Am 9. April 1559 steht das Dorf in Flammen
Der große Brand von Weil im Schönbuch
Autor: Walter Hahn
Die Erinnerung an die unruhigen Zeiten während des Bauernkriegs war noch lebendig, als eine entsetzliche Brandkatastrophe über das Dorf hereinbrach. Was Generationen in unermüdlichem Fleiß aufgebaut und erworben hatten, wurde an einem Tag durch die Flammen zerstört.
Das Osterfest war vorüber und Sonntag Misericordias Domini stand auf dem Kalender. Die Einwohner feierten Kirchweih und wer nicht krank, zu alt oder zu gebrechlich war, vergnügte sich bei Tanz, Spiel und Wein.
Die fröhliche Stimmung wurde jäh unterbrochen, als Brandgeruch über das Dorf wehte. Man eilte zur Brandstätte um zu löschen. Kaum hatten die Wasserträger die ersten Ketten zu den Ziehbrunnen und zum Steigbrunnen mit Eimern und Gölten gebildet, brachen neue Brände an den anderen Enden des Dorfes aus. Die Flammen sprangen rasch über die strohgedeckten Dächer, an denen man festgehalten hatte, weil sie gegen Wind, Regen und Kälte Schutz boten.
Alle waren auf den Beinen, aber das Wasser wollte nicht reichen. Wo sollte man zuerst löschen, wem zuerst helfen? Bald standen ganze Häuserreihen in Flammen. Niemand konnte das Geschehen begreifen. Panik brach aus. Jeder eilte seinem Anwesen zu. Die Kranken, die Gebrechlichen und die Kinder brachte man in Sicherheit, wer nicht gehen konnte, mußte getragen werden.Während des Brandes versuchten viele, ihren geretteten Besitz in der Kirche zu lagern. Auch der Pfarrer Johannes Dürnauer ließ seinen Hausrat, seine Bücher, Urkunden und Schriften in die Kirche tragen. Doch das Feuer griff auch auf die Kirche über. Noch nach Tagen fand man im Schönbuch und in den benachbarten Dörfern Blätter von Büchern und Schriften, die von der Hitze davongetragen wurden. Vermutlich hat das Pfarrhaus weniger Schaden erlitten, denn der Chronist berichtete „… und ist dem Pfarrhaus khein Schad widerfahren, hett er nichts geflohet, war er ohne Schaden davohn kommen“.1
Am Abend waren 111 Hofstätten niedergebrannt. Noch nach Tagen brachen immer wieder kleinere Brände aus. Eine schreckliche Zeit begann für die Einwohner, denn sie waren ärmer als je zuvor. Aus den Resten ihrer Ruinen bauten sie die ersten Notunterkünfte für Mensch und Vieh. Pfleghof und Pfarrhaus scheinen die wenigen Gebäude gewesen zu sein, die nur geringfügigen Schaden erlitten hatten.
Dorf in Flammen. (Nachkolorierter Stich aus: J. F. Adloff: Sitten- und Historien-Büchlein für Kinder, Erfurt 1799, S. 60.)
Der Wiederaufbau des Dorfes erstreckte sich über 20 Jahre. Neben dem ehemaligen Gasthaus zum Adler in der oberen Halde stand ein Torbogen mit der Jahreszahl 1558. Vor dem Brand bildete der Bogen einen Teil der Hofanlage, die in dem genannten Jahr erbaut wurde und im folgenden Frühjahr 1559 dem Brand zum Opfer fiel. Das Haus des Wagners Preisendanz trägt als Baujahr die Zahl 1559 und das ehemalige Rathaus 1568.
