Holzgerlingen und seine Ofenwandplättchen
Autor: Susanne Schmaltz
Die sog. Schwäbischen Ofenwandplättchen sind mit ihren Sprüchen und Bildern ganz besondere Zeugen vergangener Lebensart: Hier hielten die Hafner ihre Wünsche und Hoffnungen fest, aber auch derbe Sprüche und respektlose Witze, oft über die Ehefrauen und Schwiegermütter. Manche Plättchen kommentieren das Zeitgeschehen, andere bilden die Pflanzen- und Tierwelt ab: Sie sind sehr unterschiedlich und einfallsreich gestaltet.
Die Plättchen entstanden in einem recht begrenzten Raum im nördlichen Schwarzwald, im Hecken- und Strohgäu und im Schönbuch in einzelnen Zentren. Eines dieser Zentren war Holzgerlingen. Die Plättchen hatten zwar auch einen praktischen Zweck, ihre aufwendige und liebevolle Gestaltung zeigt aber, dass sich ihre Schöpfer und Besitzer vor allem an ihnen freuten. Heute sind die Plättchen wegen ihrer Schönheit und Seltenheit begehrte Sammlerobjekte.
Bemalte Wandfliesen finden sich zuerst in Holland, um 1630: Die sog. „Delfter Kacheln“ waren weiße Fayencefliesen mit zierlicher blauvioletter Bemalung. Von den Niederlanden ausgehend breiteten sich bemalte Fliesen am Rhein entlang nach Süden hin aus. Warum sie aber seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts auch in Schwaben hergestellt wurden, liegt zum Teil an der damaligen Bauweise und Ofentechnik: Die üblichen großen, gusseisernen Öfen erhitzten sich unter Umständen so stark, dass die Balken der Fachwerkhäuser ankohlten. Seit dem 16. Jahrhundert erließen deswegen die württembergischen Herzöge immer wieder Brandschutzverordnungen, die einen Schutz des Fußbodens zum Beispiel durch tönerne Fußbodenkacheln und der Mauer anordneten. Die Plättchen erfüllten eben diesen Zweck: Sie isolierten die Balken gegen den Ofen.
Nun waren praktische Überlegungen aber nicht der einzige Zweck für ihre Herstellung: Zur Isolierung hätten auch einfachere Fliesen genügt. Die Bemalung der Fliesen zeigt, dass die Ofenwände vor allem als Schmuck und zur Repräsentation beliebt waren.
Anders als die anderen Hafnererzeugnisse mussten die Ofenwandplättchen gesondert bestellt werden. Oft hat der Hafner neben der Jahreszahl und seinem eigenen Namen auch die Namen der Besitzer und deren Beruf auf einem Plättchen vermerkt.
Zwar wurden in sehr vielen Ortschaften Ofenwandplättchen gefertigt, doch kamen die meisten Plättchen aus Heimsheim, Simmozheim, Neubulach, Wildberg – und Holzgerlingen. In den einzelnen Werkstätten entwickelten die Töpfer ganz eigene Stilrichtungen, die heute eine Zuweisung der Plättchen zu den einzelnen Handwerksbetrieben ermöglichen.
Wand mit Originalplättchen im Heimatmuseum Holzgerlingen. (Foto: Klaus Philippscheck)
Die Plättchen wurden von quaderförmigen Tonblöcken geschnitten, angetrocknet und mit dem Anguss der sog. Engobe, versehen. Darauf malten und schrieben die Hafner in „Schlickermalerei“ mit dem sog. Malhörnchen, einem Tontöpfchen mit einem Federkiel, aus dem die Farbe herausfloß. Der Name „Malhörnchen“ stammt von dem älteren Werkzeug, einem Kuhhorn, an dessen Spitze der Federkiel saß. Die Farben bestanden aus braunen, weißen und roten Tonen, die zum Teil importiert werden mussten. Kupferasche diente zur Herstellung von grüner, Eisenoxyd für gelbe Farbtöne. Mit Braunstein erreichte man braune bis schwarze Färbungen. Blau wurde in dieser Region kaum verwendet, obwohl die nötigen Kobaltvorkommen vorhanden waren. Da die Farben stetig aus dem Malhörnchen herausflossen, mussten die Töpfer schnell und mit leichter Hand malen und schreiben.
