Eine Kapitulation, die menschliche Größe bewies
Dokumentation über den Böblinger Militär Botho Henning Elster, der sich Hitler widersetzte
Autor: Michael Stürm
Böblingen – Kann ein Hitler-Befehlshaber gleichzeitig ein Held sein? Ja, sagt der Fernsehsender „arte“ und widmete Generalmajor Botho Henning Elster, Kommandeur des 8. Panzerregimentes aus Böblingen, eine einstündige Dokumentation.
Der gebürtige Berliner kam Ende der 30er Jahre nach Böblingen, um das dort 1938 gegründete 8. Panzerregiment zu übernehmen und lebte bis zu seinem Tod im Jahr 1952 im ehemaligen Forsthaus in der unteren Waldburgstraße.
Als das Panzerregiment nach dem Afrika-Feldzug aufgelöst wurde, kam Botho Henning Elster in Frankreich zum Einsatz. Dort sorgte er für eine Entscheidung, die für Autorin Barbara Dickenberger Anlass bot, seine Lebensgeschichte aufzuarbeiten.
Botho Henning Elster passte offensichtlich nicht in das Raster des brutalen Nazi-Generals und in die eisernen Raster von Befehl und bedingungslosem Gehorsam. In der Weimarer Republik ging der 1894 geborene Sohn eines Archivars auf Konfrontationskurs mit Hitler-Anhängern und die Böblingerin Allmut Weber, Nichte von Hans Haarde, dem Vorgänger Elsters beim Böblinger Panzerregiment, schildert ihn als „sehr netten, väterlichen Menschen“, der sich sogar um ihre Hausaufgaben kümmerte.
Menschliche Größe demonstrierte der Generalmajor im Jahr 1944, als er nach der alliierten Invasion in der Normandie eine Gruppe deutscher Soldaten vor den heranrückenden Gegnern Richtung Osten führte – rund 20.000 Mann, „ein zusammengewürfelter Haufen, viele Verwundete“, wie Allmut Weber erzählt. Ziel waren die deutschen Linien, die den nicht mehr kampffähigen Soldaten Rettung bieten sollten. Nachdem Elster erkannte, dass dieser Trupp niemals so lange durchhalten würde, widersetze er sich Hitlers Befehl des „totalen Krieges“ und bewahrte diese Menschen mit einer Kapitulation vor dem sicheren Tod. „Hitler soll einen Tobsuchtsanfall bekommen haben“, berichtet Allmut Weber, ein Militärgericht verurteilte den Befehlshaber zum Tode. Hitlers Justiz-Schergen sprachen von „falsch verstandener Menschlichkeit.“
Die US-Kriegsgefangenschaft bewahrte Elster vor seinem Schicksal. Ein Offiziersehrengericht bestätigte dort, dass die Kapitulation auch aus Sicht der Militärs ein „standesgemäßes“ Verhalten darstellte.
Nach der Gefangenschaft kehrte Botho Henning Elster wieder zurück an seine Wirkungsstätte Böblingen. Dort, so Allmut Weber, sei er „zwiespältig“ aufgenommen worden. Der Geist des Hitler-Regimes schien im Nachkriegs-Böblingen noch nicht ausgemerzt, ein Militärführer, der sich einem Befehl widersetzt, war trotz seiner Rehabilitierung Ziel von Ressentiments und versteckten Anfeindungen.
Die „arte“-Dokumentation begibt sich auch in Böblingen auf Spurensuche und versucht mit Hilfe von Zeitzeugen diese außergewöhnliche Geschichte militärischen Ungehorsams aufzuarbeiten.
Das Foto aus dem Archiv der US Air Force zeigt den Moment der Kapitulation von General Botho Henning Elster vor dem amerikanischen Maj. Gen. Robert C. Macon in Beaugency am 16. September 1944. (Bild: United States Air Force with the ID 080311-F-3927R-001 / Wikimedia Commons)
Erstveröffentlichung: Kreiszeitung / Böblinger Bote vom 20. Januar 2004
Mit freundlicher Genehmigung der Kreiszeitung / Böblinger Bote
Die arte-Dokumentation über Botho Hennig Elster erschien unter dem Titel „Ein deutscher Held – Die Kapitulation des Botho Hennig Elster“. Sie wurde am 21. Januar 2004, sowie am 23. + 27. Februar 2005 ausgestrahlt.
Botho Henning Elster bei Wikipedia
Literaturhinweis:
Welf B. Elster: Die Grenzen des Gehorsams: Das Leben des Generalmajors Botho Henning Elster in Briefen und Zeitzeugnissen, Oms-Verlag, Hildesheim, 2005.