Johann Michael Rauser und Johann Jakob Sattler – Zwei Kapsoldaten aus Bondorf
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors.Der Autor, Ulrich Joop, ehemaliger Bondorfer Schulrektor, forscht und arbeitet seit Jahrzehnten über die Geschichte der Gemeinde Bondorf und ihrer Bewohner.
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1786 verkaufte der württembergische Herzog Carl Eugen ein Regiment von württembergischen Soldaten und Offizieren, – „wohl ausgebildet, bekleidet und gerüstet“ – an die „Holländisch-Ostindische Companie“ (VOC) – eine zwar private, aber mit staatlichen holländischen Machtmitteln und Privilegien ausgestattete Gesellschaft von Handelsherren. Dieses Regiment sollte für den Schutz der Handelskolonien der VOC am Kap der Guten Hoffnung in Afrika und in Ostindien sorgen.
Die Mannschaften wurden im Land und außerhalb angeworben, in die Garnison Ludwigsburg gebracht und von November 1786 an ausgebildet und ausgerüstet. Ende Februar 1787 war ein erstes Bataillon in Stärke von 962 Mann und 110 Offizieren marschbereit und wurde vom Herzog selbst vereidigt und verabschiedet. In einem Marsch über Vaihingen und Metz in Frankreich ging es nach Dünkirchen und per Schiff nach Vlissingen. Schon auf dem Marsch wurden viele krank, blieben zurück oder starben; ständig desertierten auch Soldaten. Das zweite Bataillon und die Artilleriekompanie kamen am 8. Oktober 1787 in Vlissingen an.
Zwischen dem 1. Juli und dem 22. Dezember 1787 wurden die Soldaten nach und nach auf neun Handelsschiffe der VOC verladen. Je nach Größe der Schiffe kamen 100 – 250 Personen an Bord. Zur Überfahrt brauchten sie im Durchschnitt vier Monate. Zwischen Oktober 1787 und Juli 1788 landeten die Schiffe am Kap der Guten Hoffnung. 137 Soldaten waren auf der Überfahrt gestorben, 262 kamen krank an. Von denen starben 121 kurz nach der Ankunft.
Kämpfe gab es zunächst keine, aber durch Krankheiten starben bis Mai 1791 weitere 532 Soldaten. Laut Vertrag sollte Württemberg die Verluste ersetzen, was nur teilweise geschah.
Von Oktober 1790 an verlegte die VOC zunächst Truppenteile des Regiments zur Niederschlagung von Eingeborenenaufständen auf Niederlassungen in Indonesien, Indien und Ceylon, so dass am Kap Ende 1791 fast keine Angehörige des Regiments mehr übrig waren. Reste des Regiments (1807: 229 Mann) bestanden dem Namen nach noch bis zur offiziellen Auflösung im Jahre 1808 und wurden in holländische Dienste übernommen.
Die Gesamtverluste sind nur schwer festzustellen. In den 20 Jahren des Kapregiments starben etwa 2300 Angehörige des Regiments. Ca. 450 kamen in Ceylon und Indien in britische Gefangenschaft und traten in deren Dienste, 229 wurden in holländischen Dienst übernommen, ca. 50 verabschiedet und blieben im Ausland. Nur etwa 100, vor allem höhere Dienstgrade, dürften in der ganzen Zeit nach Württemberg zurückgekehrt sein.
Soldaten des württembergischen Kapregiments. (Aus: Johannes Prinz: Das württembergische Kapregiment 1786-1808. Tragödie einer Söldnerschar. Stuttgart 1932)
Johann Michael Rauser
Der erste Bondorfer, der sich für das Kapregiment werben ließ war der 18-jährige Johann Michael Rauser. Er kam in Bondorf am 28. 2. 1768 als drittes Kind (von 10) zur Welt. Sein Vater war der Schmied Michael Rauser, der auch häufig als Taglöhner sein Brot verdiente. Seine Mutter Anna Maria, geb. Katz, stammte ebenfalls aus einer weitverzweigten Bondorfer Familie. Drei seiner Geschwister starben schon im frühen Kindesalter, seine sechs Schwestern heirateten später alle außerhalb von Bondorf.
Johann Michael erlernte in Bondorf das Küblerhandwerk. Zum Kapregiment ließ er sich schon im Herbst 1786 anwerben. Was ihn dazu veranlasst hat, geht aus den spärlichen Unterlagen und der Einschreibeliste nicht hervor und kann nur vermutet werden (Armut, Neugier, Abenteuerlust ?). Er wurde in der Ludwigsburger Garnison zum Füsilier (Infanterie) ausgebildet und in die 3.Kompanie des 1.Bataillons unter Hauptmann Uttenhouven eingeteilt.
Im Februar 1787 war das ganze 1.Bataillon ausgerüstet und bekleidet. Am 27. Februar begann der lange Marsch nach Holland. Über Vaihingen, den Rhein bei Iffezheim, Saarburg, Metz, Sedan, Cambrai und Lille ging der Weg nach Dünkirchen, das am 4. April erreicht wurde.
Das schlimme Wetter, die unzureichende Kleidung, die schlechten Nachtlager und mangelnde Verpflegung machten viele krank. Für 21 Soldaten, die bereits vor dem Absegeln gestorben waren, stellte der Regimentspfarrer im holländischen Fort Rammekens Totenscheine aus.
Am 12. April 1787 wurden die Mannschaften von Dünkirchen mit dem Schiff nach Vlissingen gebracht. Im nahe gelegenen Fort Rammerkens, wurden sie auf die Niederländisch-Ostindische Companie vereidigt und warteten dort auf die Einschiffung ans Kap. Das Schiff Johanna, auf das Rausers Kompanie eingeteilt war, segelte schließlich am 4. August 1787 ab. Zu diesem Zeitpunkt war der Bondorfer aber bereits tot. Schon bald nach seiner Ankunft im Fort Rammekens war Johann Michael Rauser „am Fieber“ erkrankt. Er wurde in „schlechtem Zustand“ in das Fortlazarett (Spital) gebracht, und ist dort am 3.Mai 1787 gestorben.
