Eltingen in der Beschreibung des Leonberger Oberamts von 1852
Eltingen, Gemeinde II. Kl. mit 1748 Einw. … wor. 11 Kath. … – Ev. Pfarrei; die Kath. sind nach Weil der Stadt eingepfarrt.
Eltingen ist derselbe Name wie Altingen, nur mit einem Umlaut. Das große etwas in die Länge gezogene, ziemlich regelmäßig gebaute Pfarrdorf, zugleich Sitz des Försters vom Revier Warmbronn, liegt ½ Stunde südlich von Leonberg, frei in der Thalebene der Glems, auf der rechten Seite des hier noch ganz kleinen Flüßchens. Da dem Thal selbst die Gehänge fehlen und der Ort mehr in einer Niederung liegt, welche durch nicht ferne Höhenzüge gegen Süden und Osten geschützt – dagegen gegen Westen und Norden offen ist, so kann seine Lage nicht eben eine gesunde genannt werden, was in Verbindung mit dem zwar hinreichend vorhandenen, – aber zum Theil gypsführenden Trinkwasser die Ursache des nicht selten vorkommenden Cretinismus1 sein dürfte. …
Beinahe in der Mitte des Orts liegt die 1487 erbaute, mit einer Mauer umgebene Pfarrkirche, welche wegen ihrer rein germanischen2 Bauweise zu den schönsten Kirchen des Bezirks gehört. Sie hat sowohl an dem Langhause, als an dem Chor Strebepfeiler und zwischen diesen geschmackvolle gothisch gefüllte Fenster. Die Eingänge sind wie die Fenster spitzbogig; unter ihnen zeichnet sich besonders der an der Westseite aus, über welchem eine schöne durchbrochene Fensterrose angebracht ist. Das Innere ist durch unsymmetrische, zum Theil häßlich bemalte Emporkirchen verunstaltet und verdüstert, dagegen hat die flach getäfelte Decke, welche 1746 aufgefrischt wurde, noch eine dem Styl der Kirche entsprechende Bemalung. …
Das 1775 neu erbaute Pfarrhaus hat der Staat zu unterhalten; es liegt unfern der Kirche am südlichen Ende des Orts und befindet sich, sammt den dazu gehörigen Nebengebäuden, in gutem Zustande. Südlich der Kirche auf dem ehemaligen Kirchhofe steht das stattliche Schulgebäude mit Lehrerwohnung, welches 1826 namhaft erweitert wurde; nördlich von diesem liegt von allen Seiten frei an der Hauptstraße das 1841 im modernen Styl erbaute Rathhaus. Ein Gemeindebackhaus wurde 1846 errichtet; ein öffentliches Waschhaus besteht schön längst.
Die fleißigen, durch vielen Handel und Verkehr nach Außen etwas abgeschliffenen Einwohner befinden sich im Allgemeinen nicht in den besten Vermögensumständen, auch sind auf der ausgedehnten Ortsmarkung viele Angrenzer, besonders Leonberger, begütert. Die örtlichen Erwerbsquellen sind neben Feldbau und Viehzucht, die Gypsbereitung und der Handel mit Holz. …
Der Betrieb der Landwirthschaft ist mittelmäßig und läßt Manches zu wünschen übrig; im üblichen Dreifeldersystem baut man die gewöhnlichen Getreidearten, unter denen Dinkel und Hafer vortrefflich gedeihen. …
Wird in der Oberamtsbeschreibung lobend erwähnt: flach getäfelte Decke in der Eltinger Michaelskirche.
An südlichen Abhängen wird auf geeigneten Mergelböden Weinbau nach der Bauart des Unterlandes getrieben, nur mit dem Unterschied, daß die Reben selten bezogen werden. Obgleich der aus Elblingen-, Gutedel-, Silvaner- und Trollinger-Trauben gewonnene Wein dem Unterländer nachsteht, so wird er doch beinahe um denselben Preis wie dieser meist in den Schwarzwald abgesetzt. …
An Gewerben befinden sich im Ort nur die gewöhnlichen Handwerker, von denen einige Schuster und Schneider auch nach Außen arbeiten. Ein besonderer Erwerbszweig für ärmere Einwohner bildet der Gyps, der aus 3 Brüchen gewonnen und auf 14 Mühlen gemahlen wird; er kommt nicht nur in die ganze Umgegend, sondern häufig auch im benachbarten Baden zum Verkauf. Im Ort befinden sich 3 Schildwirthschaften3, worunter 1 mit Bierbrauerei; eine weitere Brauerei besteht neben einer Speisewirthschaft.
