Unterbringung von Heimatvertriebenen im ehemaligen Luftwaffengutshof
Das Durchgangslager Malmsheim
Autor: Dr. Benno Kubin
In den Jahren 1936/1937 wurde der Flugplatz Malmsheim, getarnt als Gutshof, errichtet. Meist in Nachtarbeit wurde die Start- und Landebahn geschaffen, der Flugplatz bekam Bahnanschluss an den Bahnhof Renningen. Stationiert wurden Nachtjäger ME 110 und die alte JU 88, die im Krieg gegen Frankreich eingesetzt wurden.
Mit Beginn des Russlandfeldzuges wurden die Maschinen abgezogen, und das Lager diente der Aufnahme der Kriegsgefangenen aus Polen, Frankreich und Serbien und der Ostarbeiter, die im Umland bei der Landwirtschaft arbeiteten.
Nach Beendigung des 2. Weltkrieges wurden die Gefangenen entlassen. Ab 1946 wurde auf dem Gelände ein Durchgangslager für Vertriebene und Flüchtlinge aus dem südost- und ostdeutschen Raum, besonders dem Sudetenland, eingerichtet. Von den Transporten, die dem Kreis Leonberg von der Regierung zugeteilt wurden, konnten nur wenige weitergeleitet werden. Die meisten blieben hier, füllten das Durchgangslager Malmsheim, denn zunächst mussten nur Familien von den Gemeinden im Landkreis wohnungsmäßig aufgenommen werden. …
Schon am 31. Januar 1946 kam der erste große Transport mit mehr als 1500 Umsiedlern aus dem Banat, Siebenbürgen und Ungarn aber auch bereits Vertriebenen aus dem Sudetenland und anderen Ländern in Malmsheim an. … Viele wurden sofort weitergeleitet, da schon Folgetransporte angekündigt waren. In Renningen und Malmsheim verblieben die Deutschen aus Ungarn, dem Banat und dem Sudetenland. …
Dem Landrat war inzwischen von der Regierung mitgeteilt worden, 15.000 ostdeutsche Flüchtlinge aufzunehmen. Mit viel Mühe konnte dieses Kontingent auf 11.000 herabgesetzt werden.
In der Folge kamen 1946 hauptsächlich Vertriebene aus Böhmen und Mähren in Güterzügen meist 1200 Personen über Prag/Furth im Walde in Malmsheim an. …
Das Lager hatte eine Lagerküche mit dem Koch Otto Krauß und 3 Helferinnen, einem Verpflegungs- und Zahlstellenleiter und 4 Wachleuten. … Es war auch ein Sanitätsraum vorhanden, der von einem Sanitäter und zwei Schwestern betreut wurde.
Ab Winter 1946 kamen Vertriebene bis zur Auflösung des Lagers nur noch in kleinen Gruppen. Ab 1949 diente das Lager den Heimkehrern aus englischer und französischer Gefangenschaft. … Sie wurden begrüßt, verpflegt, registriert, geröntgt, ärztlich untersucht und erhielten ein Heimkehrergeld von DM 50,-. Eine größere Zahl noch im Lager lebender Vertriebener fand dadurch ihre Beschäftigung.
Bereits Ende Januar 1946 traf ein erster kleiner Transport mit Vertriebenen aus Bulgarien und Rumänien im Malmsheimer Auffanglager ein. Lesen Sie hier den Bericht von Emanuel Litz über die Ankunft und Aufnahme dieses Transportes im Durchgangslager Malmsheim.
Malmsheimer Neubürger - Augenzeugenbericht von Emanuel Litz 1946
In dem großen Umsiedlerstrom gleich nach Kriegsende wussten die meisten Familien, die Haus und Hof verlassen hatten, noch nicht, wann und wo sie eine neue Heimat finden werden. So fanden auch wir zunächst nur vorübergehend Aufnahme auf einem landwirtschaftlichen Gut in Bayern. Mit einer weiteren Gruppe volksdeutscher Umsiedler aus Rumänien und Bulgarien halfen wir dort im Sommer ’45 die Ernte einzubringen. Dann war es aber an der Zeit, sich nach einer dauerhaften Bleibe umzusehen.
Glücklicherweise ergab sich Ende Januar ’46 die Möglichkeit, mehrere Viehwaggons der Reichsbahn anzumieten. So konnten wir bequem unser ganzes Gepäck und sogar noch ein Pferde- wie auch ein Eselsgespann mitnehmen. Unser Ziel war, in Württemberg eine neue Heimat zu finden. In Stuttgart wies man uns nach einer kurzen Unterredung im Innenministerium in das Lager Malmsheim ein. Dort angekommen, wurden wir von vielen Malmsheimern überaus freundlich begrüßt. Sogar die Malmsheimer Musikkapelle spielte auf. Diesen herzlichen Empfang hielt wohl niemand von uns für selbstverständlich – umso mehr freuten wir uns allesamt darüber.
Nach der offiziellen Begrüßung kam der Malmsheimer Bürgermeister Grötzinger auf uns zu. Er reichte uns nicht nur den kleinen Finger, sondern gleich die ganze Hand, die wir gerne entgegennahmen. Herr Grötzinger bot uns an, Malmsheimer Bürger zu werden. Überaus froh nahmen wir einstimmig an, ohne diese Entscheidung jemals zu bereuen. Schon am nächsten Tag sorgte Bürgermeister Grötzinger dafür, dass alle Familien entsprechend ihrer Größe Unterkunft bei Malmsheimer Familien fanden.
Auch wenn wir noch die ersten Neubürger in Malmsheim und Umgebung waren, gehörte zu dieser guten Unterbringung sehr viel guter Willen seitens der Einheimischen. Dies hat uns sehr geholfen, uns bald in Malmsheim zurechtzufinden. Nach sechs bis sieben Jahren fleißiger Arbeit konnten die ersten von uns schon mit dem Bau von Eigenheimen beginnen.
Die beiden Straßenzüge, die wir besiedelten, hießen noch lange Zeit im Volksmund Die Bulgarensiedlung“.
Heute gibt es für uns keine Alt- und Neubürger mehr, sondern nur noch Bürger von Malmsheim. Damit ist ein Teil der Nachkommen von denen, die 1740 bis 1780 Württemberg verlassen haben, wieder in die alte Heimat eingegliedert.“
Emanuel Litz, Malmsheim
Quelle: Die Vertriebenen im Kreis Böblingen. Hrsg.: Bund der Vertriebenen (BdV) Vereinigte Landsmannschaften und Landesverbände Kreisverband Böblingen, Redaktion: Dr. Benno Kubin, Röhm Verlag, Sindelfingen 1992, S. 72-73.
Erstveröffentlichung: Die Vertriebenen im Kreis Böblingen. Herausgegeben vom Bund der Vertriebenen (BdV) – Vereinigte Landsmannschaften und Landesverbände – Kreisverband Böblingen, Röhm Verlag, Sindelfingen, 1992.
Der Text wurde gekürzt.
Mit freundlicher Genehmigung des Autors und des BdV-Kreisverbandes Böblingen.
Literaturhinweis:
I. Stork, H. M. Maurer, V. Trugenberger, R. Müller, F. Kühbauch, H. Müller: Renningen und Malmsheim. Eine Stadt und ihre Geschichte. Mit einem Beitrag von Bernhard Maier. Wegra-Verlagsgesellschaft mbh, Stuttgart 1991.