Russische Truppen im Böblinger Amt 1813 und 1814
Autor: Felix Burckhardt
Nur selten bewahrt Chronistenschrift die Erinnerung an den Alltag vergangener Zeiten. …
Zum Glück für den heimatlichen Geschichtsschreiber finden sich hier und da Anmerkungen in alten Schriften, die einen Blick zurück in Leben und Geschick unserer Vorväter ermöglichen. … Sorglichen Gemeindevätern danken wir Aufschriebe über Ausgaben und Einnahmen in den Gemeinden. Aus ihnen lässt sich manches herauslesen, was die Vergangenheit erhellt. Da findet sich ein „Verzeichnis des durch kaiserlich russische Truppen veranlassten Aufwands an Geld vom November 1813 bis ult. Februar 1814“. Dieses Schriftstück unterrichtet, wenn auch nur in knapper Weise, über die Truppendurchzüge:
Von der Stadt Böblingen heißt es: „Hier waren zwar mehrere Durchzugs- und Kantonierungs-Quartiere von kaiserlich russischen Truppen, für welche, sowie in den Amtsdörfern, allerhand Aufwand an Geld, für Pferde-Beschläge, Kranken-Verpflegungen und dergleichen gemacht werden mussten. Von den Empfängern wurden keine Quittungen ausgestellt, was hauptsächlich der gänzlichen Sprach-Unkenntnis auf beiden Seiten zuzuschreiben ist, auch konnte nicht einmal der Name der Regimenter genau erfragt werden.“
Ihre Unkosten forderten später etliche Böblinger Einwohner für Aufwendungen zurück. Philipp Jacob Gröber musste vom 20. bis zum 21. Dezember 1813 drei Fahnenschmiede in seiner Schmiede arbeiten lassen. Sie gehörten den Kiew’schen Grenadieren an und verbrauchten für 11 Gulden 18 Kreuzer Kohlen und Eisen. Bei Johann Georg Schuh wurden für 10 Gulden 48 Kreuzer Kohle und Eisen verbraucht. Auch bei Gottfried Kopp arbeiteten verschiedene Male Schmiede; er forderte 11 Gulden 12 Kreuzer für ausgelegte Materialien. Johann David Klein hatte am 6. und 7. Februar 1814 die russische Kanzlei im Haus; es wurde Tag und Nacht hier gearbeitet. Zwei Pfund Lichter für 50 Kreuzer wurden geliefert. An Licht mussten während der Durchmärsche auf die Wachstube für 9 Gulden 43 Kreuzer geliefert werden.
In Altdorf arbeitete ein Schmied der Kürassiere 4 Tage; der Schmied Gabriel Hiller berechnete seine Unkosten mit 2 Gulden 40 Kreuzern, während der Schmied Grob für einen Tag Schmiedebenutzung 43 Kreuzer 3 Heller in Rechnung stellte.
In Holzgerlingen quartierten sich im Dezember 1813 Kürassiere vom Bleßkow’schen Regiment ein. Der Schuster Johann Neuffer musste ihnen Stiefel sohlen und flicken; mit 48 Kreuzern wollte er sich bescheiden. Der Hufschmied Jacob Schmidt verfertigte für 24 Kreuzer neue Stiefeleisen, während der Hufschmied Michel Schmidt für Sattelbeschläge einen Gulden verrechnete. Konrad Hiller forderte für Stiefelflicken 20 Kreuzer, der Schlosser Johann Maurer für Säbel- und Sporen-Reparaturen 12 Kreuzer.
Beim Durchmarsch der 5. und 14. Infanterie-Division am 6. Februar 1814 musste Georg J. Blessing Stiefel sohlen und flicken; seine Arbeit bewertete er mit 30 Kreuzern. Der Schlosser J. Maurer hatte Gewehre repariert; einen Gulden und 20 Kreuzer setzte er auf die Rechnung.
Als am 9. Februar die zweite Rotte der 5. und 14. Infanterie-Division durch den Ort zog, hatten die Schuhmacher wieder Stiefel zu flicken und zu besohlen; sie forderten 41 Kreuzer, 24 Kreuzer, 40 Kreuzer und 36 Kreuzer für ihre Arbeit. Der Hufschmied Jacob Schmidt hatte für einen Gulden 30 Kreuzer fünf neue Eisen aufgeschlagen und für 2 Gulden 5 Kreuzer 25 alte Eisen erneuert. 14 Gulden 26 Kreuzer forderte Hufschmied Michael Schmidt für das Aufschlagen von 27 neuen und 76 alten Hufeisen. Der Hufschmied Konrad Wanner setzte einen Gulden für das Aufschlagen von 12 alten Hufeisen in Rechnung.
