Steinenbronn in der Beschreibung des Stuttgarter Oberamts von 1851
Steinenbronn, Gemeinde III. Kl. mit 1000 Einw., wor. 2 Kath. – Ev. Pfarrei, mit den Filialen: Schlechts-, Schlößlens- und Seebrücken-Mühle (s. Leinfelden), Walzenmühle (s. Stetten), sodann Ober-Rauhmühle und Unter-Rauhmühle (von der Schultheißerei Weil im Sch., O.A. Böblingen); die Kath. sind nach Neuhausen eingepfarrt.
Das 3 ½ Stunden von Stuttgart entfernte Pfarrdorf liegt auf der Hochebene zwischen dem Reichenbach-, Aich- und Sulzbachthal, am Anfang des gegen das Sulzbachthal ziehenden Klingenbachthälchens. Der Ort hat gut hergestellte Straßen, namentlich wurde ein unbequemer Stich im nördlichen Theile des Etters1 in neuester Zeit abgetragen. Ueberhaupt sind unter der Amtsführung des ausgezeichneten Schultheißen Johannes Jacob manche örtliche Verbesserungen vorgenommen worden, und was insbesondere die Wege auf der Markung betrifft, so ist jetzt Steinenbronn östlich mit der eine halbe Stunde vom Orte vorbeiziehenden Stuttgart-Tübinger Staatstraße, (…), in Verbindung gesetzt, welche, soweit die Steinenbronner Markung reicht, chaussiert sind. Die Luft ist vermöge der hohen Lage des Ortes und der Nähe der zusammenhängenden Schönbuchswaldungen sehr gesund und rein. Frühlingsfröste treten öfters ein, dagegen ist Hagelschlag nicht häufig. Eine Wetterscheide zwischen Schöneich und dem sog. krummen Winkel leitet die Gewitter in der Richtung des Aichthals gegen das Neckarthal ab; nur die von Schönaich herziehenden sind für Steinenbronn gefährlich. Gutes und gesundes Wasser geben 3 laufende und 3 Pumpbrunnen; die Hauptquelle, welche mit steinenern Platten sorgfältig gefaßt und überwölbt ist, heißt der Klingenbrunnen, vermuthlich ursprünglich der “Steinenbrunnen“; er befindet sich an der südwestlichen Seite des Ortes und läuft in den Klingenbach ab, welcher südöstlich von Steinenbronn entspringt und in den Sulzbach mündet.
Im südlichen Theile des Orts steht die Pfarrkirche, welche im Jahr 1839 auf Kosten der Gemeinde, welcher der Staat einen Beitrag von 1000 fl.2 leistete, nebst der neuen Orgel mit einem Aufwand von 12500 fl., neu erbaut und den 3ten November 1839 eingeweiht wurde. (…) Der viereckige ganz aus Quadern bestehende, von der früheren Kirche noch vorhandene Thurm ist in die neue Kirche eingebaut. (…) Das Pfarrhaus, welches der Staat zu unterhalten hat, steht in ziemlicher Entfernung von der Kirche an der Hauptstraße. (…) Im Jahr 1826 ließ die Gemeinde mit einem Aufwand von 5335 fl. ein neues, geräumiges Schulhaus, in welchem zugleich die Wohnung des Schullehrers eingerichtet wurde, erbauen. An der Schule ist ein Schulmeister und ein Lehrgehülfe angestellt. Seit 1838 besteht eine Industrieschule, durch Beiträge der Centralleitung des Wohlthätigkeitsvereins unterstützt, an welcher zwei Lehrerinnen den Unterricht ertheilen. Das gut erhaltene Rathhaus liegt von allen Seiten frei, in der Mitte des Orts.3 Ein Gemeinde-Backhaus wurde 1844 erbaut.
Die fleißigen Einwohner sind im Allgemeinen kräftig, haben einen offenen, geraden Charakter, der zuweilen etwas derb erscheint, doch fehlt es ihnen nicht an Lenksamkeit und Gutmüthigkeit. Einige Wohlhabende ausgenommen, gehört die Mehrzahl der Bevölkerung zu den wenig Bemittelten, die übrigens, da sie gelernt haben, mit Wenigem auszukommen, dennoch zufrieden sind. (…) Die vier größten Grundbesitzer haben 20, 18, 17 und 16 Morgen.4 Hauptnahrungsquellen sind der Feldbau und die Viehzucht. (…) Die Rindviehzucht ist erheblich; eine kräftige Landrace wird durch gute Farren nicht nur erhalten, sondern immer noch verbessert. Es wird viel junges Vieh nachgezogen oder auch auswärts aufgekauft und später auf benachbarten Märkten wieder abgesetzt. (…)
Von den Gewerben, die nur dem örtlichen Bedürfniß dienen, sind die Weber, welche zum Theil nach Außen arbeiten, am stärksten vertreten; Weberei ist auch Nebenbeschäftigung der meisten Ortsangehörigen. Die Handspinnerei ist unbedeutend, ebenso das Strohboden- und Korbflechten. Früher beschäftigen sich manche Einwohner mit Verfertigung von Besen und entwendeten Reiße, ein Erwerbszweig, welcher in neuerer Zeit, da sich die Gemeinde sowohl in ökonomischer als in sittlicher Beziehung vortheilhaft geändert, sehr abgenommen hat. Schildwirthschaften5 sind zwei im Ort.
