Aus dem Grabungsbericht des Denkmalamtes Stuttgart
Die römische Villa rustica bei Bondorf
Autor: Dr. Dieter Planck
Schon in der Beschreibung des Oberamts Herrenberg vom Jahr 1855 werden 2 km südlich von Bondorf im Bereich der Flur „Auf Mauren“ römische Gebäudereste, zahlreiche Funde und römische Architekturteile erwähnt.
Als im Herbst 1974 feststand, dass die römische Anlage dem Bau der Autobahn (A 81) endgültig zum Opfer fallen würde, begann das Denkmalamt im Frühjahr 1975 mit seinen Untersuchungen (…).
Die Lage des Gutshofes, unmittelbar östlich der Straße von Bondorf nach Wolfenhausen, war durch die Parzellierung und die Böschung an der südlichen und nördlichen Begrenzung einer spornartigen Hochfläche angezeigt. Es war deshalb nicht überraschend, dass im Bereich der untersuchten Flächen auch vorgeschichtliche Siedlungsspuren zum Vorschein kamen (…). Die älteste Siedlungsform geht bis in die späte Bronzezeit um 1100 v. Chr. zurück. Umfangreiche Spuren fanden sich dann vor allem aus der frühen Latènezeit1 (…).
Die eigentliche Grabung galt jedoch den römischen Siedlungsresten. Überraschenderweise konnten zwei Bauperioden nachgewiesen werden. Damit gelang ein wichtiger Beitrag für die zivile römische Siedlungsgeschichte in Baden-Württemberg.
Zur ersten Phase gehörte ein Gehöft aus Holzbauten mit einer mehrfach geführten hölzernen Umzäunung. Es war flächenmäßig nur um weniges kleiner als die jüngere Steinbauphase. Die Umzäunung konnte nahezu an allen vier Seiten mit einer Länge von ca. 155 m und einer Breite von 23 m nachgewiesen werden. Funde aus verschiedenen Siedlungsgruben dieser älteren Bauphase datieren den Beginn der Anlage in das späteste 1. Jahrhundert n. Chr. Bei diesem Horizont handelt es sich um die Frühzeit der römischen Besiedlung. Es ist die Epoche, in der die Grenze durch den Odenwald und am Westufer des Neckars aufwärts angelegt wurde. Auch die frühesten Funde aus der großen römischen Siedlung summelocena, dem heutigen Rottenburg, das nur wenige Kilometer südlich liegt, sind nur wenig älter. Dieses Ergebnis zeigt es deutlich, dass unmittelbar nach der Okkupation des Landes durch die Römer damit begonnen wurde, größere Gutsanlagen zu errichten. Ob die Bewohner Kelten oder Römer waren, wissen wir nicht. Viele Zeugnisse in unserem Lande sprechen jedoch dafür, dass gerade die Gutsanlagen häufig von einheimischen Bewohnern keltischer Abstammung betrieben worden sind.
Blick auf die Grabung mit den z.T. freigelegten Gebäuden der Villa rustica2: im Zentrum das Hauptgebäude und direkt daran anschließend das Badegebäude. Links und rechts unten sind die beiden Eckgebäude gut zu erkennen. (© Landesmedienzentrum Baden-Württemberg / Albrecht Brugger. Ablageort LMZ: 40630C)
Vermutlich in der 1. Hälfte des 2. Jahrhunderts wurde der Gutshof dann in Stein ausgebaut. Die gesamte Hofanlage war durch eine viereckige, nicht rechtwinklige Hofmauer von 156 m Länge und ca. 97 m Breite umgeben. In allen vier Ecken der Hofmauer konnten turmartige Eckbauten aufgedeckt werden. …
Besonders interessant ist die Erweiterung der Hofanlage nach Westen. Hier konnte eine Mauer auf 113 m Länge nachgewiesen werden, die dann rechtwinklig nach Süden umbog und sich nach ca. 90 m verlief. Möglicherweise liegt hier ein mit einer Hofmauer umgebener Garten vor. Etwa 25 m südlich der Südostecke der Hofanlage wurde schließlich noch ein großer Kalkbrennofen aufgedeckt.Im Mittelpunkt der Gutsanlage liegt das Wohnhaus des Gutsherrn, das mit einer Hauptfront nach Süden von etwa 54 m Länge eine beachtliche Größe besitzt. Das Wohnhaus weist den typischen Grundriss mit zwei turmartigen Eckbauten und einem länglich rechteckigen Verbindungstrakt auf, den man als Porticus bezeichnet. An diesen vorderen Bautrakt schließt sich nach hinten ein Innenhof an, der nach Westen von einer 2. Raumreihe abgeschlossen wird. … Zwei Räume hatten eine Hypokaustheizung.3 Im vorderen Trakt konnte im Untergeschoss ein Keller aufgedeckt werden. Der Eingang führte aus dem Innenhof über eine Rampe. Dieser Keller besaß ein hervorragendes Kanalisationssystem. Das wohl bei starken Regenfällen durch den Innenhof hereindringende Wasser wurde in Kanälen gesammelt und nach Südosten abgeleitet. Der Kanal konnte bis jenseits der Hofmauer nachgewiesen werden.
