Die Nufringer Pfarrerstochter Elise Hauff reist 1885 als Missionsbraut nach Indien
Die Mission ging auf heimliche Brautschau
Autor: Hans-Dieter Frauer
Am 18. März 1885 verließ die Nufringer Pfarrerstochter Elise Hauff (1858 bis 1944) ihre Heimat, um in einem fremden Land einen fremden Mann zu heiraten und mit ihm unter fremden Menschen zu leben und zu arbeiten. Sie war eine jener zahlreichen pietistischen Missionsbräute, die im 19. Jahrhundert aus Württemberg in alle Welt gingen, um an der Seite eines Missionars ihre Gaben einzubringen.
Am 1. Mai 1885 heiratete sie im indischen Hubli den Missionar Friedrich Eisfelder. Mit ihm führte sie eine glückliche Ehe, musste aber drei von fünf Kindern begraben. In Indien blieb das Ehepaar bis zum Ausbruch der Ersten Weltkrieges im Jahre 1914, dann kehrte es nach Deutschland zurück.
Friedrich Eisfelder starb 1922 in Tübingen, Elise 1944 in Neuffen. Auch an die Missionsbräute erinnerte mittelbar eine 2004 in Deckenpfronn zu sehende Ausstellung vom breiten und vom schmalen Weg, die die pietistische Vorstellungswelt des späten 19. Jahrhunderts anschaulich machte. So ist der breite Weg, der ins Verderben führt, gesäumt von Stationen wie Wirtschaft, Spielhölle, Maskenbälle, einem Konversationshaus: Das sind in der Sicht von damals alles Dinge, die Menschen von einem sinnvollen und auf das Jenseits bezogenen Leben abhalten. Der schmale Weg verherrlicht dagegen das Leben füreinander und das Dienen aneinander, man bringt seine Gaben für den Bau des Reiches Gottes ein, die Stationen am Weg sind daher Kinderrettungsanstalt, Diakonissenhaus und Sonntagsschule.
Dass all dies nicht nur Theorie oder Wunschdenken war, wird am Leben der Elise Hauff deutlich. Sie war 1858 im indischen Mangalore als Tochter eines Missionars geboren worden. 1865 kam die Siebenjährige nach Europa: Ihre Eltern hatten Indien aus Gesundheitsgründen verlassen müssen, der Vater war ab 1872 Gemeindepfarrer in Nufringen. Hier erreichte ihn im November 1884 ein Brief der Basler Mission, in dem er in aller Form um seine Tochter Elise angefragt wurde. Die damals 26-Jährige sollte als Missionsbraut nach Indien gehen und dort einen ihr völlig unbekannten 34-jährigen Missionar Friedrich Eisfelder heiraten.Anfragen dieser Art waren damals nicht selten. Die oberste Leitung der Basler Mission suchte für ihre Missionare draußen nach geeigneten Frauen und fand sie besonders in pietistischen Familien Württembergs. Um sie zu finden, war ein regelrechtes Netzwerk entstanden, dessen Mitglieder auf heimliche Brautschau gingen. So sahen sich Gemeinschaftsprediger, Pfarrer oder Lehrer in Pietistenkreisen nach geeigneten Mädchen im heiratsfähigen Alter um. Diese Missionsbräute, die von der heimlichen Brautschau in der Regel nichts wussten, schlugen sie der Leitung der Basler Mission vor. Stimmte auch die der Wahl zu, so landete bei den betreffenden Mädchen eines schönen Tages die entsprechende Anfrage aus Basel.
Elise Eisfelder-Hauff und ihr Ehemann Friedrich Eisfelder in Indien. Ausschnitt aus einem zwischen dem 02.09.1913 und dem 10.06.1914 aufgenommenen Foto mit Angehörigen der Basler Mission in Indien aus dem historischen Bildarchiv der Basler Mission. Neben dem Ehepaar Elise und Friedrich Eisfelder sind darauf auch die Herren Lüthi, Müller, Dipper und Spring zu sehen. (Foto: Archiv mission 21: Basler Mission, Ref.no. QW-30.024.001; „Lüthi,Müller, Dipper, Spring, Herr und Frau Eisfelder“)
Bei der 1815 gegründeten Basler Mission herrschten damals strenge Regeln: Als „Missionszögling“ wurden nur ledige Männer aufgenommen, und den neu ausgebildeten Missionaren wurde anfangs dringend von einer Heirat abgeraten, weil sie Zeit und Kraft in Anspruch nehme, die besser in der Missionsarbeit eingesetzt werden solle. Dieses Zölibat ließ sich aber auf Dauer nicht durchhalten, zudem konnten über Missionarsfrauen weitere Gruppen erreicht werden. 1837 wurde daher eine detaillierte Heiratsordnung ausgearbeitet. Die Missionare durften frühestens zwei Jahre nach ihrer Ausreise eine „Bitte um Heiratserlaubnis“ an die Missionsleitung richten. Die baten sie dabei oft, doch für sie eine geeignete Frau auszusuchen, weil sie ja in Deutschland meist niemanden Geeigneten kannten. Die Missionsleitung sah sich so ungewollt in die Rolle eines Heiratsvermittlers gedrängt.