Der Regimentspfarrer, Magister Johann Friedrich Spoenlin, hatte die Aufgabe, die Totenscheine auszustellen und die Angehörigen zu benachrichtigen. Offensichtlich war er nicht selbst beim Ableben dabei, denn den Totenschein stellte er auf Grund des Sterbeeintrags im Lohnbuch des Regiments aus. Vielleicht hat er das Begräbnis gehalten?
Fort Rammekens östlich von Vlissingen auf der Halbinsel Walcheren in der niederländischen Provinz Zeeland. Hier warteten die württembergischen Soldaten des Kapregiments auf ihre Einschiffung nach Südafrika. Der Bondorfer Johann Michael Rauser erkrankte hier am Fieber und starb am 3. Mai 1787. (Bild: Wikimedia Commons / Rijksdienst voor het Cultureel Erfgoed – Lizenz: CC BY-SA 4.0)
Johann Jakob Sattler – der zweite Bondorfer Im Kapregiment
Vom zweiten Bondorfer Kapsoldaten, Johann Jakob Sattler, liegen weniger Unterlagen vor. Er wurde am 3. 2. 1767 in Bondorf geboren. Seine Mutter, die ledige Anna Maria Gengenbach, gab als Vater den Oeschelbronner Metzger Hans Jakob Sattler an, der dort eine eigene Familie mit Kindern hatte, sich aber zu seinem „im Ehebruch gezeugten“ Sohn bekannte. 1773 heiratete die Mutter den verwittweten Schneider Johann Georg Notter, der aus erster Ehe einen dreijährigen Sohn mitbrachte. Aus dieser Ehe gingen weitere fünf Söhne hervor, von denen aber nur zwei älter wurden.
Die Familie wohnte in Bondorf in einem Hausteil in der Haggasse. Grundbesitz war nur wenig vorhanden, denn der Mann stammte nicht aus dem Dorf. Dass es der Familie wirtschaftlich hier nicht gut ging, sieht man auch daran, dass der älteste Stiefbruder von Jakob als Schneider in Berlin Arbeit suchte, die andern beiden Brüder mit den Familien ihrer Kinder und Enkel bis 1832 alle nach Amerika ausgewandert sind. Alle Brüder und die männlichen Nachkommen waren Schneider oder Weber, so dass anzunehmen ist, dass auch Jakob einen dieser Berufe erlernt hatte.
Jakob hat sich erst im Frühjahr 1787 zum Kapregiment anwerben lassen. Die Motive dafür sind nicht bekannt. Auch er wurde in der Ludwigsburger Garnison ausgebildet und in die Artillerie – Kompanie unter Hauptmann Daniel von Schmidgall eingeteilt.
Wie das 1.Bataillon marschierte auch das zweite, dem die Mannschaften der Artillerie – Kompanie angehörten, am 2. September 1787 in Ludwigsburg ab und erreichte am 8.Oktober Vlissingen. Die Kanonen und die „schwere Bagage“ wurden auf dem Rhein transportiert und trafen erst später ein. Nach der Vereidigung auf die VOC wurden 225 Soldaten und die Geschütze auf das letzte der neun Schiffe, die „Reynord“ verladen, die am 27. November absegelte. Sie hatte mit 220 Tagen die längste Überfahrt aller Schiffe, da widrige Winde und mehrere fürchterliche Seeunwetter sie so vom Kurs abbrachten, dass sogar Südamerika in Sicht kam. Die hygienischen Verhältnisse an Bord waren katastrophal und bei der Ankunft des Schiffes am 4. Juli 1788 waren 28 Soldaten bereits während der Überfahrt gestorben. Weitere 150 waren so krank, dass man sie gleich ins Spital einliefern musste. Nur 12 Soldaten waren gesund geblieben.
Johann Jakob Sattler war vermutlich bei den Soldaten, die nach der Überfahrt krank ins Spital eingeliefert worden waren. Er sollte sich von den Strapazen auch nicht mehr erholten. In der Personalliste des Regiments ist nach seinem Namen nur eingetragen „Gemeiner bei der Artillerie“ und in anderer Schrift nachgetragen „+ gest. 18.Juli 1788“. Außer den 21 Totenscheinen, die in Abschriften bei den Regimentsakten liegen, sind keine weiteren mehr vorhanden, von Johann Jakob Sattler liegt keiner vor. Die Akten des Kapregiments, die im Stuttgarter Staatsarchiv liegen, sind eine Sammlung von schriftlichen Überbleibseln, die in Vielem aufschlussreich, aber auch sehr lückenhaft sind.
Über die beiden Bondorfer war außer dem Dargestellten nichts weiter zu ermitteln.
Der auf dem Hohenasperg eingesperrte Dichter Christian Friedrich Daniel Schubart hat 1787 zum Abzug des Kapregiments ein Lied gedichtet und vertont, das damals sehr populär wurde. Nach Augenzeugenberichten haben das „Kaplied“ auch die ausziehenden Soldaten begeistert gesungen, sicher nicht im Entferntesten ahnend, was sie alles erwarten würde.
Kaserne des Kapregiments in Kapstadt (1904 abgerissen). (Bild: Wikimedia Commons/Public Domain)
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Der Autor, Ulrich Joop, ehemaliger Bondorfer Schulrektor, forscht und arbeitet seit Jahrzehnten über die Geschichte der Gemeinde Bondorf und ihrer Bewohner.