Zur Schulgeschichte von Neuweiler
Autor: Felix Burkhardt
Im Jahre 1741 setzte der Spezial1, ermächtigt durch eine Anordnung vom 31. 1. 1741, Hans Jerg Haisch in den Schuldienst zu Neuweiler ein, das kirchlich zu Weil im Schönbuch gehört. Durch Anstellung eines Schulmeisters im Ort sollte ein regelmäßiger Schulbesuch erreicht werden; waren doch die Kinder unfleißig über Feld zur Schule geschickt worden. Mit 29 Kindern begann der neue Schulmeister seine Arbeit. Der Lohn, der ihm zugedacht wurde, war sehr gering: 2 Scheffel Dinkel und 2 Simri2 Roggen wurden ihm zur Besoldung geschöpft. Unter Anleitung des Pfarrers verrichtete er sein Amt mit Nutzen.
Der Schulmeister, der 6 eigene Kinder zu versorgen hatte, hielt auch Sommerschule, doch war diese nicht so gut besucht wie die Winterschule. 1744 hatte er 32 Winter- und 19 Sommerschüler. Man fand 1742, daß der Mann bei diesem geringen Schuldienst schon tüchtig sei. 1748 gab man ihm das gute Zeugnis, daß sich bei seiner aus 30 Kindern bestehenden Schule nunmehr Fortschritte zeigten.
1750 war Schulmeister Haisch verstorben. Sein Nachfolger wurde Johann Jakob Mann. Er hatte 1751 28 Schüler. Obwohl auch er schlecht besoldet wurde, brachte er die Schule in einen besseren Stand.
1755 wurde die Neuweiler Schule von Johann Martin Stäbler als Provisor3 nicht übel versehen. Er war der Sohn des Breitensteiner Schulmeisters. Pfarrer und Gericht gaben ihm das beste Zeugnis. Er zeigte sich als munterer Mann von unsträflicher Aufführung (1764), besaß gute Gaben und willigen Fleiß, hielt auch eine feine Zucht, mußte sich aber mit einer sehr geringen Besoldung von 20 Gulden4 begnügen. Von Breitenstein wanderte er nach Neuweiler und unterrichtete hier die Kinder im Hause einer Witwe, die für den Raum vom Heiligen5 3 Gulden erhielt. Anfangs hatte er wenig Schüler; 1763 waren es 6 Knaben und 5 Mädchen. Der Ort hatte damals 93 Einwohner.
Als er 1769 als Nachfolger seines verstorbenen Vaters die Schule in Breitenstein übernahm, stellte er für Neuweiler einen Provisor an. Dieser war nur im Winter tätig; im Sommer hielt der Schulmeister selbst die Schule an drei Tagen in der Woche. Die Schulgehilfen erfüllten nicht immer die Erwartungen der Eltern von Neuweiler. 1785 brachten die Vorstände beschwerend an, der Schulmeister stelle immer nur einen schwachen Provisor auf. Der Schulmeister war um eine Entgegnung nicht verlegen; er sagte, die Leute von Neuweiler sollten ihn besser besolden, dann würde er auch bessere Provisoren stellen. Ein vorzüglich guter Mensch gehe nicht nach Neuweiler, sonderlich um einen schlechten Lohn.
1793 besaß der Ort ein eigenes Schulhaus, der Gemeinde zugehörig, die es auch im Bau zu erhalten hatte. Der Breitensteiner Schulmeister Stäbler hätte es nun gern gesehen, wenn die Neuweiler sich zum eigenen Schulhaus auch einen eigenen Schulmeister zugelegt hätten. Für den Provisor musste er Sorge tragen, ihn auch beköstigen. Die Lebensmittel, brachte er vor, seien teuer, die Besoldung zu klein. Er könne keinen Provisor dafür halten.
Zu einem Schulmeister kam Neuweiler 1795. Christoph Friedrich Kolb, zu Dagersheim am 8.4.1752 geboren, trat in diesen Dienst. Er war in Schönaich Schulmeister gewesen und 1795 entlassen worden. Von Schönaich, wo er wohnte, begab er sich jeden Tag nach Neuweiler und hielt hier im Winter 6 Stunden Schule; im Sommer unterrichtete er dreimal wöchentlich zwei Stunden. Die Amtswohnung in Neuweiler hatte er vermietet.
Kolb verfügte über gute Kenntnisse, verstand auch die Anfangsgründe der lateinischen Sprache. In seiner Schulpraxis hatte er sich eine brauchbare Lehrart zu eigen gemacht. Sehr kümmerlich schlug er sich durchs Leben; seine Besoldung betrug 45 bis 50 Gulden. Neun Kinder hatte er zu versorgen und galt als „bettelarmer Mann“. Den Fehltritt, den er in Schönaich begangen hatte, bereute er aus tiefem Herzen. In Neuweiler erwies er sich als brauchbarer Schulmann, der fleißig in seiner Schule war und auf Ordnung hielt, sich im Leben unklagbar aufführte. Er hatte im Sommer 8 Knaben und 16 Mädchen zu unterrichten (1797). 1807 ging er nach Lehenweiler, nachdem sein Sohn Imanuel Gottlieb Schulmeister in Dagersheim geworden war.
