Nufringen in der Herrenberger Oberamtsbeschreibung von 1855
„ein gesunder, gut gewachsener Menschenschlag“
Autor: Eduard Paulus
Nufringen, Gemeinde II. Klasse mit 1281 Einwohnern, worunter 2 Katholiken Evang. Pfarrei, mit dem Filial Rohrau; die Katholiken sind nach Altingen eingepfarrt.
Das mittelgroße, ziemlich unregelmäßig gebaute Dorf liegt eben am Saume des sog. Gäus; etwa 1/8 Stunde südlich desselben erhebt sich die bewaldete Terrasse des Schönbuchs und bildet einen freundlichen Hintergrund für die Ansicht des Dorfs, die wegen des Mangels an Obstbäumen etwas kahl ist und nicht viel Malerisches darbietet. Durch den Ort führt die von Stuttgart über Böblingen herkommende, frequente Landstraße zu der 3/4 Stunden südwestlich gelegenen Oberamtstadt; ….
Die im ländlichen Styl meist aus Holz erbauten und mit steinernem Unterstock versehenen Wohnungen haben häufig ein wohlhäbiges Ansehen, und die Ortstraßen, namentlich die Hauptstraße, sind gut unterhalten und theilweise gekandelt. Gutes Trinkwasser liefert in Fülle ein laufender Brunnen am Rathhaus, außer diesem bestehen noch 12 Schöpf- und Ziehbrunnen, welche beinahe das ganze Jahr hindurch Wasser haben. Durch den Ort fließt der Dorfgraben, der bei starken Regengüssen oder während des Schneeabgangs öfters so sehr anläuft, dass er nicht nur den Weiden, sondern auch dem Ort selbst gefährlich wird;….
An der Südseite des Orts steht die Pfarrkirche mit dem ummauerten Begräbnisplatz, der 1833 aufgegeben wurde und statt dessen nun außerhalb des Orts am Weg nach Rohrau ein neuer angelegt ist. Das Langhaus der Kirche ist durch stylwidrige Veränderung entstellt; … dagegen blieb der aus dem 14. Jahrhundert stammende, im Achteck schließende Chor mit seinen Strebepfeilern und schmalen, germanisch1 gefüllten Fenstern unverändert. Der viereckige Thurm hat vier Stockwerke, die untern sind massig, und haben romanische gedoppelte Rundbogenfenster, zwischen denen sich zum Theil schön verzierte Säulen befinden; … Das Innere der Kirche ist ziemlich hell und weiß getüncht; ….
Das in der Nähe der Kirche gelegene Pfarrhaus, welches die K. Hofdomänenkammer zu unterhalten hat, soll früher die Wohnung des Pater oeconomus2 der Probstei Herrenberg gewesen sein; es ist massiv aus Steinen im Styl des 16. Jahrhunderts erbaut.
Das ansehnliche, zweistockige, im Jahre 1828 erbaute Schulhaus mit den Wohnungen für die Lehrer ist zweckmäßig eingerichtet und steht frei unfern des an der Hauptstraße gelegenen, gut erhaltenen Rathhauses. An der Schule unterrichten ein Lehrer ein Unterlehrer und ein Lehrgehilfe. Eine Industrieschule besteht seit 1848. Ein Gemeindebackhaus wurde 1840 erbaut und ein Gemeindewaschhaus besteht schon längst. …
Die Einwohner, ein gesunder, gut gewachsener Menschenschlag, erreichen nicht selten ein sehr hohes Alter; sie sind im Allgemeinen gutmüthig, friedliebend, sparsam, fleißig und haben vielen Sinn für Religion. Ihre Vermögensumstände gehören zu den mittelmäßigen; der größte Güterbesitz beträgt nur 27 Morgen3. Die Haupterwerbszweige sind Ackerbau und Viehzucht; minder Bemittelte arbeiten im Taglohn in Herrenberg. Früher wurde die Wollespinnerei stark betrieben, die aber in neuerer Zeit gänzlich abging; die gegenwärtigen Gewerbe dienen nur den nöthigsten örtlichen Bedürfnissen. Im Ort sind vier Schildwirtschaften, worunter eine mit Bierbrauerei, und zwei Krämer vorhanden. …
Etwa ¼ Stunde südlich vom Ort befindet sich ein der Gemeinde gehöriger Keuperwerksteinbruch, der gute Bau- und Schleifsteine liefert, die in der ganzen Umgegend Absatz finden. In einem nördlich von Nufringen angelegten Muschelkalkdolomitbruch wird geringes Straßenmaterial gewonnen und zunächst am Ort besteht eine Lehmgrube. Gips wurde früher südwestlich vom Ort abgebaut. …
Die Luft ist gesund und rein, übrigens etwas rau; … Die Landwirtschaft wird nach der Dreifelder-Eintheilung mit zu 1/3, meist mit Futterkräutern eingebauter Brache, gut betrieben; …
In dem zur Pfarrei, welche von K. Collation4 abhängt, gehörigen, ½ Stunde östlich gelegenen, Filial Rohrau, hat der Pfarrer vom Palmtag bis Michaelis an allen Sonntagen, von Michaelis bis Palmtag aber nur alle 14 Tage Predigt und Kinderlehre zu halten….
Der Name des früher pfalzgräflich-tübingischen Ortes wurde ehemals geschrieben: Niuferon (12. Jahrh.), Nuweran (1271), Nivseron (1304), Nufran (1318, 1326, 1331, 1334, 1374), Nufren (1382).
Hiesiger, unter den Pfalzgrafen von Tübingen stehender Ortsadel, welcher einen Triangel zum Wappen annahm, blühte bis gegen das Endes des Mittelalters. … Bei der Theilung im Hause Tübingen-Herrenberg im Jahre 1334 kam in des Pfalzgrafen Rudolfs Theil: das Dorf Nufringen, Gut und Leute mit Zehenten und Widumgütern. . … Württembergisch wurde der Ort mit Herrenberg am 10. Februar 1382. …
Erstveröffentlichung: Beschreibung des Oberamts Herrenberg. Herausgegeben von dem königlichen statistisch-topografischen Bureau, Stuttgart 1855.
Der Text wurde gekürzt.
Mit freundlicher Genehmigung des Bissinger Verlags, Magstadt
Die Württembergischen Oberamtsbeschreibungen
Im Jahre 1820 wurde auf Dekret des württembergischen Königs Wilhelm I das königliche statistisch-topographische Bureau in Stuttgart gegründet. Zwischen 1824 und 1886 wurden dort genaue Beschreibungen aller 64 württembergischen Verwaltungsbezirke und ihrer Gemeinden erarbeitet. Als 34. Band erschien im Jahre 1855 die Beschreibung des Oberamts Herrenberg. Die Oberamtsbeschreibungen sind eine interessante und unverzichtbare Quelle zur württembergischen Landeskunde und werden als Reprint immer wieder aufgelegt