Flachsanbau im 3. Reich
Es war wohl im Jahr 1935, als von den nationalsozialistischen Machthabern die Aufforderung an die deutschen Bauern erging, den Anbau von Faserpflanzen zu verstärken, um Deutschland auf dem Gebiet der Textilversorgung möglichst autark zu machen. Im Zuge dieser Anordnung wurden den Gemeinden von dem damaligen NS-Kreisbauernführer in Böblingen jeweils jährliche Mindestanbauquoten nach Fläche und Ertrag aufgegeben.
Wenn die Aussaat Anfang April erfolgt war, konnte mit der Reife und Ernte des Flachses bei günstiger Witterung etwa zur Zeit der Getreideernte im August gerechnet werden. Der Flachs wurde nicht, wie das Getreide, geschnitten, sondern samt den kurzen flachen Wurzeln ausgerauft, im Ortsdialekt graeft, damit kein Zentimeter der kostbaren Faser verloren ging.
Bei dieser zeitaufwendigen Erntemethode kam es besonders darauf an, dass man einige warme und sonnige Tage erwischte und möglichst viele Hilfskräfte gleichzeitig einsetzen konnte. Deshalb waren die Gemeinden angewiesen, dafür zu sorgen, dass aus jedem landwirtschaftlichen Haushalt des Ortes eine Person zu dem angegebenen Erntetermin abgestellt wurde. Erfahrene Bäuerinnen, die im eigenen Betrieb die Arbeitsvorgänge bei der Ernte und der Bearbeitung von Flachs kannten, waren natürlich besonders gefragt.
Frauenarbeit – Männerarbeit
Das Raufen des Flachses oblag auch in den einzelnen Betrieben schon früher immer den Frauen, während z. B. das Mähen des Getreides mit der Sense nur Männerarbeit war. Deshalb lag es nahe, dass für die gemeinschaftliche Flachsernte von jeder Familie die Hausfrau oder ein anderes weibliches Familienmitglied abgestellt wurde. Später, in den Jahren nach Kriegsausbruch wurden aber auch Frauen von Nichtlandwirten und Kinder als Erntehelfer herangezogen. Die beiden Männer auf dem Bild waren wohl von der Gemeinde beauftragt, die ganze Aktion zu überwachen, vielleicht hatten sie auch die Aussaat im Frühjahr besorgt.
Zur Arbeit selbst gingen die Frauen in breiter Front nebeneinander an das Feld. Die ausgerauften Stängel wurden im Arm zu kleinen Bündeln gerafft und auf dem abgeernteten Feld in flachen Bahnen, Sammelêten genannt, zum weiteren Trocknen ausgelegt. Bei ganz trockenem Wetter wurden sie auch in den Bündeln zu sogenannten Mandeln oder Becklâ aufrecht zusammengestellt. (…) Der geerntete und getrocknete Flachs wurde dann eingefahren und an die angegebenen überörtlichen Sammelstellen abgeliefert.