Das Grundvermögen der Gemeinde besteht in einem gut bestockten Wald, dessen jährlicher Ertrag sich auf 69 Klafter6 und 3 – 4000 Stück Wellen7 belauft, sowie in 13 Morgen Aeckern und 42 Morgen Allmanden.8 Das Geldvermögen derselben beträgt 3439 fl. Für die früheren Schönbuchsnutzungen9 bezieht der Ort gegen Bezahlung des Holzmacherlohnes jährlich vom Staat 200 Klafter Holz und 6000 Stück Wellen, welche an die Bürger vertheilt werden. Ferner erhält jeder Bürger das erforderliche Bauholz gegen Bezahlung des halben Schönbuchpreises. (…) Auf der Markung befinden sich 2 grobkörnige Keupersandsteinbrüche, die gute Bausteine liefern. (…)
Nach der Sage soll Steinenbronn eine Stadt gewesen seyn, die sich nordwestlich vom Ort, wo man schon Grundmauern von Gebäuden gefunden haben will, hingezogen habe. Die Stelle wird „Mauer“ genannt, und unweit davon gegen Südosten liegt der sogenannte Kriegs- oder Schelmenwasen, auf dem noch ein ungefähr 100 Schritte langer Wall sichtbar ist.
Steinenbronn war gleich den Nachbardörfern im 13ten Jahrhundert pfalzgräflich tübingisch. (…) Konrad der Scheerer, Graf von Tübingen, verkaufte im Jahre 1347 mit dem Forste Schönbuch auch das Dorf Steinenbronn an die Grafen Eberhard den Greiner und Ulrich von Württemberg, worauf im Jahr 1348, da das Verkaufte Reichslehen war, Kaiser Karl IV. die genannten zwei Grafen hiemit belehnte. (…) Den Pfarrsatz hatte ehedem Kloster Bebenhausen. (…)
Erstveröffentlichung: Beschreibung des Oberamts Stuttgart, Amt. Herausgegeben von dem königlichen topographischen Bureau, Stuttgart 1851.
Der Text wurde gekürzt.
Die Württembergischen Oberamtsbeschreibungen
Im Jahre 1820 wurde auf Dekret König Wilhelms I das “königliche statistisch-topographische Bureau“ in Stuttgart gegründet. Zwischen 1824 und 1886 entstanden dort Beschreibungen aller 64 württembergischen Verwaltungsbezirke und ihrer Gemeinden. 1851 erschien die Beschreibung des Oberamts Stuttgart, Amt. Auf dem Internet-Portal Wikisource kann diese bereits vollständig abgerufen werden. Hier finden Sie auch eine ungekürzte Version der Beschreibung von Steinenbronn.
Referenz
↑1 | Etter hieß der in der Regel geflochtene Zaun, der bis ins 19. Jahrhundert den gesamten Dorfkern umgab. Der Zaun sollte verhindern, dass das frei umherlaufende Vieh in die Felder hinauslief. Der Etter war auch eine Rechtsgrenze. |
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↑2 | 1 Gulden (fl) = 60 Kreuzer (kr). Nach der Währungsumstellung entsprach 1 Gulden ca. 1,71 Mark. Legt man für eine grobe Währungsumrechnung bestimmte aktuelle Lebensmittelpreise zugrunde, dürfte ein Kreuzer etwa den Gegenwert von 0,80 gehabt haben. Die Guldenwährung im süddeutschen Raum bestand von ca. 1550 - 1875 |
↑3 | Das alte Rathaus, ein 1524 erstmals erwähnter Fachwerkbau, wurde 1963 abgerissen. Der Neubau entstand an Stelle des ebenfalls abgebrochenen alten Pfarrhauses. |
↑4 | 1 württ. Morgen = 31,52 Ar. |
↑5 | Schildwirtschaften waren berechtigt, Gäste zu beherbergen und zu bewirten. Straußenwirtschaften waren nur zu gelegentlichem Ausschank, meist im Herbst, berechtigt. |
↑6 | 1 Klafter = 3,386 Raummeter |
↑7 | Reisigbündel |
↑8 | gemeinschaftlich genutztes Weideland |
↑9 | Wie alle an den Schönbuch angrenzenden Gemeinden, hatte auch Steinenbronn Nutzungs- und Eigentumsrechte am Wald. Diese sog. Schönbuchgerechtigkeiten wurden im Rahmen der Neuordnung des Königreiches Württemberg im frühen 19. Jahrhundert aufgelöst. Für den Verzicht auf die alten Waldgerechtigkeiten erhielten die Gemeinden vom Staat eine Abfindung. |