So war es auch bei Elise Hauff. Ein Freund hatte sie recht positiv beurteilt. Sie sei „sehr gut gebildet, frommen Sinnes, gänzlich erzogen, von ernstem Missionsinteresse, von angenehmem Wesen, gesund und einfach in ihrem Sinn“. Das schrieb er ohne Wissen Elises und ihrer Eltern nach Basel, von dort kam dann die Anfrage und bald auch ein Brief des künftigen Ehemannes an das „Theure Fräulein“. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich die Situation der um ihre Tochter angefragten Eltern und der Tochter vorzustellen: Es galt, alles aufzugeben, einen Mann zu heiraten, von dem man ein Foto hatte und mit ihm unter „Wilden“ und „Heiden“ (so sah man das damals) zu arbeiten. Aber sowohl die Eltern wie auch die Tochter fanden ein Ja zu der Anfrage. Elise Hauff schrieb ihren ersten Brief an den „Lieben Bruder Eisfelder“. Darin heißt es: „Obwohl wir uns noch nicht kennen, darf ich Sie doch als meinen mir selbst von Gott zugeführten Bräutigam begrüßen“.
Die Ausreise ins Missionsgebiet bedeutete damals oft einen Abschied von der Heimat für immer. Die Sterberate der Europäer in dem für sie mörderischen Klima und die Kindersterblichkeit waren geradezu erschreckend hoch. Dennoch waren die meisten der angefragten Mädchen bereit, in eine ungewisse Zukunft zu gehen. Sie sahen in der Heiratsanfrage sowohl „einen Ruf Gottes“ wie auch eine ihnen willkommene Möglichkeit, selbst als Gehilfinnen ihres Mannes im „Weinberg des Herrn“ zu wirken. Ihre Aufgaben waren, den Mann bei seiner Arbeit zu unterstützen.
Die Eheleute waren fest im Glauben verwurzelt, sie nahmen einander deshalb gegenseitig als Geschenk Gottes an. Ihren Glauben und ihr Vertrauen hatten sie allerdings auch nötig. Hatten etwa die Kinder die ersten Lebensjahre überstanden, so mussten sie für ihre Ausbildung auf eine Missionsschule oder in die Heimat weg gegeben werden. Auch das Ehepaar Eisfelder musste sich von seinen Kindern trennen: Mehrere Kinder starben jung in Indien, andere wuchsen bei Verwandten in Deutschland auf.
Das berühmte Bild vom breiten und vom schmalen Weg spiegelt anschaulich das pietistische Selbstverständnis des späten 19. Jahrhunderts wieder. Es entstand um 1860 auf Anregung der Stuttgarter Kaufmannsfrau Charlotte Reihlen. Die Stationen am schmalen Weg – Sonntagsschule, Knaben-Rettungsanstalt oder Diakonissenhaus - propagieren ein in den christlichen Glauben eingebettetes, asketisches Leben von der Taufe bis ins Jenseits, getreu dem Motto: Von allen Dingen lass ab, die nicht mitgehen bis ins Grab. Die Stationen am breiten Weg dagegen - Spielhölle, Maskenball und Theater – warnen vor Alkohol und Krieg und stehen für ein sinnentleertes, oberflächliches Leben. (Foto: Stadtarchiv Böblingen)
Erstveröffentlichung: Gäubote – Tageszeitung im Kreis Böblingen für Herrenberg und das Gäu, 09. September 2004.
Mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Gäuboten.
Der Autor Hans-Dieter Frauer ist Historiker und Publizist. Er lebt in Herrenberg und ist ein ausgewiesener Kenner der württembergischen Landes- und Kirchengeschichte. Er hat mehrere Bücher verfasst und ist ein gefragter Vortragsredner.
Link zum historischen Bildarchiv der Basler Mission: http://www.bmarchives.org/
Literaturhinweis:
Dagmar Konrad: Missionsbräute. Pietistinnen des 19. Jahrhunderts in der Basler Mission, Waxmann Verlag, Münster/New York/ Berlin/ München 2001.