Am Anfang einer neuen Zeit
Johannes Kepler
Erstveröffentlichung: Kennzeichen BB - Heimatkunde für den Landkreis Böblingen. Verlag Waldemar Lutz, Lörrach und Ernst-Klett-Verlage, Stuttgart 1987, S. 126-127.
„Sein vortrefflicher und herrlicher Geist lässt etwas Besonderes erhoffen.“
So schrieben im Dezember 1591 Bürgermeister und Rat der Freien Reichsstadt Weil der Stadt an die Universität Tübingen. In der kleinen Stadt ist man nämlich stolz auf den jungen Mann, der 20 Jahre zuvor in ihren Mauern geboren worden war: Johannes Kepler heißt er, und man ist sogar bereit, ihn mit 20 Gulden jährlich zu unterstützen.
Das kleine Weil der Stadt ist zwar arm, aber als Reichsstadt nur dem Kaiser untertan – und deshalb auch stolz und selbstbewusst. Und der junge Kepler studiert sogar in Tübingen, dessen Mauern die begabtesten Schüler und klügsten Lehrer des ganzen Herzogtums Württemberg beherbergen. Dass dieser Johannes Kepler aber sogar einer der berühmtesten Wissenschaftler aller Zeiten werden würde – das allerdings konnte damals noch niemand ahnen.
Aber Johannes hatte als Sechsjähriger in Leonberg etwas erlebt, was ihn nie mehr losgelassen und seinen weiteren Lebensweg bestimmt hatte: Eines Nachts zeigte ihm seine Mutter am Himmel ein Gebilde, das alle erschreckte und faszinierte – einen großen Kometen. Während die allermeisten Menschen einen fürchterlichen Schrecken bekamen, gab es damals aber schon einige, die auf der Suche nach Erklärungen für solche Erscheinungen waren. Auch Johannes war ein neugieriger Junge, der immer mehr wissen wollte. Deshalb wurde er auf Schulen geschickt, die vom protestantischen Herzog von Württemberg für „armer, frommer Leut Kinder“ neu geschaffen worden waren. Und eines Tages war er, der kleine, kränkliche Junge, sogar Student an der berühmten Universität von Tübingen.
Portrait von Johannes Kepler (1571-1630). Kopie eines verloren gegangenen Originals in der Sternwarte von Kremsmünster. (Bild: Wikimedia Commons/Public Domain)
Besonders heiß waren dort die Diskussionen über die Theorien des Astronomen Nikolaus Kopernikus. Der hatte nämlich die unglaubliche Behauptung aufgestellt, dass die Erde und alle anderen Planeten sich um die Sonne herumdrehen würden – und die Erde also nicht der Mittelpunkt des Weltalls sei, wie man es seit Jahrhunderten dachte.
Dieses Problem hat Kepler nie mehr losgelassen. Sein ganzes unruhiges Leben lang arbeitete er besessen daran, die Theorie des Kopernikus zu beweisen und zu verbessern. Das tat er in Graz, wo er 1594 als junger Mathematiklehrer, Kalender- und Horoskopmacher angestellt war – das tat er auch am kaiserlichen Hof in Prag, wohin er als schon berühmt gewordener Astronom weiter gezogen war. Denn als Protestant musste er das von Religionskämpfen geschüttelte Graz verlassen. Und nach dem Tode Kaiser Rudolphs fand er schließlich in Linz eine Anstellung, wo er 18 Jahre lang blieb.
Mit seinen Gesetzen über die Planetenbahnen war er noch berühmter geworden; denn mit denen lösten sich die vielen Widersprüchlichkeiten bei der Planetenbeobachtung auf: Alle Planeten – auch die Erde – laufen nicht auf Kreisbahnen, sondern auf Ellipsenbahnen um die Sonne. Das hatte Kepler nach jahrelangen, mühseligen Berechnungen herausgefunden. Aber die Zeiten wurden immer unruhiger, die Menschen wurden damals immer aufgeregter, als sich so viel zu ändern begann, wo Altes und Neues hart aufeinander stießen. Das erlebte Kepler selbst: Voller Schrecken hörte er, dass seine alte Mutter in Leonberg als Hexe angeklagt worden war. Seit 1618 wütete schon der Dreißigjährige Krieg in Deutschland. Der berühmte kaiserliche Feldherr Wallenstein lud Kepler in seine Residenz nach Schlesien ein. Dort sollte er ihm vor allen Dingen Horoskope aus den Sternen lesen; denn Wallenstein wollte unbedingt Vorhersagen über sein Kriegsglück bekommen. Nach kurzer Zeit aber reiste Kepler, müde und krank geworden, nach Regensburg. Dort wollte er vom Kaiser Geld einklagen. Bald nach seiner Ankunft starb er dort, am 15. November 1630 – sein Grab ist nicht erhalten.
In Weil der Stadt finden wir heute Johannes Keplers Geburtshaus, in dem ein kleines, interessantes Museum eingerichtet worden ist. Außerdem hat die Stadt ihrem weltberühmten Sohn auf dem Marktplatz ein großes Denkmal errichtet.
Seit 1871 thront Johannes Kepler auf einem mächtigen Sandsteinsockel mitten auf dem Weil der Städter Marktplatz. Das Denkmal wurde nach einem Entwurf des Nürnberger Künstlers August von Kreling in Bronze gegossen. (Foto: Landesmedienzentrum BW/Stuttgart)
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Verlages Waldemar Lutz in Lörrach und derErnst Klett Verlage, Stuttgart.
Internet-Links:
Kepler-Museum Weil der Stadt