Von Dagersheim über Basel nach Indien
Indienmissionar Friedrich Ziegler und Hausvater Immanuel Christian Kolb
Autor: Erich Kläger
Von Dagersheim über Basel nach Indien
Autor: Erich Kläger
Im März 1822 bekam der Haushalt des ledigen Schulmeisters Immanual Gottlieb Kolb (1810-1894) in Dagersheim Zuwachs, als der Sohn seines Bruders in Geradstetten nach dessen Tod bei ihm Aufnahme fand. Seine Mutter entließ ihn mit der Sorge, “Was wird nur aus dem Christian werden?“
Dank der Kolb-Forschung des Dagersheimer Pfarrers Willi Bidermann wissen wir, was aus Immanuel Christian Kolb später geworden ist. Zunächst ein Schulmeister wie sein Vater, sein Großvater und die beiden Brüder seines Vaters. Unter dessen pädagogischem Unverstand wurde Sohn Immanuel Christian zum Schulversager; unter der geschickten Führung durch Onkel Gottlieb zu einem erfolgreichen Absolventen der Schulmeister-Ausbildung. Noch vor seiner Dienstprüfung war er als Provisor1 an der Schule in Dagersheim tätig. Diese besuchte von 1838 -1846 der kleine Friedrich Ziegler aus dem Ort, dessen Eltern treue Anhänger der Hahn‘ schen Gemeinschaft waren. Hier kreuzten sich die Lebenswege von Immanuel Christian Kolb und Friedrich Ziegler, der damals noch nicht wissen konnte, dass er einmal die älteste Tochter dieses Kolbs, Juliane, zur Frau nehmen sollte.
Vom Dagersheimer Schulmeister zum Hausvater in Basel
Folgen wir zunächst Kolb, der alle Zukunftsmöglichkeiten als Schulmeister in Württemberg ausschlug, um 1845 eine Berufung zum Vorsteher der Missionsvoranstalt in Basel anzunehmen. Das Basler “Missionsinstitut“ war 1815 u.a. von dem Stuttgarter Pfarrer C. Gottl. Blumhardt gegründet worden, der auch dessen erster Inspektor (Direktor) wurde. Hier wirkte Immanuel Christian Kolb 36 Jahre als Hausvater seiner Voranstalt und dessen Lehrer. Und hier nun kam es zur zweiten Begegnung mit Friedrich Ziegler, der 1857 ebenfalls als Lehrer dorthin berufen wurde und in der Familie Kolb Aufnahme fand.
Als Missionar nach Indien
Ziegler bereitet sich hier [in Basel] auf einen Missionsdienst in Indien vor und das hieß Forcierung des theoretischen, insbesonderen des Sprachunterrichts und daneben eine praktische Ausbildung als Handwerker.
1862 war es soweit: Friedrich Ziegler wurde als Missionar nach Indien entsandt in die Station Mangalur (Westküste). Hier unterrichtet er zunächst an der englischen Missionsschule, deren Leitung ihm bald übertragen wurde. Siegfried Greiner hat den Lebensweg Zieglers erforscht und aufgezeichnet; er schreibt: “Ziegler wäre nach seinem eigenen Dafürhalten kein richtiger Missionar gewesen, wenn er sich nur in der Schularbeit betätigt hätte. Denn das Höchste war und blieb ‚Seelen für den Heiland zu gewinnen‘ durch Predigt, Katechese und Taufe.“ Diesen Auftrag erfüllte er durch mehrere Predigtreisen ins Innere des Landes. Schwere gesundheitliche Probleme bei beiden Eheleuten, – Ziegler hatte inzwischen geheiratet – , zwangen zu einem Erholungsaufenthalt; auf der Reise dorthin starb ihr erstes Kind.
