Vom Hofkünstler zum Böblinger Schlossverwalter
Jakob Christian Schlotterbeck (1757 – 1811)
Autorin: Susanne Schmidt
Außerhalb von Fachkreisen ist sein Name nahezu vergessen. Dabei gehörte Jakob Christian Schlotterbeck in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu den erfolgreichsten Portraitmalern und Kupferstechern im Herzogtum Württemberg. Berühmte Zeitgenossen wie Johann Kaspar Lavater, der Verleger Christoph Friedrich Cotta und Herzog Carl Eugen ließen sich von ihm portraitieren. Geboren und gestorben ist Schlotterbeck in Böblingen. Anfang und Ende seiner künstlerischen Karriere waren unmittelbar verknüpft mit dem Schicksal der damals wichtigsten württembergischen Bildungsanstalt: der Hohen Karlsschule in Stuttgart.
Jakob Christian Schlotterbeck, geboren am 23. Juli 1757 als Sohn eines Maurers in Böblingen, war gerade einmal 17 Jahre alt, als er 1774 auf die von Herzog Karl Eugen gegründete Militärakademie auf der Solitude, der späteren Hohen Karlsschule, aufgenommen wurde. Die genauen Umstände liegen im Dunkeln, doch mag die überlieferte Geschichte, er habe den Herzog auf dem Weg zu seinem Böblinger Jagdschloss an der Landstraße abgepasst, um ihm sein Bild „Hirsch in dichtem Baumschatten“ zu übergeben, irgendwo zwischen Dichtung und Wahrheit liegen.
Trotz ihres Namens war die Militärakademie keine reine Offizierskaderschmiede. Im Jahre 1775 waren ihr auch eine juristische Abteilung, eine Abteilung für Forstleute, sowie Ausbildungszüge für Künstler, Musiker und Tänzer angegliedert. Begabte „Subjecta jedweden Standes“ sollten hier nach Willen des Herzogs zu fähigen und loyalen Hof- und Staatsdienern ausgebildet werden. Diesem Umstand verdankten neben Schlotterbeck noch zwei weitere Böblinger aus einfachen Verhältnissen ihren Zugang: der nachmalige Forstrat und in den Adelsstand erhobene Johann Daniel (von) Reitter (1759-1811)1, sowie Ernst Georg Jakob Häussler (1761-1837), Cello-Virtuose und Sänger, der es in Augsburg bis zum Königlich Bayrischen Musikdirektor brachte.
Johann Christian Schlotterbeck (1757-1811), Schattenriss. (© Landesmedienzentrum Baden-Württemberg / Robert Bothner. Signatur LMZ050505)
Zu den prominentesten Zöglingen der Karlsschule zählte Friedrich Schiller. Der schöngeistige Medizinstudent hatte bekanntlich unter der strengen militärischen Zucht besonders zu leiden. Um Schiller sammelte sich schon bald ein Kreis von jugendlichen Bewunderern. Als er im Frühjahr 1778 im Bopserwäldchen heimlich einer Hand voll Freunde aus seinem im Entstehen begriffenen Sturm- und Drang-Drama „Die Räuber“ vorlas, war neben Johann Heinrich Dannecker, Viktor Heideloff, Joseph Kapf und Friedrich von Hoven auch der Böblinger Jakob Christian Schlotterbeck zugegen. Heideloff hat die Szene später in einer Aquarellskizze festgehalten. Eine engere Freundschaft zwischen Schiller und Schlotterbeck ist daraus aber wohl nicht entstanden und nach Schillers Weggang von der Akademie im Jahre 1780 hatten die beiden auch keinen Kontakt mehr.