Das älteste bekannte Schwäbische Ofenwandplättchen stammt aus Heimsheim: Die Signatur besagt, dass es 1725 vom Hafner Jacob Widmann hergestellt wurde. Die ältesten bekannten Holzgerlinger Plättchen fertigte Johann Caspar Schmid fast 50 Jahre später, 1772. Diese Wand wurde bei einem Brand 1945 zerstört.
Die Plättchen der Hafner Schmid sind meist gelbgrundig mit einer schmalen braunen Einfassung, was die Wände insgesamt hell und freundlich wirken lässt. Bekannt sind jedoch auch einige schwarz- und grüngrundige Wände aus der Werkstatt Schmid. Die Schrift ist braun, der bildliche Schmuck mehrfarbig: grün, weiß, rot, ocker und braun.
Die Motive der Plättchen bezeichnete Karl Hillenbrand als „Volkskunst schlechthin“. Er stellt bei anderen Hafnern deutliche Beeinflussungen durch die Kunst des Rokoko oder durch die zeitgenössische Erbauungsliteratur fest, nicht aber bei den Schmids:
„Die Blumen sind hervorragend stilisiert, die Szenen mit Menschen und Tieren lebhaft und eindrucksvoll. Bild und begleitende Schrift stellen in Form und Inhalt eine vollkommenen Einheit dar. Blumenmuster werden frei oder in geometrischen Anordnungen dargestellt. Jagdszenen tauchen auf, der springende Hirsch und das Wildschwein, Reiter und Jäger. Alles ist zügig und frei hingemalt.“1
Freilich ist auch diese „Volkskunst“ nicht ohne Impulse von allgemeinen Entwicklungen möglich: Zum Beispiel in der Tracht, die die gemalten Menschen tragen, erkennt man Einflüsse der zeitgenössischen Mode.
Bereits in den 1770ern stellt Kaspar Schmid (1726 – 1798) Ofenwandplättchen her. Die nachfolgenden Hafner Schmid fertigen weitere Wände, die Qualität der Plättchen nimmt jedoch im Lauf der Generationen ab: Die Darstellungen verlieren an Frische und Eleganz.
Die Plättchen der Familie Kipfer erinnern in Farbgebung und Motiven an die der Familie Schmid: Sicher waren sie von diesen andern Holzgerlinger Hafnern, die schon länger Ofenwandplättchen fertigten, beeinflusst. Ihre Malweise ist jedoch manchmal genauer, Hillenbrand meint „manchmal fast ein wenig pedantisch“ und die Plättchen kleiner.
Die Sprüche auf den Plättchen sind zum großen Teil dieselben, die auch die Schmids – und andere Hafner – kannten. Eindeutig zuordnen lassen sie sich, weil die Kipfers ihre Plättchen oft mit drei Punkten hinter dem Spruch signierten.
„Ich bin ein Haffner, sitz hinder der scheiben, vertreib mein Zeit mit jungfern und Weiber.“ So beschreibt Caspar Schmid auf einem Ofenwandplättchen 1772 sein Leben. Ganz so lustig wird es für die Holzgerlinger Töpfer jedoch nicht immer gewesen sein: Das Ortssippenbuch berichtet von hoher Kindersterblichkeit, von frühem Tod und von Auswanderern in den Hafnersfamilien. (…)
Nachgebaute typische Ofenecke im Holzgerlinger Museum. (Foto: Klaus Philippscheck)
Zwei Familien waren es, denen Holzgerlingen seinen Namen als Hafnerort zu verdanken hat: die Schmid und die Kipfer. Seit dem 18. Jahrhundert haben sie sich auf die Herstellung von Ofenplättchen spezialisiert und nahezu das gesamte Gäu mit ihren Erzeugnissen versorgt. Dabei lässt sich die Handschrift der beiden Hafnersippen sehr gut voneinander unterscheiden. Dr. Karl Hillenbrand hat sich 1971 in einem Aufsatz mit den beiden Familien befasst.
