Das KZ Außenlager Tailfingen
Autor: Volker Mall
Hermann Göring, der Reichsminister für Luftfahrt, verfügte am 17. August 1938 die Einrichtung eines Militärflugplatzes (Einsatzhafen I) auf der Gemarkung der Gemeinden Tailfingen, Hailfingen und Bondorf. Anfangs nur ein Nachtjägerflugplatz, von dem Einsätze gestartet wurden, wurde er 1944 zum Fliegerhorst ausgebaut. Neben der Erweiterung der Startbahn und dem Bau einer kleineren Startbahn in Richtung Südwest-Nordost waren v.a. Baumaßnahmen geplant, die die Flugzeuge angesichts der zunehmenden Luftüberlegenheit der Alliierten – vor feindlichen Angriffen schützen sollten. Als Arbeitskräfte setzten die Luftwaffe und die beteiligten Baufirmen schon seit September 1942 u. a. sowjetische und französische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter ein. Das Lager der OT bestand aus vier Baracken nördlich des Rollfeldes, daneben stand eine umzäunte Flugzeughalle, in der von September bis November 1944 eine Gruppe von etwa 350 aus Athen verschleppten Zwangsarbeitern untergebracht wurde.
Am 17. November 1944 stellte die SS im KZ Stutthof einen Transport mit 600 jüdischen Häftlingen zusammen, der zwei Tage später Tailfingen erreichte. Die meisten Gefangenen – etwa 550 – waren Ende Oktober aus Auschwitz-Birkenau weitertransportiert worden, andere kamen über Reval aus den estnischen Konzentrationslagern um Vaivara, und einige waren bereits im September aus dem Konzentrationslager Kaiserwald bei Riga nach Stutthof gebracht worden. Dem Nummernbuch der Verwaltung des Stammlagers zufolge stammten die 15- bis 60-jährigen Juden aus 16 verschiedenen Ländern, der größte Teil aus Polen und Ungarn.
Die Häftlinge wurden täglich nach dem Zählappell in Arbeitskommandos eingeteilt, in denen sie u.a. in den umliegenden Steinbrüchen körperliche Schwerstarbeit leisteten.
Von 258 Häftlingen ist das Todesdatum bekannt, vieles deutet aber darauf hin, dass nicht alle Toten erfasst wurden. Die meisten Sterbefälle gab es unter den ungarischen Juden.
Mahnmal für die Gedenkstätte des KZ-Außenlager Hailfingen/Tailfingen, Gestaltung: Rudolf Kurz, 2010, Deutschland, Baden-Württemberg, auf der Kreisgrenze der Landkreise Tübingen und Böblingen. (Bild: Kamahele, Wikimedia Commons/Public Domain)
Im Krematorium in Reutlingen wurden zwischen dem 21. November 1944 und dem 5. Januar 1945 99 Leichname des Tailfinger Lagers eingeäschert1. Außerdem kam am 3. 12. 1944 ein Transport mit 15 Leichen ins Krematorium nach Esslingen. Im Februar 1945 wurden 72 Tote in einem Massengrab auf dem Flugplatz begraben. Da nur für 211 Häftlinge ein Weitertransport zu anderen Außenlagern belegt werden kann, haben entweder auch die übrigen 389 Häftlinge Tailfingen nicht überlebt – oder es muss weitere – unbelegte – Transporte in andere Lager gegeben haben.
Angesichts des Vormarsches der Alliierten beschlossen SS und OT den Abbruch der Bauarbeiten und die Räumung des Flugplatzes für Mitte Februar 1945. In zwei Transporten kamen die Häftlinge nach Dautmergen und nach Vaihingen/Enz. Mindestens 48 der 111 Häftlinge, die am 13. Februar 1945 in das Sterbelager Vaihingen/Enz transportiert wurden, starben in den folgenden Wochen. Am 14. Februar 1945 brachten die Wachmannschaften die verbleibenden 100 Häftlinge von Tailfingen nach Dautmergen. Ende März schickte die SS einen Transport von Dautmergen nach Bergen-Belsen. Kurz vor der Befreiung schaffte sie die Häftlinge, die sie für transportfähig erachtete, sowohl aus Dautmergen als auch aus Vaihingen in das Außenlager des KZ Dachau in München-Allach.
Reste der Rollbahn des Kriegs-Flugplatzes Hailfingen-Tailfingen in einer landwirtschaftlich genutzten Fläche – Deutschland, Baden-Württemberg, auf der Kreisgrenze der Landkreise Tübingen und Böblingen. (Bild: Kamahele, Wikimedia Commons / Public Domain)
Quelle:
Dorothee Wein/Volker Mall/Harald Roth: Hailfingen. In: Wolfgang Benz/Barbara Distel (Hrsg.): Gesamtgeschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 6, München 2008.
Mit freundlicher Genehmigung des Autors.
2010 wurde die KZ Gedenkstätte Hailfingen- Tailfingen, ein Mahnmahl und ein Dokumentationszentrum im Rathaus Tailfingen eingeweiht.
Linkliste:
Homepage der KZ Gedenkstätte Hailfingen Tailfingen
Wikipedia: KZ-Außenlager Hailfingen Tailfingen
KZ Gedenkstätte Hailfingen Tailfingen auf museen-bb
Referenz
1. | ↑ | Einäscherungsverzeichnis für Schutzhäftlinge, in: StadtA Reutlingen, Friedhofsverwaltung Nr. 304; Rechnungen der Friedhofverwaltung an die Oberbauleitung der OT Balingen, Abschnitt Hailfingen K.Z.-Lager, in: ebenda. |