In Sindelfingen mussten kranke Soldaten aufgenommen und verpflegt werden. Sie gehörten der 1. und 2. Kolonne der 5. und 14. Infanterie -Division an; sie stellten sich im Februar 1814 ein. Für 90 Mann wurden 24 Bund Stroh (3 Gulden, 12 Kreuzer), 1 ½ Zentner Holz und 2 Pfund Lichter verbraucht. Ein zweiter Transport von 205 Mann forderte 58 Bund Stroh, 2 Zentner Holz und 4 Pfund Lichter.
Zwei Mann verstarben in Sindelfingen und wurden hier bestattet. Der Totengräber erhielt einen Gulden 30 Kreuzer, die Särge kosteten 4 Gulden, die Träger für einen Toten bekamen je 20 Kreuzer; einen Toten trugen mehrere Russen selbst zu Grabe.
34 Gulden und 24 Kreuzer veranschlagten die Schmiede Michael Reichardt, Stephan Mack und Johannes Vetter von Schönaich für aufgeschlagene neue und alte Hufeisen bei durchmarschierenden russischen Truppen.
In Weil im Schönbuch musste der Schmied Jakob Weinhardt manchen Tag am Schmiedefeuer für die russischen Truppen stehen: am 20. November, am 10., 11., 12. und 13. Dezember 1813. Mit 27 Gulden und 48 Kreuzern berechnete er Arbeit und Material. Der Schmied Gabriel Weinhardt forderte für am 11. Dezember geleistete Schmiedearbeiten für die russischen Soldaten 12 Gulden 20 Kreuzer. Auch der Schmied Kaspar Weinhardt schwang für die russischen Truppen den Schmiedehammer. Am 11., 13. und 23. Dezember 1813 arbeitete er für sie und veranschlagte seine Leistungen mit 42 Gulden 8 Kreuzern.
Thomas Krebs musste für einen gefährlich kranken Mann ein Bett auf das Rathaus abgeben; das Bett konnte er nachher nicht mehr gebrauchen. Er lieferte auch baumwollene Schnupftücher und zwei Maß Wein zum Waschen des Kranken im Wert von 48 Kreuzern. Um dem Kranken eine Suppe zuzubereiten, gab er eine Henne ab; 24 Kreuzer forderte er für sie.
Am 11. Dezember 1813 richteten Kosaken in Weil im Schönbuch eine Wachstube ein. Sie verbrannten zwei Pfund Lichter, verheizten ein viertel Klafter Buchenholz und lagerten auf vier Bund Stroh.
Russische Infanterie benötigte am 13. Dezember wieder Holz, Lichter und Stroh für die Wachstube. Am 16. Dezember richtet wieder russische Infanterie im Ort die Wachstube ein; ihr folgten am 19. Dezember Kürassiere und am 22. und 23. Dezember Kosaken.
Kosaken und Artillerie bezogen am 23. Dezember auf dem Feld Quartiere. Am 24. und 25. Dezember legten sich wieder Kosaken in die Wachstube.
Kosaken-Rekonvaleszenten (Wiedergenesene) mussten am 27. Dezember aufgenommen werden.
Für Kosaken, die am 5. und 6. Januar 1814 im Ort sich einquartierten, berechnete man 11 Gulden 12 Kreuzer für den Aufwand an Holz, Lichtern und Stroh.
Auch am 17. und 18. Januar stellten sich russische Reiter in Weil im Schönbuch ein. Der Seiler Wurster lieferte ihnen 24 Wurfseile zum Anbinden ihrer Pferde bei dem Brunnen; einen Gulden 12 Kreuzer rechnete er dafür an.
Die durch das Amt Böblingen ziehenden russischen Truppen verfolgten die französische Armeen, die auf dem Rückzug waren, nachdem sie bei Leipzig im Oktober 1813 geschlagen worden waren. In Stuttgart wurde die russische Reitergarde am 23. Dezember von dem König Friedrich von Württemberg in den Anlagen bewirtet.
Quelle: Staatsarchiv Ludwigsburg 157, 220.
Quelle: Aus Schönbuch und Gäu. Beilage der Kreiszeitung Böblinger Bote, 4 + 5/1972
Der Text wurde gekürzt
Mit freundlicher Genehmigung des Heimatgeschichtsvereins für Schönbuch und Gäu e. V.
Siehe hierzu auch „Von österreichischen Kürassieren, russischen Offizieren und preußischen Soldaten im alten Oberamt Leonberg“.Altkreis Leonberg-„Von österreichischen Kürassieren …“