Die Hafnersippen Schmid und Kipfer in Holzgerlingen
Die Familie Schmid – sechs Generationen Hafner in Holzgerlingen
Nach Dr. Karl Hillenbrand sollen im Jahre 1971 noch etwa 30 überwiegend in Bauernhäusern erhaltene Wände mit Offenplatten von Alt-Caspar-Schmid (1726 – 1798) und jung (= Johann) Caspar Schmid (1757 -1835) erhalten gewesen sein. In Döffingen befindet sich noch eine aus dem Jahr 1821 stammende Wand von ]ohannes Schmid (1788 – 1855), die nach Hillenbrand nicht mehr ganz an das Niveau der älteren Generation heranreicht. Die Plättchen der beiden ersteren zeichnen sich durch hohe Qualität und Originalität aus und Karl Hillenbrand beschreibt sie als Volkskunst im besten Sinne. „Bild und begleitende Schrift stellen in Form und Inhalt eine vollkommene Einheit dar. Blumenmuster werden frei oder in geometrischen Anordnungen dargestellt. Jagdszenen tauchen auf, der springende Hirsch und das Wildschwein, Reiter und Jäger. Alles ist zügig und frei hingemalt„.
Den typischen Stil ihrer Plättchen beschreibt er folgendermaßen:
„Die häufigste Grundfarbe ist gelb. Alle gelben Plättchen tragen aussen entlang dem Rande einen braunen Strich als Einfassung. Die Schrift ist braun, die Bilder grün, weiss, ocker, rot und braun gemalt. Als Ganzes sehen die Wände: sehr hell und freundlich aus. Drei Wände konnten festgestellt werden, die einen geradezu feierlichen Eindruck infolge der braunschwarzen Grundfarbe der Plättchen machten. Sie sind mit Mangan schwarz engobiert. Am Rande sind sie mit einem weissen Strich eingefasst. Die Malerei ist hier weiss, grün, rot und gelb; die Motive sind dieselben wie bei den gelben Plättchen. Von einer grünen Wand waren nur noch wenige zu finden. Dabei wurde also eine Engobe verwendet, die Kupferasche enthielt. Bemalt wurden diese Plättchen mit weisser und dunkelbrauner Farbe. Die weisse Bemalung wurde dann durch Ineinanderfliessen mit der grünen Engobe im Ofen hellgrün.“
Die Familie Kipfer – Fünf Generationen Hafner in Holzgerlingen
Hillenbrand schreibt, von der Familie Kipfer seinen bis zum 2. Weltkrieg noch 15 Wände erhalten gewesen und beschreibt sie wie folgt:
„Stilistisch erinnerten ihre Plättchen stark an die der Schmids, von denen sie sicher beeinflusst sind: Äussere Aufmachung und Farben sind dieselben. Sie unterscheiden sich jedoch durch Verschiedenes: Das Format ist kleiner, 19 x 19 cm. Die Malerei ist sehr genau, mit grosser Liebe, bis ins Einzelne ausgeführt, manchmal fast ein wenig pedantisch. Besonders schön sind eine Gruppe von drei schwäbischen Handwerksburschen aus Jerusalem, vier Platten mit Darstellung der Jahreszeiten, ferner Hirsche, Wildschweine, Reichsadler, Reiter und Josua und Kaleb. Die Wärme der Farben und der Darstellung sind eindrucksvolle Zeugnisse des schwäbischen Volksgemüts„.
Quelle: Karl Hillenbrand, „Schwäbische Ofenwandplättchen„. In: „Der Museumsfreund“, Heft 12/13, 1971, hrsg. vom Württembergischen Museumsverband e.V. Stuttgart.
Auszugsweise Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Landesstelle für Museumsbetreuung Stuttgart
Quelle: Zur Geschichte der Keramik unter besonderer Berücksichtigung der Holzgerlinger Ofenwandplättchen, Beiträge aus dem Heimatmuseum der Stadt Holzgerlingen, Holzgerlingen 2000, S. 18-22
Der Text wurde gekürzt.
Mit freundlicher Genehmigung des Heimatmuseums/Vereins für Heimatgeschichte e.V. Holzgerlingen.
Textanhang
Dr. Karl Hillenbrand: Die Hafnersippen Schmid und Kipfer in Holzgerlingen, aus: Der Museumsfreund, Heft 12/13, 1971, hrsg. vom Württembergischen Museumsverband e.V. Stuttgart.
Die anlässlich der Ausstellung Aus Erd bin ich gemacht erschienene Broschüre Zur Geschichte der Keramik unter besonderer Berücksichtigung der Holzgerlinger Ofenwandplättchen, kann im Heimatmuseum Holzgerlingen zum Preis von 5,00 erworben werden.
Referenz
↑1 | Dr. Karl Hillenbrand: Schwäbische Ofenwandplättchen, in: Der Museumsfreund, Heft 12/13, 1971, S. 62 |
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