Gebersheim in der Beschreibung des Leonberger Oberamts von 1852
Gebersheim, Gemeinde III. mit 474 Einw., wor. 1 Kath. – Ev. Pfarrei.
Am Saume des Strohgäus, in einem nicht tief eingeschnittenen Seitenthälchen des Glems-Thales, lieg ¾ Stunden nordwestlich von der Oberamtsstadt, ziemlich geschützt, das kleine, übrigens freundlich und reinlich gehaltene Dorf, welches mit gesundem Trinkwasser hinlänglich versehen ist und durch das ein Bach, der im Kastenbrunnen entspringt, und zu einer Wette geschwellt wird, fließt.
Am westlichen Ende des Orts steht frei und ziemlich hoch die schmale, wenig geräumige Pfarrkirche, deren Unterhaltung dem Heiligen (St. Silvester) obliegt. …
Das in der Nähe der Kirche sehr angenehm und gesund gelegene Pfarrhaus, welches der Staat zu unterhalten hat, ist zwar alt, aber dennoch in gutem baulichen Zustande. In der Mitte des Orts liegt das alte, ziemlich heruntergekommene Rathaus, in welchem sich auch die Schule und die Wohnung des Lehrers befindet; ein Gemeinde-Backhaus besteht schon längst. An der Volksschule, neben welcher auch eine Industrie-Schule vorhanden ist, unterrichten 1 Lehrer und 1 Lehrgehilfe.
Die mittelmäßig begüterten Einwohner sind im Allgemeinen kräftig und gesund, dessen ungeachtet erreichen nur wenige ein hohes Alter; ihre Haupterwerbsmittel bestehen in Feldbau und Viehzucht. …
Die Luft ist rein aber rauh, Frühlingsfröste sind häufig, dagegen kam Hagelschlag in 50 Jahren nur zweimal vor.
Der Zustand der Landwirtschaft ist gut, und um denselben noch mehr zu heben, gehen Einzelne mit gutem Rath und Beispiel voran. …
Der aus gewöhnlicher Landrace bestehende Rindviehstand ist gut und zeichnet sich vor manchen Orten der Umgegend aus; zur Verbesserung und Zucht desselben sind gute Farren vorhanden, deren Unterhaltung den zwei Widdumgutsbesitzern obliegt.1 Der Handel mit Melk,- und Mastvieh bildet einen besondern Erwerbszweig. …
Die ansäßigen Handwerker arbeiten nur für den Ort; mit Ausnahme der Maurer, welche auswärts Beschäftigung suchen. Im Orte befinden sich 2 Schildwirthschaften und 1 Krämer. Die Stiftungspflege ist so unbemittelt, daß dieselbe in allen ihren Leistungen von der Gemeinde unterstützt werden muß; übrigens hat die Gemeindepflege keine Schulden und auch nur eine geringe Umlage zu machen nöthig.Freiherr von Gaisburg besitzt auf der hiesigen Markung ein etwa 150 Morgen2 großes Lehengut (Maierhof), das zerstreut auf der Markung liegt und von 2 Beständern3 bewirthschaftet wird.
Übrigens hat der Staat die Grundherrlichkeit.
Die bisherigen Zehentverhältnisse betreffend, so theilte sich das große wie das kleine Zehentrecht nach Distrikten; in einem derselben übte der Staat das Recht allein, in dem andern der Hospital Leonberg und die Stiftungspflege Rutesheim, in dem dritten die Stiftungspflege Gebersheim; auf dem übrigen Theil der Markung hatte der Staat 2/3 und der Hospital Leonberg mit der Stiftungspflege Rutesheim 1/3 desselben zu beziehen. An den Heu- und Oehmdzehenten, sowie an dem Weinzehenten gebührten dem Staat gleichfalls 4/6, dem Hospital Leonberg und der Stiftungspflege Rutesheim je 1/6; seit die Weinberge in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts ausgestockt wurden, werden statt des Weinzehenten Surrogatgelder4 gereicht. …
Der Ort tritt ums Jahr 1100 in die Geschichte ein und wird zuerst in den Kloster Hirschauer und Reichenbacher Schenkungsbüchern erwähnt. (…)
Gebersheim gehörte wohl in der ältesten Zeit zur Grafschaft Calw; urkundlich hat sich indeß nichts über die frühesten Besitzer erhalten. …
Von besondern hiesigen Ortsadeligen ist keiner bekannt, als Manno de Gebersheim, welcher um 1120 das Kloster Hirschau beschenkte (Cod. Hirs. 60). …
Mit Leonberg ist das Dorf an Württemberg gekommen; dieses belehnte mit einem Hof und Gütern im Jahr 1392 Hans von Heimerdingen und im Jahr 1429 die von Nippenburg und 1660 die von Gaisberg.
Erstveröffentlichung: Beschreibung des Oberamts Leonberg. Herausgegeben von dem königlichen statistisch-topographischen Bureau, Stuttgart 1852.
Der Text wurde gekürzt.
Eine ungekürzte Version der Beschreibung von Gebersheim finden sie auf dem Internet-Portal Wikisource.
Mit freundlicher Genehmigung des Bissinger-Verlags Magstadt
Die Württembergischen Oberamtsbeschreibungen
Im Jahre 1820 wurde auf Dekret König Wilhelms I das königliche statistisch-topographische Bureau in Stuttgart gegründet. Zwischen 1824 und 1886 entstanden dort Beschreibungen aller 64 württembergischen Verwaltungsbezirke und ihrer Gemeinden. Als 30. Band erschien 1852 die Beschreibung des Oberamts Leonberg. Auf dem Internet-Portal Wikisource kann diese bereits vollständig abgerufen werden.
Referenz
↑1 | Sog. Widdumsgüter gehörten zur Grundausstattung alter Pfarrkirchen und sicherten den wirtschaftlichen Grundstock des Pfarreinkommens. Im allgemeinen wird damit ein der Kirche gehöriges Bauerngut bezeichnet. Aufgrund einer ungeklärten Tradition hatten die Widdumshöfe die Aufgabe, das männliche Zuchtvieh (Farren=Bullen) zu halten. |
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↑2 | württ. Morgen = 31,52 Ar |
↑3 | Pächter |
↑4 | ersatzweise zu entrichtende Gelder |