An der Volksschule unterrichten 1 Lehrer, 1 Unterlehrer und 1 Lehrgehilfe; auch hat der Ort eine Industrieschule und einige Schulstiftungen, deren Zinse zu Anschaffung von Schulbüchern für arme Kinder verwendet werden. Die Poststraße von Stuttgart über Leonberg nach Calw führt durch das Dorf und bringt demselben einigen Verkehr. …
Der Sage nach soll ½ Stunde südlich vom Ort im Glems-Thal ein Ort Offenhausen gelegen haben; noch jetzt wird ein mit einem Wall umgebener Platz als der ehemalige Kirchhof bezeichnet. Nicht weit von dieser Stelle stand vornen auf einem zwischen zwei Waldthälchen auslaufenden Bergrücken die Burg Glemseck, von der Graben und der Wall noch vorhanden sind. Auf einer bewaldeten Bergspitze, ¾ Stunden südwestlich von Eltingen, lag die Maisenburg. In der Mönchsklinge, ¾ Stunden südöstlich vom Ort, stand ein Waldbruderhaus, von dem noch ein Keller übrig ist. …
Eltingen kommt erstmals vor um 1100, im Hirschauer Schenkungsbuch (Cos. Hirs. ed. Stuttg. 42). In der allerfrühesten Zeit mögen sich die Grafen von Calw und die Grafen, nachher Pfalzgrafen, von Tübingen in diesen Ort getheilt haben. Es hat wenigstens Wahrscheinlichkeit, daß der hiesige Besitz der Herren von Eberstein,…, von den Grafen von Calw stammte. … Ein Cunradus de Eltingen erscheint am 22. Nov. 1272 in einer Urkunde des Klosters Herrenalb.
Bedeutend war der hiesige Besitz des Klosters Hirschau. … Auch das Stift Sindelfingen hatte hier Güter, namentlich einen am 23. August 1271 für 50 Pfund erkauften Wald bei Glemseck.
Mit Leonberg ist der Ort an Württemberg gekommen. … Die Kirche sammt Patronat eignete Graf Eberhard der ältere dem Stift Tübingen am 7. Mai 1487. …
Erstveröffentlichung: Beschreibung des Oberamts Leonberg. Herausgegeben von dem königlichen topographischen Bureau, Stuttgart 1852
Der Text wurde gekürzt.
Eine ungekürzte Version der Beschreibung von Eltingen finden sie auf dem Internet-Portal Wikisource.
Mit freundlicher Genehmigung des Bissinger-Verlags Magstadt
Die Württembergischen Oberamtsbeschreibungen
Im Jahre 1820 wurde auf Dekret König Wilhelms I das königliche statistisch-topographische Bureau in Stuttgart gegründet. Zwischen 1824 und 1886 entstanden dort Beschreibungen aller 64 württembergischen Verwaltungsbezirke und ihrer Gemeinden. Als 30. Band erschien 1852 die Beschreibung des Oberamts Leonberg. Auf dem Internet-Portal Wikisource kann diese bereits vollständig abgerufen werden.
Referenz
↑1 | Kretinismus: Durch einen Mangel an Schilddrüsenhormonen hervorgerufene, schwere körperliche und geistige Entwicklungsstörung (Zwergwuchs, Deformationen, ausgeprägter Schwachsinn). Heute in den Industrieländern ausgerottet, im 19. Jh. aber v.a. in den Jodmangelgebieten Süddeutschlands und der Schweiz auffällig stark verbreitet (endemischer Kretinismus). |
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↑2 | im damaligen Sprachgebrauch Synonym für gotisch |
↑3 | Schildwirtschaften waren, im Gegensatz zu Straußenwirtschaften, berechtigt, Gäste zu beherbergen und zu bewirten. Straußenwirtschaften waren nur zu gelegentlichem Ausschank, meist im Herbst, berechtigt. |