Es ist nur ein kleiner, eingeklebter Zettel in der Einbanddecke des ältesten Taufbuches aus dem 17. Jahrhundert erhalten, der uns in einem Satz von der Katastrophe berichtet: „Anno 1559, den 9.Aprilis an der Kirchweih ist von Enderlin Seitzen an 4 Orten allhie Feuer eingelegt, davon der Fleck angezündet und hundert und elf hofstell abgebrannt, auch die Kirch, Pfarr-und Rathaus eingeäschert worden“.2
Einzelheiten über diese katastrophale Feuersbrunst und über ihren Verursacher erfahren wir aus der Handschriftensammlung des Magisters Jakob Andreae, der in den Jahren 1561 bis 1574 Pfarrer in Tübingen-Hagelloch war. Das Dorf wurde an jenem Kirchweihtag von Enderlin Seytz angezündet. Ob er aus Weil im Schönbuch stammte, ist nicht bekannt. Später wurde er in Hechingen gefangengenommen. Außer der Brandstiftung in Weil wurden ihm auch noch einige Morde zur Last gelegt. (…)
Der im 1616 neu angelegten Taufbuch erfolgte Eintrag, das Pfarrhaus sei abgebrannt, ist nach den Aussagen des damaligen Ortspfarrers nicht richtig. Das alleinstehende Pfarrhaus war wohl am wenigsten gefährdet. Über den Grad der Zerstörung der Kirche gibt es keine Einzelheiten. Es ist aber anzunehmen, daß es sich bei dem massiven Mauerwerk der Kirche nur um den Brand der Dächer, den Einsturz der Decke im Chor und im Kirchenschiff und um die Zerstörung der Inneneinrichtung handeln konnte. Die Außenwände blieben stehen, da über dem Hauptportal das Baujahr der Kirchenerweiterung 1508 erhalten blieb. (…)
Bis über den 1. Weltkrieg hinaus berichtete die ältere Generation von der großen Feuersbrunst, so verheerend war das Unglück für das gesamte Dorf. Über den Brandstifter Enderlin Seitz erzählte man sich noch manche Geschichte. So sei er während des Brandes nicht nur unter der Brücke am See gelegen, während die Breitensteiner und Neuweiler zur Brandstätte liefen, sondern sei auch oben am Hauberg gesehen worden. Er hätte auf seiner Geige gespielt und dazu gesungen: „Enderle Seitz hot Weil a’brennt, o wia brennt des Weil so schö‘. Wenn des et guat für d’Wanze ischt, no woas i et, was besser ischt“.
Die alte Wagnerei gegenüber der Martinskirche entstand direkt nach dem großen Brand und trug als Baujahr die Zahl 1559. Damit war sie eines der ältesten Gebäude in Weil. Das Foto entstand kurz vor seinem Abriss im Jahre 2013. (Foto: Susanne Schmidt)
Einzelheiten über die katastrophale Feuersbrunst in Weil im Schönbuch und über ihren Verursacher erfahren wir aus der Handschriftensammlung von Magister Jakob Andreae, der zwischen 1561 und 1574 Pfarrer in Hagelloch war. Was er berichtet, hat er selbst erlebt und seine Angaben beruhen auf Mitteilungen von Augenzeugen.
Magister Jacobus Andreae berichtet über den großen Brand in Weil im Schönbuch im Jahre 1559
„Weyl im Schönbuch ist ein stattlicher Fleck, liegt auf hohem Feld, gehört ins Kloster Bebenhausen, ist einmal übel verbronnen. Hat den Flecken angezünndt ein loser Mann, Enderlin Seytz, der sich hernach als das Dorff in aller Macht bronnen (wie er selbst in der Folter bekannt), unter ein brucken gelegt, der Brunst zugesehen und die Leutte, so zur Brunst geloffen, über ihn hin geloffen – dieser Lecker ist fernher zu Hechingen in der Grafschaft Zollern gefangen worden. Er hat mit einem Meßpfaffen zu Morgen gegessen und sich mit einigen Red verret (zu viel geredet, d.h. sich verraten). Der Meß-Priester hat Ime was zugemutet, hatte er gesagt: So wahr ich Enderlin Seytz heiß, so thue ichs nicht. Nuhn hat der Meßpfaff oft gehört, das man den Enderlin Seytz in großem Verdacht und Argwohn hab, das er nit allein Weil im Schönbuch angezündet, sondern auch sonst viel böse Stück gethan hab, hatt er zu dieser Red still geschwigen unnd Im willfahrt unnd Recht gelassen. Das er’s nit merke, ist