Vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert
Die Höfinger Pfarrei
Autor: Alfons Schlichtenmayer
In den Anfangsjahren fließen die Informationsquellen spärlich. Nachgewiesen ist, dass das kleine Dorf Höfingen zu den Klöstern Hirsau und Weißenburg/Elsaß eine besondere Beziehung hatte. Aufgrund von Stiftungen der ortsansässigen Adligen kamen diese beiden Klöster im Raum Leonberg zu größerem Grundbesitz. (…)
Überliefert ist, dass ein Graf Ulrich von Wirtemberg (gest. 1348) einst Kirchherr von Höfingen war. Dieser Graf, der den Beinamen der Höfinger führte, war zuletzt Probst1 zum Wiedenstift in Speyer. Die selbständige Pfarrei Höfingen gehörte damals zum Bistum Speyer und innerhalb diesem zum Landkapitel Markgröningen. (…)
Bis zur Reformation im Jahr 15352 war die Höfinger Pfarrei mit Mönchen und Kaplanen3 aus dem Kloster Hirsau besetzt. Diese Priester bemühtem sich nicht nur um das geistige und geistliche Wohl der Dorfbewohner, sie verfügten auch über den Raum, in dem die Menschen lebten. (…)
Es gibt keine urkundlichen Hinweise, inwieweit der Anfang der Reformation sich in Höfingen verwurzelt hat. Man kann aber davon ausgehen, dass das damals kleine Dorf mit seinen 300 Einwohnern ohne großen Widerstand dem Zug der Zeit gefolgt ist. Höfingen wurde dem Generalrat Maulbronn zugeordnet. Nachdem die Pfarrei dem herzoglichen Konsistorium unterstellt wurde, hatte der Landesfürst 1542 anstelle der Priester und der Kaplane den ersten ständigen Kirchendiener nach Höfingen geschickt. Es war Wendel Schmid aus Beihingen, ein früherer Mönch vom Kloster Hirsau.Dass sich wieder geordnete Verhältnisse anbahnten geht auch daraus hervor, dass im Jahr 1558 mit der Führung der Kirchenbücher mit ihrem Tauf-, Ehe- und Sterberegister neu begonnen wurde. Die ersten Niederschriften sind in gutem Zustand heute noch vorhanden.
Vor allem in der Zeit nach dem 30-jährigen Krieg (1618-48) wird in den Pfarrberichten, neben der Klage über die große Armut, ein wachsendes Sittenverderbnis hervorgehoben. Zur Erhaltung der Ordnung in der Dorfgemeinschaft sei, so lautete der mahnende Ruf des Ortsgeistlichen, mehr konsequente Strenge der weltlichen Obrigkeit nötig.
Dies mag der Anlass gewesen sein, dass auch in Höfingen ein Kirchenkonvent gegründet wurde, wie dies seit dem Jahr 1642 auch in anderen württembergischen Gemeinden bereits geschehen war.
Neben seiner Hauptaufgabe Zucht und Ordnung wieder in das dörfliche Leben hineinzubringen, hatte der Kirchenkonvent, der aus dem Pfarrer, dem Schultheiß und den gewählten 2 4 Laien-Richtern bestand, den Lehrer, den Gemeindepfleger, sowie den Schützen (Polizei), den Nachtwächter und die Hebamme zu wählen. Den vielen Berichten entnehmen wir, wie sehr diese Gremium beansprucht wurde. Es wurde nicht nur auf das sittliche Wohlverhalten geachtet, sondern auch auf die Einhaltung der Kirchenzucht, auf den fleißigen Besuch des sonntäglichen Gottesdienstes und der Sonntagschule. Ein wichtiger Teil der Aufgabe war die Armenversorgung. Streng geachtet wurde auf die Einhaltung der Sonntags- und Feiertagsheiligung. Verboten und strafwürdig waren: Die Feldgeschäfte, das Ausfahren des Viehs, das Gänsetreiben, das Holzauflesen im Wald, das Anbieten von Waren aller Art und andere Verstöße gegen die Obrigkeit. (…)
Ansicht von Höfingen von Andreas Kieser, 1682. (Bild: Landesarchiv Baden-Württemberg, Bestellsignatur H 107/8 Bd 5 Bl. 7, Permalink: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-513280)
Viel Sorge bereitete die heranwachsende Jugend. Diese ist, so wird am Anfang des 19. Jahrhunderts berichtet, in einem ziemlichen Grad verwildert und unbotmäßig gegen Ältere und Vorgesetzte. … Man schrieb das Jahr 1858, als der zwei Jahre zuvor in die Höfinger Gemeinde gekommene Pfarrer dem Dekan mitteilte: In übertriebenem Maße herrscht der Geist von 1848; auch die frühe Verheiratungsmöglichkeit wirkt sich oft verhängnisvoll aus. … Oftmals musste der Nachtwächter und der Kirchenkonvent ein Auge zudrücken, wenn die Burschen und Mädchen in maßloser Ausgelassenheit und viel Gejole bis spät in die Nacht hinein auf der Ditzinger Straße tanzten. … Streng eingegriffen wurde gegen die Lichtkärze und Kunkelstuben.4 (…)
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat der Kirchenkonvent an Bedeutung verloren. Seit dem Jahr 1851 ist der Kirchengemeinderat zum bestimmenden Organ der Kirchengemeinde geworden. (…)
Gemeint ist hier nicht ein Kirchendiener, der sich durch besonders vorbildlichen und frommen Lebenswandel hervorgetan hat, sondern das Kirchengut, das von der Heiligenpflege und von der bürgerlichen Gemeinde bis zum Jahr 1890 gemeinsam verwaltet wurde.
