf-Ulrich-Bau in Döffingen
Erstveröffentlichung: Das 20. Jahrhundert im Spiegel der Zeit. Der Kreis Böblingen im Rückblick von 100 Jahren. Röhm Verlag, Sindelfingen 1999, S. 88.
Die Freude war groß in Döffingen, als man nach etlichen Diskussionen den Graf-Ulrich-Bau eingeweiht hat. Damals war der Graf-Ulrich-Bau Döffingens Stolz. In der “Württemberger Zeitung“ vom 1. November 1937 hieß es: “Für die kleine Gemeinde Döffingen wurde der 31. Oktober zu einem Markstein in ihrer Geschichte“.
Martin Hanselmann, langjähriger Rektor der Döffinger Schule und Heimatforscher aus Leidenschaft, hat nachgeblättert und viel herausgekramt. 1936 bis 1937 wurde der Graf-Ulrich-Bau gebaut, 68.000 Reichsmark hat er gekostet. Das war damals ein „schönes Geld“, sagt Hanselmann und zieht Vergleiche. “Der Stundenlohn betrug damals zwischen 75 und 78 Pfennige“.
Der Graf-Ulrich-Bau lief anfangs als Turn- und Festhalle. Freilich, die Nutzung war vielfältig ausgelegt. Neu für die damalige Zeit war die eingerichtete Kochschule für die landwirtschaftliche Berufsschule. Absolventen waren Mädchen aus Döffingen, Dätzingen und Schafhausen. (…) Integriert in den Graf-Ulrich-Bau waren neben der Turnhalle und einem Jugendraum auch noch eine Lehrerwohnung.
Auch die Döffinger Schule fand im Graf-Ulrich-Bau ihr Zuhause. Damals war sie zweiklassig: eine Klasse bildeten Schülerinnen und Schüler der Klassen eins bis drei; die Klassen vier bis sieben bildeten die zweite Klassengemeinschaft.
Der Graf-Ulrich-Bau in Döffingen. Schule, Turnhalle, Kindergarten, Probenraum. Der Bau hat eine bewegte Nutzungsgeschichte hinter sich.
Döffingen war seiner Zeit voraus, wie ein Ausschnitt aus der “Württemberger Zeitung“ vom 30. Oktober 1937 belegt: „Günstige Voraussetzungen ermöglichen es unserer kleinen Gemeinde mit ihren tausend Einwohnern eine Einrichtung zu schaffen, die der Dorfgemeinschaft frommt. (…). Der Neubau, der nach den Plänen des Architekten Bürkle, Sindelfingen, errichtet wurde und auf beherrschender Höhe, weithin sichtbar zu stehen kam, entspricht in seiner äußeren und inneren Gestaltung den heutigen Grundsätzen eines Zweckbaus. (…) Er liegt außerhalb des Verkehrs und ist von Jung und Alt ohne Gefährdung zu erreichen.“
Damals wie heute spielt Geld eine große Rolle. Die “Württembergische Zeitung“ berichtet, dass Döffingen die Finanzierung dieses Baues ohne Schuldaufnahme leistete. (…) Die Zeitung weiß, dass damals ein Drittel der Bausumme aus früheren Jahren auf der Hohen Kante lag, der größere Teil wurde durch größte Sparsamkeit zwischen 1934 und 1937 zusammengetragen. Wie hoch der Staatszuschuss war, wird nicht genannt (er soll 8000 Reichsmark betragen haben).
Das Fassungsvermögen der Halle betrug bei voller Ausnutzung 450 Menschen. 1945 wurden dort polnische Zwangsarbeiter untergebracht, 1946 vorübergehend Heimatvertriebene. Nachdem die Schule 1965 auszog, wurde ein Museum, die Heimatstube, eingerichtet. Sie wurde aufgelöst, als 1986 im Schloss Dätzingen das Heimatmuseum eingeweiht wurde. Der Kleine Saal wurde danach zum Proberaum für den Liederkranz. Heute ist der Bau die Heimat eines Kindergartens, im Keller übt der Harmonika-Club Döffingen. Kein Wunder, wenn Martin Hanselmann sagt: “Wenn der Graf-Ulrich-Bau nicht mehr da wäre, dann würde den Döffingern schon sehr viel fehlen.“ (…)
Der Text wurde gekürzt.
Mit freundlicher Genehmigung der Sindelfinger Zeitung/Böblinger Zeitung