Unmittelbar nördlich gelang es, ein separates Badehaus zu untersuchen. Westlich des Wohngebäudes konnte ein Wirtschaftsgebäude aufgedeckt werden. An der östlichen Hofmauer lag ein 15 x 21 m großes Gebäude, das durch ein System von kleinen Abwasserrinnen besonders ausgezeichnet war. Man wird hierin einen Handwerkerbetrieb vermuten dürfen. Schließlich lagen südlich des Hauptgebäudes drei Bauten, von denen zwei unmittelbar an die Hofmauer angebaut waren. Zusammen mit einem nicht vollständig erhaltenen Bau dürfen wir diese Häuser ebenfalls als Wirtschaftsbauten ansehen. Gerade bei derartigen großflächigen Anlagen gehören selbstverständlich zahlreiche Scheuern und Unterstellplätze für Wagen und Geräte dazu.
Schließlich ist noch auf ein recht gut erhaltenes Gebäude einzugehen. Das etwa 13 x 10 m große mit einem guten Estrichboden ausgestattete Gebäude liegt unmittelbar vor dem Hauptgebäude. Zwischen ihm und der Hofmauer fanden sich einige ganz hervorragende Architekturteile mit Resten einer Stukkatur, die nur zu einem besonderen Bau gehört haben können, außerdem Bruchstücke einer nackten, männlichen Gottheit. Man darf in diesem Gebäude einen Kultbau vermuten.
Römischer Gutshof von Bondorf. Gesamtübersichtsplan ohne westlichen Anbau, Maßstab 1 : 1250.(Aus: Dieter Planck: Die Villa rustica bei Bondorf. In: Archäologische Ausgrabungen 1975)
Erstveröffentlichung: Aus Schönbuch und Gäu, Beilage des Böblinger Boten, 9-10/1978
Der Text wurde gekürzt.
Auszugsweise Veröffentlichung des Textes und der Bilder mit freundlicher Genehmigung des Landesamts für Denkmalpflege BW.
Literaturhinweise:
Anita Gaubatz-Sattler
Die Villa rustica von Bondorf
Hrsg.: Landesdenkmalamt Baden-Württemberg (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, Bd. 51)
Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1994. ISBN 3 8062-1156-6
Dieter Planck
Die Villa rustica bei Bondorf, Kreis Böblingen
In: Archäologische Ausgrabungen 1975, S. 43-51
Hrsg.: Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte
Weitere Links zum Thema:
Villa rustica in Hechingen-Stein
Grabungsbericht Villa Rustica in Mühlacker
Römermuseum Rottenburg
Villa Rustica Möckenlohe
Römerstraße Neckar-Alb
Wikipedia: Villa rustica
Referenz
↑1 | Als La Tène-Zeit (450 v. Chr. – Anfang 1. Jh. n. Chr. )bezeichnet man die zweite, auf die Hallstattzeit folgende, keltisch geprägte Periode der europäischen Eisenzeit. |
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↑2 | Im Unterschied zur städtisch geprägten Villa urbana (Landhaus) funktioniert die Villa rustica als landwirtschaftlicher Betrieb. Im römischen Germanien prägen die Villae rusticae nahezu flächendeckend das Siedlungsbild. |
↑3 | Fußbodenheizung durch ein ausgeklügeltes Heißluftkanalsystem; seit etwa dem 1. Jh. v. Chr. nachweisbar. |