Schlotterbeck hatte anfangs wohl die Absicht – wie Schiller – Medizin zu studieren, wechselte jedoch schon bald in die 1776 neu eingerichtete Abteilung für Kupferstecherei über, die von Johann Gotthard Müller (1747-1830) geleitet wurde. Er muss ein begabter Schüler gewesen sein, denn schon bald nach Abschluss seiner Ausbildung erhielt der 24-jährige Künstler 1781 eine Anstellung an der Kupferstecher- und Kupferdruckanstalt der Hohen Karlsschule und wurde 1782 zum Hofkupferstecher ernannt. Von 1788 bis 1794 – dem Jahr der Aufhebung der Karlsschule – hatte er dort einen Lehrauftrag. Das Anfertigen von Kupferstichen, viele davon nach Gemälden anderer zeitgenössischer Künstler, war in dieser Zeit seine Hauptaufgabe. So entstand beispielsweise nach einem Bildnis der damals prominenten Malerin Anna Dorothea Therbusch (1721-1782) der bekannte Portraitstich des Landschaftsmalers Adolf Friedrich Harper (1725-1806), der ebenfalls an der Hohen Karlsschule unterrichtete.
Bekannt wurde Schlotterbeck schließlich vor allem als Portraitmaler. Angeblich soll Johann Friedrich August Tischbein ihm zur diesem Metier geraten haben. Sein berühmtestes Gemälde ist sicherlich das 1782 im Viertelprofil angelegte Portrait Herzog Carl Eugens mit roter Schärpe und großem Ordensstern. Ganz im Sinne des aufgeklärten Absolutismus präsentiert sich der damals 54-Jährige Regent als verantwortungsbewusster Staatsdiener und gütig lächelnder Landesvater. Ein eindrucksvolles Bildnis gelang Schlotterbeck allerdings auch von einem aufrechten Gegner des Herzogs, dem württembergischen Staatsrechtslehrer und Pietisten Johann Jakob Moser (1701-1775), der als Haupt des ständischen Widerstands gegen die absolutistischen Bestrebungen Carl Eugens fünf Jahre auf der Festung Hohentwiel inhaftiert war.
Die Aquarellskizze Viktor von Heideloffs „Schiller liest die Räuber im Bopserwald“ zeigt den jungen Dichter deklamierend im Kreis seiner Kommilitonen J. H. Dannecker, V. Heideloff, J. Kapf, Friedrich von Hoven und J. C. Schlotterbeck (rechts neben Schiller, sich auf den Baum stützend). Die Schüler waren auch in der Freizeit zum Tragen der Uniform verpflichtet. (Bild: Wikimedia Commons / Public domain)
Die Aufhebung der Hohe Karlsschule nach dem Tode Karl Eugens im Jahre 1794 bedeutete für Schlotterbeck einen empfindlichen Karriereknick, von dem er sich nie wieder erholen sollte. Verbittert zog er sich mit seiner Frau Christina Dorothea (1769-1816) und vier Kindern in seine Heimatstadt Böblingen zurück. Durch eine noch im Staatsarchiv Ludwigsburg erhaltene Eingabe vom 18. Juni 1797 erfahren wir, dass er den Herzog um die gnädige Überlassung eines mietfreien “Locariums“ im Dienerflügel des ansonsten unbewohnten Böblinger Schlosses bat, da er Gehalt und Pension verloren habe. Sein Gesuch wurde mit der gleichzeitigen Übertragung des Amtes als Kastellan (Schlossverwalter) bewilligt. Schlotterbecks Versuch, in Stuttgart wieder Fuß zu fassen und eine private Kunstschule zu eröffnen, scheiterte jedoch ein paar Jahre später. In seinen Böblinger Jahren hat er sich überwiegend noch als Maler von Aquarellminiaturen betätigt. 1807 entstand so ein Portrait des württembergischen Wasserbaumeisters Karl August Friedrich von Duttenhofer, der wie Schlotterbeck an der Hohen Karlsschule lehrte.
Tief enttäuscht starb Jakob Christian Schlotterbeck im Alter von 54 Jahren am 15. August 1811 in Böblingen. Beigesetzt wurde er auf dem alten, 1836 aufgehobenen Friedhof bei der Liebfrauenkirche am Herrschaftsgarten. Seine Frau starb 1816. Von den acht Kindern des Paares haben nur fünf die Eltern überlebt. Sein Sohn Friedrich wurde ebenfalls Maler2. In einem Zimmer des Böblinger Schlosses bewahrte er später eine Sammlung von Werken seines Vaters auf.
J.C. Schlotterbeck, Portrait des Herzogs Carl Eugen im Alter von 54 Jahren, 1782. (© Landesmedienzentrum Baden-Württemberg)
Literaturhinweise: