Unterricht im Schichtbetrieb
Das Neue Schulhaus in Magstadt
Autor: Karlheinz Reichert
Von 1879 bis 1965 war das Neue Schulhaus in Magstadt tatsächlich das neue Schulhaus. Obwohl es mit der Johannes-Kepler-Schule längst eine neuere Schule gibt, hat das Gebäude an der Neuen Stuttgarter Straße seinen Namen behalten. Mit einer Sonderausstellung würdigt der Heimatgeschichtsverein die 125-jährige Geschichte des Neuen Schulhauses.
„Der gemeine Mann auf dem Dorfe konnte bis ins 16. Jahrhundert hinein weder schreiben noch lesen oder gar rechnen“, ist in der wissenschaftlichen Ausgabe des Magstadter Heimatbuches im Kapitel Volksschule zu lesen. In Magstadt galt das nicht ganz. So stammte der Bebenhauser Abt Bernhard Roggenbauch (1471 bis 1493) aus der Gemeinde und einige Jahrzehnte später werden Magstadter Studenten an deutschen Hochschulen erwähnt.
1535 wird Jacob Kegel als Schulmeister genannt und 1603 heißt es, Schulmeister Kreber habe „an knaben und medelin den winter durch etwa vier tisch voll gehabt“. Die Schulpflicht wurde in Württemberg 1649 eingeführt.
Das Alte Rathaus, in dem heute das Heimatmuseum untergebracht ist, wurde von 1607 bis 1822 als Schulhaus genutzt. Es gab einen Raum, bis zu 200 Schüler und zwei Lehrer – und Unterricht im Schichtbetrieb. 1814 forderte Pfarrer Faber ein neues Schulhaus. 1822 erwarb schließlich die Gemeinde das Wirtschaftsgebäude von Hirschwirt Heinrich Maier und baute es zur Schule um. Zur Finanzierung verkaufte sie das Alte Rathaus an Kaufmann Häring. Im heutigen Rathaus musste 1850 ein weiterer Schulraum eingerichtet werden.
Das Neue Schulhaus in Magstadt wurde 1878/79 nach Plänen von Prof. Stahl aus Stuttgart erbaut. Als Baumaterial diente grünlicher Schilfsandstein aus dem Magstadter Steinbruch Kohlhau.
Am 24. Mai 1876 beschloss der Gemeinderat, ein neues Schulhaus zu bauen. Über den genauen Standort an der Neuen Stuttgarter Straße wurde heftig gestritten. Es ging dabei auch um den Engpass zwischen Rathaus und Adler, den man für Garbenwagen und Postkutsche aufweiten wollte.
Das Neue Schulhaus ist heute das einzige Gebäude in der Gemeinde im klassizistischen Stil. Das Baumaterial, der Schilfsandstein, wurde im Magstadter Steinbruch Kohlhau am Rand des Hölzertals gebrochen. Im Winter 1878/79 war die Witterung so schlecht, dass die Ortsstraßen so aufgeweicht wurden und die Pferdefuhrwerke das Baumaterial nicht anliefern konnten. Die Einweihung wurde schließlich am 3. September 1879 gefeiert.
Beinahe hätte das Haus die ersten 100 Jahre nicht überstanden. 1970, so erinnert sich Helmut Frey, der mit Peter Schöck, Helmut Steegmüller und Hans Koch die Sonderausstellung zusammengetragen hat, habe die Straßenbauverwaltung den Abriss genehmigt – zu Gunsten einer Linksabbiegerspur von der Neuen Stuttgarter Straße in die Weilemer Straße. Selbst das Denkmalamt habe damals zugestimmt. Weil aber das Geld für den Straßenbau fehlte, blieb das Neue Schulhaus stehen. Heute wird es von verschiedenen Vereinen und der Volkshochschule genutzt.
Macht heute noch mächtig Eindruck: die monumentale Haupeingangstür des Neue Schulhauses. Unter dem Giebel steht geschrieben: Gottes Wort bleibet in Ewigkeit.
Erstveröffentlichung: Sindelfinger Zeitung vom 27. März 2004
Mit freundlicher Genehmigung der Sindelfinger Zeitung / Böblinger Zeitung