Schloss Böblingen als Witwensitz des Hauses Württemberg
Mechthild von der Pfalz
Autor: Dr. Günter Scholz
Die Gräfin, spätere Herzogin und Erzherzogin Mechthild, wurde 1419 in Heidelberg geboren. Ihr Vater, Kurfürst Ludwig III., der Bärtige, von der Pfalz, war Begründer der berühmten Heidelberger Bibliotheca Palatina. Mechthilds Urahn, Kurfürst Ruprecht von der Pfalz, hatte die Heidelberger Universität 1386 gegründet. Durch ihre von den Zeitgenossen wegen ihrer Frömmigkeit und Mildtätigkeit gerühmte Mutter gleichen Namens und durch ihre Schwägerin Margarete war Mechthild mit dem Haus Savoyen verwandt. Der Sinn für Wissenschaft und Kunst war Mechthild von ihrer Herkunft her gleichsam in die Wiege gelegt und blieb zeitlebens ein hervortretendes, ihren Nachruhm begründendes Wesensmerkmal.
Bereits im Jahr ihrer Geburt wurde Mechthild mit dem damals achtjährigen Grafen Ludwig von Württemberg verlobt. Die zwischen Kurfürst Ludwig III. von der Pfalz und der verwitweten Gräfin Henriette von Württemberg geschlossene Heiratsabrede sah für Mechthild ein Heiratsgut von 30 000 Gulden vor. Den gleichen Betrag sollte der künftige Gatte als “Widerlage“ einbringen. Die Einkünfte aus dem Gesamtbetrag von 60 000 Gulden wurden auf die Städte Böblingen und Sindelfingen versichert.
Die Hochzeit fand im Oktober 1434 in Stuttgart statt. Zur Sicherung ihres Witwengutes und der Widerlage verschrieb Graf Ludwig I. seiner Gemahlin am 18. Oktober 1436 Böblingen, Sindelfingen sowie Aidlingen, Dagersheim, Darmsheim, Dettenhausen, Döffingen, Holzgerlingen, Magstadt, Maichingen, Ostelsheim, Schönaich und Steinenbronn.
Von den Kindern, die aus der Ehe hervorgingen, blieben vier länger am Leben. 1445 wurde der spätere Graf bzw. Herzog Eberhard im Bart geboren.
In die Regierungszeit des Grafen Ludwig fällt die Teilung Württembergs in einen Stuttgarter und einen Uracher Landesteil (1442). Zum letzteren gehörte Böblingen.
Mechthilds Eheglück zerbrach jäh, als Ludwig im September 1450 von einer Seuche dahingerafft wurde. Im Alter von 31 Jahren war Mechthild in der Blüte ihrer Jahre Witwe geworden; ihr Einfluss am Uracher Hof war entscheidend geschwächt. Außerdem kam es mit ihrem Schwager, Graf Ulrich V., dem Regenten des Stuttgarter Landesteils, zu Auseinandersetzungen wegen der Vormundschaft über ihre Kinder. Nicht zuletzt aus Verdruss darüber zog sich Mechthild auf ihren Witwensitz Böblingen zurück.
Doch kaum weilte sie ein Jahr auf Schloss Böblingen, da gedachte sie sich wieder zu vermählen. Um ihre Hand ließ Erzherzog Albrecht VI., der Regent der Vorderösterreichischen Lande und Bruder Kaiser Friedrichs III., anhalten. Am 3. November 1451 kam unter Vermittlung des Markgrafen Albrecht von Brandenburg in Böblingen die Heiratsabrede zu Stande; dabei ging es nicht zuletzt um die Frage der Mitgift der begehrten Witwe: Mechthild brachte 73 000 Gulden in die Ehe ein, davon behielt sie sich die Verwendung von 30 000 Gulden vor. Die restlichen 43 000 Gulden sollte Albrecht in gleicher Höhe als Sicherheitsleistung einbringen. Ausdrücklich festgehalten war, dass Mechthild für Schulden ihres zukünftigen Gemahls nicht aufkommen würde.
