Festinjagen bei Leonberg
Am 8. Oktober 1748 wurde im Leonberger Forst ein großes Jagdfest abgehalten. Anlass war die Vermählung des Herzogs Carl Eugen mit Elisabeth Friederike von Brandenburg-Bayreuth.
Die „Hoch Fürstlichen Heimführungs Festivitäten“ sind in einem Buch genau beschrieben. Dort wird als Schauplatz für die Prunkjagd „die ein Stunde von Leonberg entfernte Wasserhalde“ angegeben. Als Ort des Geschehens kommt nur der Wasserbachsee beim Silberberg in Frage. Spuren der ehemaligen Anlage sind noch heute im Gelände sichtbar.
Diesem oben erwähnten Buch ist ein Kupferstich von Jakob Wangner beigegeben. Wie darauf zu sehen ist, waren für die Jagdbelustigung umfangreiche Vorbereitungen nötig gewesen: Durch Stauen des Baches hatte man einen künstlichen See angelegt und an den Hängen des Tales drei Terrassen ausgehoben. Die gesamte Fläche wurde von künstlichen Aufbauten eingegrenzt. Zweck dieser Anlage war, das zusammengetriebene Wild auf eine möglichst überraschende Art vor die Augen und Büchsen der fürstlichen Gesellschaft gelangen zu lassen.
Zwei prächtig bemalte Kastelle waren errichtet worden. Zwischen diesen befand sich eine Triumphpforte, die durch vier kleine Bogengänge mit den Kastellen rechts und links verbunden war. Der Triumphpforte gegenüber, am anderen Seeufer, befand sich der Jagdschirm, der 50 Personen Platz bot. Diese Anlage war der prunkvolle Hintergrund für ein blutiges Schauspiel.
Es begann mit dem Öffnen des Wildgeheges. Etwa 800 Hirsche, Rehe und Wildschweine rannten nun ahnungslos unter den Bögen hindurch und stürzten eine steile Böschung hinab in den durch eine Hecke verdeckten See.
„Das Gewild kame durch die bey obbemeldten Castellen besonders zubereitete Schwibbögen und verschiedene wohlausgezierte Öffnungen haufenweise heraus, und wurde daselbst von einer Höhe zu 14 Schuh in das Wasser herab gesprengt, und alsbald unter währendem Schwimmen, aus dem Schirm heraus von anwesenden Hohen Herrschaften und anderen Hohen Personen geschossen.
Die Hohe Jagd-Gesellschaft fande hiebey das gewünschteste Vergnügen.Sie ergötzen Sich bald an den artigen Erfindungen und Einrichtungen dieses Jagens: bald über das herunterburzeln des Gewilds von dem darzu gemachten Absprung: bald über das ängstlich – und doch vergebliche Fliehen desselben. Die Zuschauer aber, deren von nahen und fernen Orten viele tausend gezehlet werden konnten, bemerkten solche Seltenheiten, die sie in beständiger Verwunderung unterhielten.„
Bis zum Abend erlegte die Festgesellschaft etwa 400 Tiere. Das überlebende Wild wurde wieder in die Freiheit entlassen. Den krönenden Abschluss bildete ein großartiges Festbankett im Schloß zu Ludwigsburg.
Uns ist heute gänzlich unverständlich, daß das massenhafte Abschlachten von Tieren als Vergnügen empfunden wurde. Dabei ist allerdings zu bedenken, daß die Menschen des Barockzeitalters ein anderes Verhältnis zur Jagd hatten. Die Jagd war kein Sport im heutigen Sinn, sondern eine wichtige Lustbarkeit des Hofes. Absolute Herrschaft wurde öffentlich demonstriert. Vorgeführt werden sollte das Beherrschen der Natur, die Entscheidungsgewalt über Leben und Tod, der Wildreichtum des Landes und das alleinige Besitzrecht an den wilden Tieren.
Der Kupferstich von Jakob Wangner
Der Kupferstich stammt von Jacob Wangner, einem Augsburger Kupferstecher. Augsburg war um die Mitte des 18. Jahrhunderts führende Kunststadt Süddeutschlands. An der dortigen reichsstädtischen Kunstakademie erhielten Maler und Kupferstecher eine solide Ausbildung. Die Druckgraphik erlebte damals eine besondere Glanzzeit. Jakob Wangner gehörte zu dem Heer von Kupferstechern, die bekannte Werke anderer Künstler im Stich reproduzierten. Zu seinen Vorbildern gehörte auch Johann Elias Ridinger, der bedeutendste Jagd- und Tierspezialist des 18. Jahrhunderts.
Wangners Auftrag für den württembergischen Hof stellte in seinem Gesamtwerk eine Besonderheit dar. Er sollte ein Buch von Wilhelm Friedrich Schönhaar über die Hochzeitsfeierlichkeiten Herzog Carl Eugens und Prinzessin Elisabeth Friederike Sophias illustrieren. So verewigte er unter anderem die am 8. Oktober 1748 stattgefundene Wasserjagd bei Leonberg.
Für diese Darstellung hat Wangner sich entweder selbst Skizzen vor Ort angefertigt, oder Vorlagen bzw. Beschreibungen von Augenzeugen erhalten. Seine Signatur am rechten unteren Bildrand „Jacob Wangner sculpsit Aug.Vindel.“ (gestochen von Jacob Wangner Augsburg) gibt Aufschluß über den Stecher, nicht aber über den Erfinder des Bildes.
Zwei Versionen des Kupferstichs sind bekannt. Die eine Ausführung ist jedoch reicher im Detail. Auf diesem Druck sind wesentlich mehr Tiere und Zuschauer dargestellt, außerdem sind äußerst drastische Szenen zu entdecken. Die andere Variante zeigt sich starrer und unbeholfener in der Menschen und Tierdarstellung. Wahrscheinlich wurde sie von einem minder begabten Stecher nach dem Original Wangners angefertigt.