1808 wurde Johann Georg Stüber von Sielmingen, geb. 1769, Schulmeister. Das Lob eines redlichen Strebens, seine etwas mittelmäßigen Kenntnisse immer mehr zu erweitern und sie zum möglichsten Nutzen seiner Schule anzuwenden, konnte dem Schulmeister nicht versagt werden. Dieses achtbare Streben und die liebreiche Behandlung seiner Schüler erwarb ihm die Zufriedenheit der Gemeinde und die Liebe seiner Schüler. Bei seinem geringen Gehalt und seiner Armut hielt man es für angebracht, ihn für eine Prämie vorzuschlagen.
1819 wählte die Gemeinde Johann Jakob Belz, geboren zu Breitenstein, zum Schulmeister. Er hatte 150 Gulden Besoldung. Seine Wohnstube und das Schulzimmer lagen im Amtshaus. 1822 hatte er 47 Schüler. Belz besaß hinreichend Gaben und Kenntnisse, zeichnete sich durch brave Aufführung aus, verfügte über wenig Vermögen.
Im Jahre 1840 ließ die Gemeinde mit einem Aufwand von 4 000 Gulden ein neues Schul- und Rathaus erbauen.
Erstveröffentlichung: Beiträge zur Schulgeschichte des Kreises Böblingen von der Reformation bis um 1800, Böblingen 1971, (Veröffentlichung des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu e. V. Band 11), S. 141 – 42.
Mit freundlicher Genehmigung des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu e.V.
Die hier beschriebene Zeit von der Reformation bis um 1800 kannte noch keine so gründliche und planmäßige Lehrerausbildung. Wohl war Württemberg mit der Großen Kirchen- und Schulordnung Herzog Christophs im deutschen Volksschulwesen vorangegangen. Bis in unser Jahrhundert herein blieb aber die Schule ein Kind der Kirche. Das Kirchenvermögen hatte zum Bau und Unterhaltung der Schulgebäude wie zu der meist bescheidenen Besoldung der Schulmeister beizutragen, die der Aufsicht des Pfarrers unterstanden. Weil sie aus den eingezogenen Kirchenpfründen bezahlt wurden, mussten die Schulmeister auch durch Jahrhunderte den Mesnerdienst versehen; sie mussten die Kirchenglocken läuten, die Kirchturmuhr aufziehen, bei Kindstaufen, Hochzeiten und Beerdigungen aktiv mitwirken. Zunächst ging es im Unterricht – der wohl bis lange nach dem 30jährigen Krieg nur im Winter stattfand – um Lesen, Sprüchelernen und Singen, vor allem zur Kenntnis der Bibel und Mitwirkung im Gottesdienst. Schon das Schreibenlernen der Mädchen erregte weithin Widerspruch der Eltern, weil sie es für unnötig ansahen. Regelrechte Protestaktionen gab es später bei der Einführung des Rechnens. Durch Jahrhunderte wurde das Schulhalten als Nebenberuf durch Handwerker betrieben; kein Wunder, dass mehr Handwerkerdrill als Denkschulung angestrebt wurde. Begabte Schüler kamen unter Mitwirkung des Pfarrers als Lehrling, „Incipient“ zu einem Schulmeister, später konnten sie dann als Geselle, „Provisor“ genannt, an einer größeren Schule tätig seih, bis sie zum Schulmeister gewählt und vom Konsistorium nach einer Prüfung bestätigt wurden. …
Referenz
↑1 | Spezial, Special: Abkürzung von Spezialsuperintendent, d.h. Dekan. Der Dekan war mit der Aufgabe der Dienstaufsicht über die Pfarrer und dem Visitationsrecht der umliegenden Gemeinden betraut. |
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↑2 | Scheffel: altes deutsches Hohlmaß, 1 Scheffel = 8 Simri = 177,2 l |
↑3 | Lehrergehilfe, bzw. Lehrer in Ausbildung |
↑4 | 1 Gulden (fl) = 60 Kreuzer (kr). Nach der Währungsumstellung entsprach 1 Gulden ca. 1,71 Mark. Legt man für eine grobe Währungsumrechnung aktuelle Lebensmittelpreise zugrunde, dürfte ein Kreuzer etwa den Gegenwert von 0,80 gehabt haben. Die Guldenwährung im süddeutschen Raum bestand von ca. 1550 – 1875. |
↑5 | Bezeichnung für das Kirchenvermögen und seine Verwaltung |