Der Leonberger Münzvertrag zwischen Baden und Württemberg vom 2. Juli 1475
Leonberg im wirtschaftspolitischen Mittelpunkt
Autor: Dr. Michael Geyer
Im Spätmittelalter fand in Leonberg eines der zentralen Ereignisse der württembergischen Geschichte statt, der erste württembergische Landtag überhaupt, nämlich der Leonberger Landtag von 1457. Unter Beteiligung des Adels und der Landschaft (entsandten Vertretern der württembergischen Amtsstädte) wurde auf diesem Landtag die Vormundschaft Graf Ulrichs V über seinen Neffen Eberhard bis zu dessen Volljährigkeit geregelt. Das uns hier interessierende Ereignis, ebenfalls eng verbunden mit Leonberg, ist weit weniger bekannt, aber für die damalige Zeit genau so wichtig, deshalb verdient es sehr wohl (wieder) ins Licht der Öffentlichkeit gerückt zu werden, wissen wir doch heute mit dem Euro um die Bedeutung eines gemeinsamen Geldes in einem größeren Wirtschaftsgebiet.
Im Spätmittelalter löst die Geldwirtschaft immer stärker die Naturalwirtschaft ab. Auch die Landesherrschaft geht zunehmend darauf über, die ihr zustehenden Naturalabgaben und Dienstleistungen sukzessive durch Geldzahlungen zu ersetzen, wird doch dadurch eine Planung des Staatshaushalts eher möglich, und eben eine solche Budgetierung ist ein Kennzeichen des modernen Staats.
Eine Voraussetzung hierfür ist eine Wertfixierung der sich im Umlauf befindlichen Münzen. Dass sich eine solche Wertfixierung auch auf die eigene Wirtschaft im Lande positiv auswirken würde, steht außer Zweifel, weiß man doch nun verbindlich, was in welcher Münze bezahlt wie viel wert ist und umgekehrt.
Wenn dies für ein Territorium gilt, dann gilt dies umso mehr, wenn es gelingt, diese Wertverbindlichkeit gleichzeitig auf mehrere Territorialherrschaften zu übertragen. Eben dies geschieht im Leonberger Münzvertrag von 1475.
Die Markgrafen Christoph und Albrecht von Baden und die Grafen Eberhard d.Ä. und Ulrich von Württemberg regeln den Wert des rheinischen Goldgulden und die Umlauffähigkeit bestimmter Münzsorten (Württemberger, Badener, Konstanzer und Ulmer Münzen), da „bißher durch anderung und inbruch fremder mintzen unns, unnseren lande und luten mercklicher schwerer schad und verlust zugestannden ist“.
Um bei aller herrschaftlicher Selbständigkeit ein noch größeres Wirtschaftsgebiet mit gleichem Geld zu bekommen, wird auf die Reichsstädte Reutlingen, Eßlingen, Rottweil und Weil der Stadt und die Herrschaft Hohenberg Druck gemacht, diesem Münzvertrag beizutreten. Bei einer Strafe von 2 Pfund Hellern erlauben sie ihren Untertanen nur den Besuch solcher Märkte, “in den gezircken unserer lande, wo man die obgemelten muntzen nach lut dieser Ordnung nympt und gibt“. Jährlich soll zur Kontrolle eine Münzprobe gemacht werden. Die Laufzeit des Vertrags soll 10 Jahre betragen.
Die beiden Territorialstaaten bemühen sich erfolgreich um die Schaffung eines größeren Währungs- und Wirtschaftsgebiets. Natürlich können auch Abgrenzungsbemühungen gegenüber der Pfalz oder Österreich, deren Münzen nicht mehr akzeptiert werden, eine Rolle gespielt haben. Wie dem auch sei, eine Monokausalität gibt es ja in der Geschichte ohnehin nicht.
Wie sorgfältig diese Regelungen umgesetzt wurden, zeigt sich daran, dass es offensichtlich zu einem Mangel an umlauffähigen Zahlungsmitteln kommt. Aus diesen Gründen einigen sich 1478 und 1479 Württemberg und Baden darauf, gemeinsam Heller, Pfennige und Schillinge in einem Gesamtwert von 11 000 Gulden zu schlagen. Das Volumen des ausgebrachten Geldes ist erheblich und hat den Mangel an umlauffähigem Geld behoben, wurden doch 408.768 Heller, 3.334.308 Pfennige und 127.366 Schillinge ausgebracht.
Der 1479/80 in Tübingen geprägte Gemeinschaftsschilling zeigt zu ersten und letzten Mal die Wappen beider Territorien auf einer gemeinsamen Münze.
1480 findet durch den Thronverzicht Ulrichs V die Gemeinschaftsprägung mit Baden ein abruptes Ende. Schade.
1374 hatte Kaiser Karl IV Graf Eberhard II das Münzrecht verliehen. Mit dem nach dem Vorbild der alten Münzstätte Schwäbisch Hall geschlagenen Heller betrat Württemberg den numismatischen Boden der Geschichte. (Bild: M. Geyer)
Mit freundlicher Genehmigung des Autors
Der Historiker, Dr. Michael Geyer, unterrichtete bis zu seinem Ruhestand Geschichte am Johannes-Kepler-Gymnasium in Leonberg und gehört zu den Mitbegründern des Arbeitskreises „Zeitreise-BB“ am Böblinger Kreismedienzentrum.
Der Text des Münzvertrags von Leonberg zwischen Baden und Württemberg liegt im Hauptstaatsarchiv Stuttgart und ist dort unter A 602 WR 4738 oder unter A 602 Nr. 740 = WR 740 registriert.