Die Jakobuskirche in Haslach
Autorin: Susanne Schmidt
Im Jahre 1992 wurde die Jakobuskirche in Haslach 200 Jahre alt. Gewiss, im Kreis Böblingen gibt es weitaus ältere Kirchengebäude, doch verweist der Name des Kirchenpatrons auf viel ältere Wurzeln: auf einen Zusammenhang mit dem mittelalterlichen Jakobuskult und die Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela.
Über die Geschichte des genau an der Biegung der Hauptstraße gelegenen Kirchleins sind wir verhältnismäßig gut unterrichtet – zumindest was die letzten 200 Jahre betrifft.1 Nach Abbruch des baufällig gewordenen Vorgängerbaus wurde die Jakobuskirche von 1790 – 92 neu erbaut. Obwohl die Gemeinde vieles an Eigenleistung erbrachte, verschuldete sie sich dadurch beträchtlich. Nicht erhalten sind die Baupläne von Landoberbauinspektor Groß, doch entspricht der schlichte Saalbau mit seinem hohem Walmdach und dem schlanken Westtürmchen ganz dem damals gängigen Schema des evangelischen Kirchenbaus in ländlichen Gebieten.
Seit der Reformation wurde das Filial Haslach von den Diakonen oder zweiten Pfarrern der Herrenberger Stiftskirche mitbetreut. Die neue Kirche wurde von den Pfarrern allgemein gelobt, doch war der lange Weg von Herrenberg nach Haslach sehr beschwerlich – insbesondere im Winter. Bis ins frühe 19. Jahrhundert war es daher üblich, dass die Gemeinde ihrem Pfarrer ein „Dienstpferd“ stellen musste.2
Die Jakobuskirche in Haslach. (Bild: Susanne Schmidt)
Wenig bekannt ist über den mittelalterlichen Vorgängerbau. Im Lagerbuch der Herrenberger Stiftskirche wird die Kapelle 1470 erstmals urkundlich erwähnt. Auf der Ortsansicht von Andreas Kieser aus dem Jahre 1683 ist eine kleine Kirche mit Dachreiter, gotischen Fenstern und einem deutlich abgesetzten Ostchor zu erkennen.
Haslachs Pfarrort war ursprünglich wohl Gültstein. Bereits seit dem Ende des 9. Jahrhunderts waren die Haslacher jedoch „tot und lebendig“ in die Pfarrei Mühlhausen – neben Raistingen eine der beiden Herrenberger Vorgängersiedlungen – „gebannt“. Dies änderte sich auch nicht, als in der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts die Herrenberger Marienkirche zur Pfarrkirche wurde. Mutterkirche für die Haslacher blieb die Kapelle in Mühlhausen. Noch bis 1858 befand sich der Haslacher Begräbnisplatz, wie die Oberamtsbeschreibung vermerkte, „zur großen Beschwerlichkeit der Einwohner 1/2 Stunde östlich vom Ort, …, an der Stelle des längst abgegangenen Orts Mühlhausen“.
Die mitten im Ort gelegene Jakobuskirche war also, wie Roman Janssen dies in seiner Untersuchung der mittelalterlichen Geschichte der Jakobuskirche überzeugend darlegt, bis zur Reformation lediglich eine unbepfründete Kapelle, „ein reiner Andachtsraum, welcher Übungen der Frömmigkeit und der gelegentlichen Meßfeier diente“.3 Das Patrozinium des Heiligen Jakobus lässt jedoch zweifellos auf einen Zusammenhang mit der „großen Wallfahrt“ des Mittelalters nach Santiago de Compostela schließen.
Ansicht von Haslach mit der alten Jakobuskirche aus dem Forstlagerbuch von Andreas Kieser aus dem Jahre 1683. (Bild: Landesarchiv BW/Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 107/18 Bd 52 Bl. 27. http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-513241)
Nachdem sich im 9. Jahrhundert die Kunde von der vermeintlichen Auffindung des Apostelgrabes von Jakobus dem Älteren im nordspanischen Compostela verbreitet hatte, entwickelte sich die galizische Stadt im 11. und 12. Jahrhundert neben Rom und Jerusalem zum wichtigsten christlichen Pilgerziel. Auch im 15. Jahrhundert erhielt die alle anderen an Ausmaß und Beliebtheit überragende „große Wallfahrt“ nochmals großen Zulauf. Ausgerüstet mit der damals üblichen Reisebekleidung – Hut, Mantel, Stock und der Jakobsmuschel als Erkennungszeichen – zogen die aus ganz Europa heranströmenden Pilger auf vier Hauptrouten und unzähligen Nebenstrecken durch Frankreich. Auch wenn in Deutschland keine solch ausgesprochenen Jakobspilgerrouten angelegt wurden, gab es auch hier ein umfangreiches Wegenetz, auf dem die Pilger einst Station machen konnten. Jakobuskirchen, (z. B. in Tübingen und Horb), Hospize und Flurnamen künden heute noch davon. Eine solche Route führte wahrscheinlich auch über Haslach. Von hier aus könnten die Pilger durch den Schwarzwald weiter bis nach Frankreich und Spanien gezogen sein.
Ein interessantes Zeugnis des mittelalterlichen Wallfahrtswesens und des Jakobuskults ist auch der schöne Flügelaltar, der sich von 1493 bis 1853 in der Haslacher Kirche befand und heute im Württembergischen Landesmuseum in Stuttgart steht.
Spuren der Jakobsverehrung im Kreis Böblingen
Spuren der Jakobsverehrung und der Wallfahrt nach Santiago de Compostela finden sich in unserem Landkreis auch noch anderenorts.
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Literatur:
200 Jahre Jakobuskirche Haslach. Herausgeber: Ev. Kirchengemeinde Haslach, Herrenberg 1992.
Kirchen im Landkreis Böblingen. Hrsg. Ev. Kreisbildungswerk und Kath. Bildungswerk Kreis Böblingen, Red. Fritz Heimberger, Verlag Schnell & Steiner, München/Zürich 1990.
Internet-Links zum Jakobsweg:
Jakobsweg-Wikipedia
Portal zu Jakobus-Themen
Deutsche Jakobus-Gesellschaft
Referenz
↑1 | Zum Kirchenbau siehe Martin Frieß, 200 Jahre Jakobuskirche. Ein Überblick, in: 200 Jahre Jakobuskirche Haslach, hrsg. von der Ev. Kirchengemeinde Haslach, Herrenberg 1992, S. 7 – 22. |
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↑2 | Siehe hierzu Roman Janssen: Aus Kirche und Gemeinde. Ein Lesebogen, in: 200 Jahre Jakobuskirche Haslach, Hrsg.: Ev. Kirchengemeinde Haslach, Herrenberg 1992, S. 45. |
↑3 | Zur mittelalterlichen Geschichte siehe Roman Janssen, St. Jakob in Haslach und sein Altar, in: 200 Jahre Jakobuskirche Haslach, hrsg. von der Ev. Kirchengemeinde Haslach, Herrenberg 1992, S. 23 – 42. |