Spuren der Rheinstraße finden sich auch im Landkreis Böblingen
Die „Via Rheni“ – eine alte Königsstraße
Autor: F. Mezger
Heute, im Zeitalter der Technik und des Motors … erscheint es nicht uninteressant, sich einmal in vergangene Jahrhunderte zurückzuversetzen und ihren Straßenzügen nachzuspüren. Manche der alten Straßen ziehen noch durch unser Land, vom Verkehr verlassen und längst vergrast. Sie sind Zeugen des regen Lebens früherer Generationen und gehören zu den ältesten Altertümern, die sich unserem Auge offen darbieten. Sind nun solche Spuren geschichtlichen Handels und Wandels auch noch in unserem Kreis festzustellen?
Eine besonders wichtige Fernstraße muß von Süden nach Norden durch unseren Kreis gezogen sein. (…) Diese Straße führte in den heutigen Kreisen Tübingen - Böblingen - Leonberg die Bezeichnung Rheinstraße, damit auf den bedeutendsten Strom und den wichtigsten Handelsweg hinweisend. Man darf eine solche Straße jedoch nicht mit modernen Straßen vergleichen. Nach unseren Begriffen würden wir viel eher von einem Weg sprechen, welcher aber überdies nicht einmal einheitlich, gewöhnlich nur ein einfacher Erdweg ohne Unterlage, geschweige denn Pflasterung war, noch überhaupt nicht in allen Einzelheiten nachweisbar ist. Besonders beim Eintritt in den Schönbuch wurden, wie leicht verständlich, die Verhältnisse durch Aufforstung verdunkelt. (…) Wie lässt sich aber nun trotz all dieser Schwierigkeiten das Vorhandensein der Rheinstraße noch feststellen?
Da sind einmal alte Urkunden, die noch den Namen unmittelbar erhalten haben, zum anderen Chroniknotizen über gewissen Vorgänge, die auf das Dasein einer solchen Königsstraße schließen lassen, und nicht zuletzt unsere neueren Karten, die Wege-, Flur- und Gewannbezeichnungen teilweise den Namen selbst noch enthalten, die Rückschlüsse erlauben.
Dreimal finden wir im wirtembergischen Urkundenbuch die Bezeichnung für unsere Straße. In zwei Urkunden der Jahre 1191 und 1193 ist der lateinischen Ausdruck “Via Rheni“ gebraucht und in einer solchen des Jahres 1287 die deutsche Bezeichnung “an der Rinstraze“. Um 1500 findet sich in der ältesten württembergischen Landesbeschreibung … ebenfalls ein Hinweis, der auf die Rheinstraße hindeutet. Es heißt dort: “Maura ain Kirch und haws da alle Jahr ain berompter Margkt an Sant Pelagien Tag“ (28. August). Dieser Maurener Jahrmarkt fand also an oder sogar auf der Rheinstraße statt.
Das „Rheinsträßle“ westlich von Maichingen, Blick nach S, Richtung Böblingen. (Foto: Klaus Philippscheck)
Auf unsern neueren Karten ist der Name Rheinstraße noch nicht ganz verschwunden. Auf den Messtischblättern 1:25 000 ist er gleich mehrfach zu finden. Das Blatt Tübingen führt ihn als ältere Bezeichnung für das sog. Altdorfer Sträßle im Schönbuch. Der Name setzt wieder auf Altdorfer Markung ein. Wieder eingezeichnet ist er dann im Blatt Weil der Stadt, wo für die Wegführung von der Ruhebank aus an der Straße Maichingen Darmsheim bis zur Straße Magstadt - Schafhausen der Name “Rheinsträßle“ gebraucht ist und erst im Renninger Grund wieder einsetzt.
Solche alten Fernstraßen waren von erheblicher Bedeutung für die Geschichte von Handel und Verkehr, für den Gang der Kriegsunternehmungen, für die Anlage von Burgen und Städten und damit nicht zuletzt für die Entwicklung mittelalterlicher Staatswesen. Sie waren zur Zeit der fränkischen und nachfolgenden Kaiserzeit Eigentum des Herrschers und wurden öffentliche Heer- oder Königsstraßen genannt. Der König hatte das Recht auf ihnen Zoll zu erheben und Geleit zu geben, oder diese beiden Rechte weiterzuverleihen. Eine solche alte Königs- oder Heerstraße, die “Via Rheni“, führte auch durch unseren Kreis und schuf ihm damit eine Verbindung mit den fernen Zentren der großen Politik. (Im Jahre 965 traf Otto der Große, von Pavia in Oberitalien kommend, mit seinen Söhnen Otto und Wilhelm bei Heimsheim zusammen. Obwohl nirgends ein unmittelbarer Hinweis auf den Weg, den er nahm, gegeben ist, möchte man doch vermuten, dass er auf der Rheinstraße durch unser Gebiet zog – vergleiche die Erzählung “Kaiser Otto stiftet den Markt zu Mauren„).
[Die Rheinstraße] wies schon durch ihren Namen auf die schicksalhaften Gegenden Deutschlands hin, die durch die Jahrhunderte die Kernlande des Reiches bildeten. Noch heute denkt man dabei an die Nibelungenstadt Worms und die Stadt der vielen Kaisergräber, Speyer. Dabei muß man sich immer vergegenwärtigen, dass ja Teile des heutigen Kreises Böblingen zum Bistum Speyer gehörten.
Kaiser Otto I und seine Ehefrau Adelheid, Königin von Italien im Hohen Chor des Meißner Doms. Die Stifterfiguren aus dem 13. Jahrhundert werden der Werkstatt des Naumburger Meisters zugeschrieben. (Ausschnitt aus einem Foto von: Bonnlander / Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 4.0)
Quelle: Aus Schönbuch und Gäu, Beilage des Böblinger Boten, Nr. 27, Mai 1951
Der Text wurde gekürzt.
Mit freundlicher Genehmigung des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu e. V.
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