Die Schickhardts – Herrenberger Multitalente
Autor: Helmut Maier
Selbstverständlich ist es keineswegs, daß ein Zweig dieser aus Siegen im Nassauischen stammenden Familie sich in Herrenberg niederließ. Verständlicher ist es indes, daß in der Folge der Name Schickhardt einen besonderen Rang in der württembergischen Geschichte erhielt: Handelte es sich doch um eine ungewöhnlich vielseitig talentierte Familie, die dem Lande eine ganze Anzahl von Gelehrten, Geistlichen, Schulmännern, Ärzten, Verwaltungsfachleuten, Künstlern und Kunsthandwerkern schenkte.
An ihrem Ausgangsort Herrenberg hielten sich die Schickhardts zwar nur rund zwei Jahrhunderte. Aber gerade mit Herrenberg sind auch ihre drei bedeutendsten Vertreter verbunden, deren schon der Chronist von Stadt und Amt, Vogt Heß sehr ausführlich gedachte.
„Maister Heinrich Schriner“, wie er in den Quellen meist genannt wird, war 1464 in Siegen geboren und mit seinen Eltern nach Herrenberg gekommen. Er heiratete 1503 Margarete Hommel und erwarb offenbar rasch ein solches Ansehen, daß ihm die hauptverantwortliche Schaffung des bekannten Chorgestühls in der Stiftskirche übertragen wurde. Bereits 1517 war, wie die Inschrift besagt, „dieses Werk ausgemacht (= fertiggestellt) durch Heinrich Schickhardt von Siegen, Bürger zu Herrenberg“. Er starb am 23. August 1540.
Büste eines Mannes mit Schriftrolle vom Chorgestühl Heinrich Schickardts d. Ä. (1464-1540) in der Herrenberger Stiftskirche. (© Landesmedienzentrum Baden-Württemberg / Ernst Suhrkamp. Signatur LMZ965472+LMZ965473)
Der Enkel Heinrich, am 5. Februar 1558 geboren und seit 1584 mit der Bürgermeistertochter Barbara Grüninger verheiratet, war schon wie selbstverständlich Mitglied des Gerichts seiner Vaterstadt. Seit 1578 lernte er beim herzoglichen Baumeister Georg Beer in Stuttgart. Im landesfürstlichen Dienst, seit 1608 selbst als Landesbaumeister, konnte er sein Talent als Architekt, Techniker, Konstrukteur, Feldmesser usw. erweisen. Mit einem ausgesprochenen Sinn für das Nützliche und Zweckmäßige begabt, dazu für geometrische Fragen und an allem Technischen interessiert, hinterließ er eine beeindruckende Anzahl von Werken: Der „Neue Bau“ in Stuttgart, die Kirche in Mömpelgart und vor allem Freudenstadt – das sind Namen, die das Spektrum seines Schaffens nur andeuten sollen. Der Baumeister starb, in den Wirren nach der Schlacht von Nördlingen „von Soldaten gestochen“, am 10. Januar 1635 in Stuttgart.
Sein Neffe und des „Schreiners“ Urenkel Wilhelm Schickhardt, am 22. April 1592 in Herrenberg geboren, ist gewiß der bedeutendste Vertreter der Familie: ein universaler Gelehrter, der Gegenwart wohl meist als Erfinder der ersten Rechenmaschine (1623) bekannt, die ihm selbst jedoch offenbar nur ein Nebenprodukt seiner umfassenden wissenschaftlichen Tätigkeit war. Von Haus aus war er zunächst Geistlicher und wurde sodann Professor des Hebräischen und zuletzt auch der Astronomie an der Universität Tübingen. Zudem war er ein namhafter Orientalist und Geodät; seine Vermessung von Württemberg (1624-1635) gilt als erste Triangulation eines deutschen Landes. Weitere Tätigkeit als Kupferstecher und Maler runden das Bild. Wie sein Onkel endete auch er in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges tragisch. Nachdem er bereits fast seine ganze Familie verloren hatte, fiel er am 24. Oktober 1635 der Pest zum Opfer; sein letzter Sohn überlebte ihn um wenige Tage.
Der Architekt und Ingenieur Heinrich Schickhardt (1558-1635) gilt als einer der wichtigsten deutschen Renaissance-Baumeister und wird gerne auch als „schwäbischer Leonardo“ bezeichnet. Ein Portrait von ihm ist nicht überliefert, möglicherweise handelt es sich bei der Portraitbüste am ehemaligen Lusthaus in Stuttgart um ein Selbstbildnis. (Bild: Aus Schönbuch und Gäu, 1989/4+5, S. 15)
Die Stadt Herrenberg hat ihren Schickhardts eine besondere Referenz erwiesen: Sie gab einem ihrer beiden Gymnasien deren Namen.
Mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu e.V.
Internet-Links
Baumeister Heinrich Schickhardt,Schickardt-Seiten – archINFORM
Wikipedia: Heinrich Schickardt
Wikipedia: Wilhelm Schickard