Die Heiligenpflege umfasste das schon vor der Reformation errichtete Kirchengebäude, sowie den Kirchplatz auf dem die Toten vieler Generationen ihre letzte Ruhestätte fanden, ferner die verschiedenen Stiftungen der Armenpflege.
Aufgrund einer Verfügung des königlichen Innenministeriums vom 23. 03. 1889 ist es zu einer Trennung des Kirchenguts gekommen. In den Alleinbesitz der Kirchengemeinde wurde das Kirchengebäude samt Kirchplatz und das Vermögen der Almosen- und Stiftungspflege (1827 gegründet) übertragen. Im Besitz der Kirchengemeinde blieb die auf das Jahr 1703 zurückgehende Wiesenstiftung im Glemstal des Christof Friedrich Truchseß, deren Erhalt nach dem Willen des Stifters an die Armen der Kirchengemeinde verteilt wurde.
Die bürgerliche Gemeinde, der das Mitbenutzungsrecht am Kirchturm, an den Glocken und an der Kirchturmuhr erhalten blieb, verpflichtete sich zur Übernahme der Hälfte der am Turm und an dessen Ausstattung anfallenden Unterhaltskosten. Auch die Unterhaltung des Friedhofs an der Ditzinger Straße wird nunmehr von der bürgerlichen Gemeinde übernommen. Der Kirchengemeinde wurde die Unterhaltung des Pfarrhauses zugewiesen. (…)
Erleichtert atmete man auf, als im Jahr 1852 eine über viele Generationen hinweg die Bürger besonders bedrückende Belastung aufgehoben wurde: Der Groß- und der Kleinzehnt, der ursprünglich hauptsächlich der Grundherrschaft der Klöster zugute kam. Nach der Säkularisierung war er dem zuständigen Kameralamt und teilweise den Ortsadligen abzuführen. Der Großzehnt umfasste den Getreideanbau auf den Feldern. Der Kleinzehnt bezog sich auf die Garten- und Hackfrüchte, außerdem auf die Weinernte. Auch der Ortspfarrer hatte als Teil seines Entgelts Anspruch auf den Bezug aus dem Groß- und Kleinzehnt. (…)
Wahrzeichen von Höfingen. Die Laurentiuskirche mit ihrem hohen Zeltdach. (Bild: Harke / Wikimedia Commons – Lizenz: CC-BY-SA 3.0)
Erstveröffentlichung: 450 Jahre Evangelische Kirchengemeinde Höfingen – 1535 - 1985, hrsg. von der Ev. Kirchengemeinde Höfingen/Dekanat Leonberg 1985, S. 5-20
Der Text wurde gekürzt.
Mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Kirchengemeinde Höfingen
Hochinteressante orts- und zeitgeschichtliche Quellen sind die Berichte der Höfinger Gemeindepfarrer. Zwei davon, der eine aus dem Jahr 1814, der andere von 1921, finden Sie hier als pdf-Dokumente.
Bericht von Pfarrer Heinrich Enslin aus dem Jahre 1841
Bericht von Pfarrer Eugen Mayer aus dem Jahre 1921
Referenz
↑1 | Der Probst hatte die wirtschaftliche Leitung des Klosters, er überwachte die Güter und den Besitz. |
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↑2 | Herzog Ulrich führte im Jahr 1534 das evangelische Bekenntnis als Staatsreligion ein. |
↑3 | Priester, der unter der Verantwortung des Pfarrers in einer oder mehreren Pfarreien tätig ist. |
↑4 | Lichtkarz, Lichtstube, Nachtkarz oder Kunkelstube nannte man früher die Spinnstuben, in denen die jungen Mädchen, aber auch verheiratete Frauen an den langen Abenden der dunklen Jahreszeit zusammenkamen. Hier ließen sich trotz sozialer Kontrolle diskret Partnerschaften anbahnen. |