Der Leonberger Landtag 1457
Autoren: Bernadette Gramm / Eberhard Walz
Wenige Jahre nach der im „Nürtinger Vertrag“ festgelegten Teilung Württembergs in einen Stuttgarter und einen Uracher Landesteil (1442-1482) war Graf Ludwig I. in Urach gestorben. Graf Ulrich V. in Stuttgart wurde Mitvormünder seiner beiden Uracher Neffen. Da Ulrichs Versuch, die Uracher Außenpolitik in seinem Sinne zu gestalten, am Widerstand des Bruders der Witwe (Gräfin Mechthild von der Pfalz), Pfalzgraf Friedrich, und der pfalzfreundlichen adligen Uracher Räte scheiterte, wandte er sich Unterstützung suchend an die bürgerliche Oberschicht, die sog. Landschaft. Damit Ulrichs Stuttgarter Landschaft auf die Uracher Landschaft Einfluss in seinem Sinne ausübte, versprach er ihr zukünftige Beratungsrechte. Die Atmosphäre war schon sehr gereizt, als 1457 der ältere Uracher Neffe (Ludwig II.) starb.
Jetzt verlangte Ulrich kategorisch die Alleinvormundschaft über den 12jährigen Eberhard, den nachmaligen Graf Eberhard V. im Bart. Onkel Friedrich widersetzte sich energisch. Die Lage spitzte sich zu; eine militärische Konfrontation bahnte sich an. Deshalb beriefen die Uracher Räte den Landtag nach Leonberg. Die Kontrahenten erschienen nicht selbst. Für den Fall aber, dass der Landtag zu seinen Gunsten entscheiden würde, versprach Ulrich der Landschaft erhebliche zukünftige Rechte. Tatsächlich übertrug der Landtag Ulrich am 17. November 1457 die Alleinvormundschaft, freilich mit vielen Einschränkungen und Auflagen. Zudem wurde Eberhard schon zwei Jahre später- 1459 – als 14jähriger für volljährig erklärt und übernahm selbst die Regierung seiner Uracher Landeshälfte.
Das für Württemberg bedeutendste Ergebnis des Landtags war die vertraglich gesicherte Beteiligung der Landschaft an der vormundschaftlichen Regierung. Zwar galt diese Beteiligung nur bis zu Eberhards Volljährigkeit. Nachdem es aber jetzt den Landtag als Institution gab, wurde er von den Grafen immer wieder um Unterstützung angegangen, so von Ulrich bei der Auseinandersetzung mit seinen Söhnen, von Eberhard für die Wiedervereinigung beider Landesteile unter seiner Alleinherrschaft nach Ulrichs Tod (1482). 1498 setzte der Landtag den regierungsunfähigen Sohn Ulrichs, Herzog Eberhard II., mit kaiserlicher Zustimmung ab. Und 1514 zwang die Landschaft den Enkel, Herzog Ulrich, zum Tübinger Vertrag, der Magna Charta Württembergs.
Graf Ulrich V. der Vielgeliebte auf einer um 1460/70 datierten Bildtafel im Württ. Landesmuseum Stuttgart. (um 1470). (Bild: Wikimedia Commons / Public domain)
Weil die Urkunden keinen Aufschluss geben, konnte ein heftiger Lokalstreit über das richtige Tagungsgebäude ausbrechen. Die von Anfang an umstrittene Gedenktafel am Schwarzen Adler ist 1874 entstanden in der durch die Reichsgründung von 1871 ausgelösten Atmosphäre geschichtlichpatriotischer Schwärmerei. Unbestritten hat das Steinhaus 1457 gestanden, und es dürfte auch Landtagsteilnehmer beherbergt haben. Aber als Pfleghof des seinerzeit noch nicht zu Württemberg gehörenden Zisterzienserklosters Bebenhausen war es wohl kaum das richtige Versammlungsgebäude für einen württembergischen Landtag. Zu klein war es zudem. Es spricht schon einiges dafür, dass der Landtag in der Burg zusammengetreten ist.
Wichtig ist uns freilich nicht das Tagungsgebäude, wichtig ist uns das in seiner Folgewirkung so bedeutende Ereignis. Immerhin war es das erste Mal, dass Bürgerliche landespolitisch mit entschieden haben und vertraglich an der Regierung beteiligt wurden. Zu Recht gilt deshalb Württemberg als die älteste Demokratie auf deutschem Boden. Der erste Schritt aber in die Demokratie war der Landtag in Leonberg.
Die Sandsteintafel am Schwarzen Adler erinnert seit 1874 an den Leonberger Landtag (1457). Das Tagungsgebäude ist urkundlich nicht nachgewiesen. (Foto: S.Schmidt)
Erstveröffentlichung: Historischer Altstadtführer Leonberg, 2. Auflage, Leonberg 1996, S. 58-59
Mit freundlicher Genehmigung der Autoren und der Stadt Leonberg
Literaturhinweise