Immanuel Christian Kolb (1810-1894), ein Neffe des berühmten Dagersheimer Schulmeisters, wirkte 1846-82 als Hausvater im Basler Missionsinstitut. Er starb 1894 in Korntal. (Foto: August Höflinger, Basel. Copyright Archiv der Basler Mission, ref.-no QS-30.008.0023)
Die Rückkehr 1867 erfolgte an eine andere Station, 300 km nördlich der ersten. Sein Vorgänger hatte ihm eine Gemeinde mit 120 Christen zurückgelassen; doch der Boden erwies sich für den Missionar als sehr steinig; im Gegensatz zu anderen Gebieten gab es kaum Übertritte zum Christentum. Ziegler schickte Reformvorschläge nach Basel, die aber zu nichts führten. Doch seine pädagogische Arbeit war sehr verantwortungsvoll; Ziegler war Lehrer an einer höheren Schule und Schulinspektor für die Missionsschulen des Bezirks; außerdem Leiter einer Knaben-Waisenanstalt. Hier vor allem wurde er von seiner Frau Juliane tatkräftig unterstützt. Nebenbei arbeitete Ziegler an der Herausgabe von Schulbüchern und veröffentlichte 1876 ein “Englisch-Kanaresisches Schulwörterbuch“; darauf folgte ein englisch geschriebener “Praktischer Schlüssel für die kanaresische Sprache“, die für viele Europäer zu einer guten Einführung wurde. Hier wiederholte sich das Beispiel von Hermann Hesses Großvaters, des Missionars und Sprachwissenschaftlers Hermann Gundert (1811-1893).
Beim ersten Heimataufenthalt (zunächst in Basel) wurden die beiden Kinder wie schon ein vorausgegangenes in die Heimschule der Basler Mission aufgenommen. Nach der Rückkehr nach Indien bekam das Paar noch einmal vier Töchter. Ziegler nutzte die Zeit im übrigen zu Beiträgen über Land und Leute. Sein zweiter Indienaufenthalt dauerte von 1877 bis 1886: Ziegler stand auf der Höhe seiner Wirksamkeit; er war Leiter der Höheren englischen Missionsschule und Bezirksschulinspektor; er beteiligte sich als Baumeister beim Schulhausbau und führte die Arbeit an seinem Wörterbuch fort. Sowohl in Schul- wie in Missionsfragen erbat man seinen Rat, auch von englischen Regierungsbeamten. Schließlich errang er einen Sitz im Stadtrat von Dharwar, wo er wirkte. Auf der Suche nach dem Standort einer neuen Missionsstation begab er sich auf Reisen, über die er in anschaulicher Weise berichtete.
Auf Heimaturlaub
Im Jahre 1886 nahm die Familie ihren zweiten Heimaturlaub, bei dem sie erstmals alle ihre 8 Kinder um sich versammeln konnte, die mittlerweile alle in Basel lebten, und sie trafen in Korntal mit Vater, Großvater und Schwiegervater Immanuel Christian Kolb zusammen, der dort im Ruhestand lebte. 1888 kehrte das Ehepaar für die letzten sieben Jahre nach Indien zurück, Jahre, in denen Ziegler noch einmal ein fruchtbares Wirken entfalten konnte; doch die Krankheit von Juliane Ziegler zwang 1895 zur Rückkehr nach Korntal, wo diese ein Jahr darauf nach aufopferungsvoller Mitarbeit in der Mission verstarb. Friedrich Ziegler schloss seinen Dienst als Inspektor der Großheppacher Anstalt für Kleinkinderpflegerinnen. Er wurde 1904 unter großer Anteilnahme zur letzten Ruhe gebettet.
Friedrich und Juliane Ziegler im Kreise ihrer 8 Kinder, Aufnahme zwischen 1.1.1888 1.1. 1890. Die Datierung erfolgt aufgrund einer Schätzung mittels des Geburtsdatums der jüngsten Tochter, geb. 1881. (Foto: Hermann Brandseph, Stuttgart. Copyright Archiv der Basler Mission, ref.-no QQ-30.069.0055)
Erstveröffentlichung: Böblingen – Geschichte in Gestalten. Von den Anfängen bis zum Ende der Ära Brumme, von Erich Kläger in Zusammenarbeit mit Hans-Jürgen Sostmann, Ameles Verlag, Böblingen 2003, S. 171-172.
Mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Bildarchivs der Basler Mission.
Literaturverzeichnis:
Willi Biedermann:Was wird wohl aus dem Christian werden?, 1986.
Johann Georg Ziegler: Schilderung seines Lebens und Wirkens, Stuttgart 1873.
Siegfried Greiner: Friedrich Ziegler aus Dagersheim, 1832-1908. In: Aus Schönbuch und Gäu Nr. 6ff/1974.
Wilhelm Schlatter: Geschichte der Basler Mission 1815-1915, Bd. II Indien und China.
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