er etliche mahl uffgestanden, aus der Stuben gangen, als wann er etwas befehlen oder zahlen woll, darneben aber durch sein gesind dem Schultheiss zu Hechingen in geheim anzeigen lassen, der Enderlin Seytz sei bei Ihme, soll Leute bestellen, die ihn fahen. Der Schultheiss name in der stille vil Männer zu Ihme, ging anfangs selbst hinein. In des Messpfaffen Stuben, gesegnet er Inen wein und brott und fragt, ob sie kheine Zechgesellen bedürffen. Der Meßpriester sagt ja und khommen allgemach mehr Männer in die Stuben. Da nuhn der Messpriester gesehen, dass leut genug in der Stuben, die des Mörders und Brenners mächtig khonnten sein, hat er in einem Augenblick das Tischtuch sampt den Messern, Bechern und was uff dem Tisch gewesen uff den Boden herabgezogen, das der Mörder khein Messer oder anderes ergreifen khonnt, sich zu wehren. Da sein die bestellte Burger zugefahren, In angefallen und gefangen genommen. Darob der verzweifelt Mensch nit fast (sehr) ist erschrocken, sonnder ein spotische Antwort denen die ihn gefangen haben, geben: Der Vogel ist gefangen. Darauff man In stark gebunden in ein wohlverwarte gfengniß gelegt und peinlich beklagt worden: hat er in der Tortur nit allein bekhennt, das er Weil im Schönbuch angebronnen und wie es Ime so wol gefallen, so das fewer (Feuer) so dapffer brunne, sonder auch da die Leutte so zum fewer geloffen, uff der hülzernen brukken gedapt, sondern auch vil Mord gethan. Darumb Graff Carlin von Hohen Zollern In schrecklich hatt justifizieren lassen, lebendig gerädert, khein Gsellenstoss (Gnadenstoß) geben, also noch lebendig uff das Rad binden lassen, ein fewer under In gemacht, daß er dasselbe lang empfunden. Als das fewer angefangen, hatt der Nachrichter zu Tübingen, M. Wolff genannt, ein feiner, alter, bescheidener, frommer, gottseliger Mann, den hochs und nieder standtspersonen lieb gehapt, Ime zugeschryen: Fleuch, Enderlin, fleuch, Weil im Schönbuch brennt!
Hat also dieser Mörder und Brenner sein Leben elendiglich mit großen Schmertzen müssen uff geben. Als die Brunst zu Weil groß war, haben viel leuth Ir Armüedtle in die Kirche daselbst geflohet wie auch der Pfarrer selbst sein Haußrath und Bücher darein tragen lassen. Ist das fewer so groß worden, daß es auch die Kirch anzündt, was darein geflohet worden, mehrertheil verbronnen, sonderlich des Pfarhers bücher und schriften, welche der Wind sehr weithin und wieder verworffen, daß man im Schönbuch und benachparten Dörffer Bletter von des Pfarrers Bücher vunden hatt und ist dem Pfarrhaus khein Schad widerfahren, hett er nichts geflohet, war er ohne Schaden davon kommen ! Weil er austragen lassen, ist er um allen sein Hausrath und Bücher khommen, welches Ich M. Jacobus Andreae von dem Pfarrer Thoma Dürnauer (in Weil von 1556-91) als meinem Superintendenten afftermahl gehört, da er sein Bibliothek klagt hat.“
Quelle: Walter Hahn, Heimatbuch Weil im Schönbuch – Breitenstein – Neuweiler. Hrsg. von der Gemeinde Weil im Schönbuch, 1988, S. 63-64.
Mit freundlicher Genehmigung der Gemeinde Weil im Schönbuch
Autor: Walter Hahn
Erstveröffentlichung: Heimatbuch Weil im Schönbuch - Breitenstein - Neuweiler. Hrsg. von der Gemeinde Weil im Schönbuch, 1988, S. 62-64.
Der Autor, Walter Hahn, (1925-2012) war Schulrektor und Chronist der Gemeinde Weil im Schönbuch. Der gebürtige Weilemer veröffentlichte mehrere Bücher über den Schönbuch und legte ein umfangreiches Fotoarchiv an; 1988 erschien sein Heimatbuch Weil im Schönbuch.
Der Text wurde gekürzt.
Mit freundlicher Genehmigung der Gemeinde Weil im Schönbuch
Viele Ortschaften im heutigen Landkreis Böblingen wurden im Laufe ihrer Geschichte von verheerenden Brandkatastrophen heimgesucht wurden. In zeitreise-bb finden Sie weiteres Material zu diesem Thema: