Manchmal muss man gar nicht zu Saurierfunden in die USA oder nach China fahren, um spektakuläre Einblicke in die Vorzeit zu erhalten. Und manchmal müssen Archäologen auch gar nicht selbst graben, um an Jahrmillionen alte Fossilien zu kommen. Etwa dann nicht, wenn Straßenbauer diese Arbeit erledigen, wie nun in Holzgerlingen geschehen. Da haben die Bagger, die den Einschnitt für die neue B 464 gegraben haben, Bemerkenswertes aus vier bis acht Metern Tiefe zutage gefördert und an der Straße im Baugebiet Hülben abgelegt: Tonnenschwere Steine mit Spuren von Holzgerlinger Ureinwohnern.
Der Experte Dr. Michael Montenari vom Institut für Geowissenschaften der Universität Tübingen hat diese Spuren untersucht und kann sie erklären: „Es handelt sich um die versteinerten Wohn- und Fraßgänge von Decapoden, die während der späten Trias die Sedimente im heutigen Schönbuch besiedelt haben.“ Aus den Spuren kann er viel über die damaligen Lebensumstände lesen: „Die Bereiche, in denen diese Sedimente damals abgelagert wurden, müssen sehr nährstoffreich gewesen sein. Außerdem war das Wasser nicht besonders tief: Also ideal für Tiere, die ihre Nahrung unmittelbar aus dem Sediment gewinnen in oder auf dem sie lebten.“
Solche Spuren sind für die Wissenschaftler von großer Bedeutung. „Die Gesteinsschichten, die wir in und um Holzgerlingen finden, dokumentieren den Übergang zwischen zwei wichtigen Einheiten der Erdgeschichte: der Trias und dem Jura“, sagt Montenari. Die Grenze zwischen diesen beiden Einheiten werde durch eines der größten Massenaussterbe-Ereignisse der Erdgeschichte markiert. Im Verlauf der letzten knapp 550 Millionen Jahre ging es dem Leben auf unserem Planeten fünfmal fast an den Kragen. „Das so genannte Trias/Jura-Ereignis ist eines dieser verheerenden Aussterbe-Ereignisse – da wurde es vor allem für die Lebewesen an Land ziemlich eng“, erklärt Montenari. Die Wissenschaftler interessiert besonders, welche Lebewesen sich unmittelbar vor der Katastrophe in oder auf dem Sediment aufgehalten haben, welche ausstarben und welche knapp nach der Verheerung die Areale wieder erneut besiedelt haben. „Solche Informationen erhalten wir unter anderem von den fossil überlieferten Spuren aus Holzgerlingen“, erläutert der Wissenschaftler weiter.