Gräfin Mechthild (links) mit Margarete Württemberger, Tochter Graf Eberhards im Bart, Straßburg, um 1477. Glasfenster im Chor der Tübinger Stiftskirche. (© Landesmedienzentrum Baden-Württemberg / Robert Bothner. Signatur LMZ991966)
Mit der Böblinger Fürstenhochzeit, die um den 10. August 1452 stattfand, erlebte Böblingen vielleicht das prachtvollste Ereignis seiner Geschichte.
Im Codex Ingeram des Kunsthistorischen Museums Wien sind uns Abbildungen Mechthilds und Albrechts aus der Zeit der Böblinger Fürstenhochzeit überliefert. Sie zeigen Mechthild als Dame voll Anmut und Liebreiz in einem kostbaren, eng gegürteten Gewand, das sie mit der Linken zum Schreiten anhebt, wobei ein Teil ihres modisch beschuhten Fußes sichtbar wird. In der Rechten hält sie einen Spiegel - Sinnbild weiblicher Eitelkeit und Klugheit.
Eine Beschreibung der Böblinger Hochzeitsfeier ist nicht überliefert. Man kann davon ausgehen, dass sie ähnlich aufwändig wie die Hochzeit von Mechthilds Sohn, Graf Eberhard im Bart von Württemberg mit der Fürstin Barbara Gonzaga von Mantua 1474 in Urach begangen wurde. Durch die Ehe mit Albrecht VI. wurde Mechthild Schwägerin des Kaisers und damit nach der Kaiserin zur ranghöchsten Dame des Reiches. Die Ehe, die kinderlos blieb, war für beide Teile wohl vor allem eine Vernunftehe. Albrecht hatte es auf das Heiratsgut Mechthilds abgesehen; dieser ging es um die Sicherung ihrer eigenen Rechte und Ansprüche sowie um Aufwertung ihrer Rangstellung. Mechthild hielt in Rottenburg Hof, der Gatte frönte der Fehde in fernen Landen. Nur bei seltener Gelegenheit begegneten sich die Ehegatten noch nach 1455. Erzherzog Albrecht VI. starb 1463 in Wien. Im Alter von 44 Jahren war sie zum zweiten Mal Witwe geworden; eine weitere Ehe ging sie nicht mehr ein.
Mechthild war eine Gönnerin der Wissenschaft, Literatur, Musik und der Bildenden Künste. An ihrem Musenhof scharte sie Poeten und Künstler um sich. Wir dürfen davon ausgehen, dass sie ihren geistigen Neigungen nicht nur in Rottenburg, sondern auch in Böblingen nachging. Ihre Residenz machte Mechthild zu einer Heimstätte für die Ritterdichtung des ausgehenden Mittelalters.
Als gebildete und selbstbewusste Fürstin, die sich im Umgang mit Gelehrten und Künstlern frei bewegte und ein für das 15. Jahrhundert charakteristisches ungezwungenes Verhältnis zum Erotischen besaß, geriet Mechthild bei manchen Chronisten mit einer engen Auffassung von Sitte und Moral bisweilen ins Zwielicht. In der für Klatschgeschichten aufgeschlossenen Zimmerischen Chronik des 16. Jahrhunderts wird sie als fleisch- und mannsgierig dargestellt.
Das geistige Wirken Mechthilds blieb nicht auf ihren Hof beschränkt: in enger Verbindung mit ihrem Sohn, Graf bzw. Herzog Eberhard im Bart machte sie Württemberg zu einem Zentrum des Frühhumanismus. Als Nachfahrin des Heidelberger Universitätsgründers hatte sie Anteil an der Errichtung von zwei Landesuniversitäten Baden-Württembergs: Freiburg (1457) und Tübingen (1477). An die Gründung der Universität Tübingen und ihre materielle Ausstattung durch die Einkünfte des nach Tübingen verlegten Chorherrenstiftes erinnert noch heute das Stifterrelief in der Sindelfinger Martinskirche, das die Gräfin Mechthild und ihren Sohn Graf Eberhard vor dem Erlöser kniend zeigt.
Mechthild war nicht nur den Wissenschaften sondern auch dem Glauben und der Kirche zugetan. Das Kloster Hirsau unterstützte sie in einem Maße, dass sie als dessen zweite Stifterin bezeichnet wurde. Letzteres war auch für die Böblinger Kirchengeschichte von Bedeutung: 1468 veranlasste Mechthild die Einverleibung (Inkorporation) der Böblinger Pfarrkirche mit samt ihren Einkünften, Zehnten etc. nach Hirsau.
Mechthild behielt ihr Witwengut Böblingen auch nach ihrer Wiederverheiratung bei und hielt sich immer wieder in Böblingen und im Böblinger Raum auf. Noch heute ziert ihr Wappen den Schlussstein der Kirche in Holzgerlingen. In ihrem Todesjahr versprach ihr Graf Eberhard für die Abtretung des Böblinger Forstes jährlich in zehn Fässlein eingelegte Hirsche und an Weihnachten, Ostern, Pfingsten und in der Fastnacht grünes Wildbret in die Küche zu liefern.
Am 22. August 1482 starb Mechthild im Alter von 63 Jahren in Heidelberg. Beigesetzt wurde sie in der Kartause Güterstein an der Seite ihres ersten Gemahls, Graf Ludwig I. von Württemberg. Ihre Särge und Grabmahle wurden 1554 in den Chor der Tübinger Stiftskirche überführt.
Erstveröffentlichung: Böblingen macht Lebensgeschichte(n) - 750 Jahre Böblingen. Eine Sonderveröffentlichung der Kreiszeitung/Böblinger Bote vom Oktober 2003.
Der Text wurde gekürzt.
Mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Kreiszeitung/Böblinger Bote.
Der Autor, Dr. Günter Scholz, studierte Geschichte, Politikwissenschaften und Anglistik an der Universität Tübingen. Seit 1981 leitete er das Böblinger Stadtarchiv, später auch das von ihm konzipierte Bauernkriegsmuseum. Von 1993 bis 2005 leitete er das Böblinger Kulturamt.
Beim Kunsthistorischen Museum Wien bedanken wir uns für die Abbildungsgenehmigung aus dem Codex Ingeram.
Auf Initiative des Landeshistorikers Gerhard Raff wurde im September 2002 auf dem Böblinger Marktplatz eine Gedenkstele für Gräfin Mechthild eingeweiht. Lesen Sie hier den Bericht der Kreiszeitung/Böblinger Bote vom 29. 09. 2002.
Mechthild tauften die Böblinger ein speziell zum 750. Stadtjubiläum gebrautes Bier. Lesen dazu den Beitrag der Kreiszeitung/Böblinger Bote vom 20. 12. 2003 Mechthild: eine Erfolgsgeschichte geht zu Ende
Literaturhinweise
Das Schloß sich hoch erhebend …“ – Der Böblinger Schloßberg und seine Geschichte.
Mit Beiträgen von Günter Scholz und Hansmartin Ungericht, hrsg. von Günter Scholz, Böblinger Museen 1997.
Fürstliche Witwen auf Schloß Böblingen
Ausstellungskatalog (Zehnscheuer Böblingen), hrsg. von Dr. Günter Scholz unter Mitarbeit von Sabine Ferlein, Böblingen 1987.
Darin die Artikel von Günter Scholz: Mechthild von der Pfalz, S. 36-44;
Sabine Ferlein: Mechthild von der Pfalz als Literaturmäzenin, S. 57-66,
sowie dieselbe: Mechthild von der Pfalz als literarische Gestalt, S. 67-78.